Luftverschmutzung und Herpesvirus: Wie Nanopartikel chronische Lungenerkrankungen wie COPD fördern

Forschende von Helmholtz Munich konnten aufzeigen, dass Nanopartikel aus der Luftverschmutzung ruhende Herpesviren aktivieren und damit eine lokale Immunreaktion auslösen. Diese neuen Erkenntnisse sind jetzt in ASC Nano.

Gerade in Großstädten ist die Luft, die wir atmen, voller feinster Partikel. Mit jedem Atemzug transportieren wir diese Nanopartikel in die feinsten Verästelungen unserer Lunge. Dass das in Regionen mit starker Luftverschmutzung chronische Lungenkrankheiten befördert, ist inzwischen wissenschaftlicher Konsens. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass jährlich rund 7 Millionen Menschen an den Folgen schlechter Luftqualität sterben.

Forschende am Institut für Lungengesundheit und Immunität (LHI) von Helmholtz Munich haben jetzt einen weiteren Zusammenhang beobachtet, der diesen schädlichen Prozess befördert: zuvor ruhende Herpesviren werden durch die eingeatmeten partikulären Luftschadstoffe aktiviert und lösen dabei lokale Immunreaktionen aus. Wiederholt sich diese Schadstoffexposition, führt das zu Emphysem artigen Verletzungen der Lungenbläschen, bedingt durch das Absterben einzelner Lungenepithel-Zellen – was wiederum einer der Hauptgründe für unheilbare chronische Lungenkrankheiten wie COPD ist. Letztere wird zumeist durch Rauchen ausgelöst, aber auch Nichtraucher können betroffen sein. Das Zusammenspiel von allgegenwärtigen Herpesviren bzw. ihre durch Feinstaub-Exposition hervorgerufene Reaktivierung könnte dafür eine zusätzliche Erklärung sein.

Dr. Lianyong Han und Dr. Verena Häfner aus der Gruppe von Dr. Tobias Stöger in Kooperation mit Prof. Heiko Adler vom Institut für Asthma- und Allergieprävention (IAP) von Helmholtz Munich und dem Walther-Straub-Institut für Pharmakologie und Toxikologie an der LMU entdeckten aber auch einen möglichen Weg, diesen Prozess zu stoppen: Die Reaktivierung der Herpesviren kann medikamentös gehemmt werden – und zwar präventiv vor dem Einatmen von rußähnlichen Nanopartikeln.

Für LHI-Gruppenleiter Tobias Stöger gibt es aber noch eine weitere Erkenntnis in die Zukunft hinein:  Nanopartikel entstehen mehr denn je auch am Arbeitsplatz durch technische Prozesse bei der Produktion von High-Tech-Materialien. Bei künftigen Nanosicherheitsstudien oder Risiko-Vorhersagen müsse deswegen die Anfälligkeit der Lunge bedingt durch allgegenwärtige latente Herpesvirusinfektionen berücksichtigt werden.

Zusammenfassend also entdeckten die Forschenden: Das Zusammentreffen von rußähnlichen Nanopartikeln und latent vorhandenen Herpesviren löst in den Lungenbläschen einen krankheitsfördernden Prozess aus. Eine therapeutische Hemmung dieses Prozesses könnte aber die Reaktivierung des Virus verhindern und COPD-ähnliche Erkrankungen lindern.

Originalpublikation

Han et al. (2023): Nanoparticle-Exposure-Triggered Virus Reactivation Induces Lung Emphysema in Mice. https://doi.org/10.1021/acsnano.3c04111

Über die Wissenschaftler

Dr. Tobias Stöger, Gruppenleiter für Dynamics of Pulmonary Inflammation am Institut für Lungengesundheit und Immunität (LHI) bei Helmholtz Munich
Prof. Heiko Adler, Gruppenleiter am Institut für Asthma- und Allergieprävention (IAP) bei Helmholtz Munich