Schnitt für Schnitt: Forschungsteam der Universität Münster untersucht Dehnbarkeit der Herzwände

Für die Pumpfunktion des Herzens ist entscheidend, wie dehnbar die Herzwände sind. Eine Arbeitsgruppe des Instituts für Physiologie II der Medizinischen Fakultät der Universität Münster konnte erstmals zeigen, welche Strukturelemente diese Flexibilität wie stark beeinflussen. Die Studie ist in der Fachzeitschrift „Nature Cardiovascular Research“ erschienen.

Im Grunde arbeitet das Herz wie jede andere Pumpe: Während der Diastole erschlafft es und füllt sich mit Blut, bei der Systole zieht es sich zusammen und pumpt die lebensnotwendige Flüssigkeit in den Körperkreislauf. „Wichtig ist dabei die Dehnbarkeit der Herzwände. Die Menge an Blut, die bei der Diastole ins Herz strömt, wird auch wieder herausgedrückt und versorgt unseren Kreislauf unter anderem mit Sauerstoff“, erläutert Arbeitsgruppenleiter Prof. Dr. Wolfgang Linke. Bessere Dehnbarkeit bedeutet also höheres Volumen und dieses wiederum mehr Blut. Da stellt sich die Frage: Welche Strukturen beeinflussen die Flexibilität wie stark?

Bisher galt vor allem Titin als einflussreich, das größte Muskelprotein des menschlichen Körpers. Wie eine Sprungfeder hält es die als Filamente bekannten dicken und dünnen Fasern zusammen, die die Kontraktion eines Muskels vermitteln. Dehnt sich beispielsweise der Muskel, spannt sich die Feder und wirkt auf die Filamente ein – so auch bei der Diastole. „In einem Mausmodell haben wir in isolierten Herzpräparaten nacheinander die einzelnen Strukturelemente weggenommen, die die Dehnung beeinflussen könnten“, betont Wolfgang Linke. Ermöglicht hat das eine „Enzym-Schere“, die das Team bereits in früheren Arbeiten entwickelt hatte, um Titin-Filamente durchzuschneiden. „In der neuen Untersuchung haben wir weitere mechanische Elemente der Herzmuskeln ausgeschaltet und uns zudem die extrazelluläre Matrix angeschaut“. Über dieses Ausschlussverfahren untersuchten die Wissenschaftler „Schnitt für Schnitt“, welches Element welchen Beitrag zur Dehnbarkeit leistet.

Das Ergebnis: Den größten Einfluss haben tatsächlich die Titin-Federn. Weitere Elemente leisten einen entscheidenden Beitrag, allen voran die Mikrotubuli-Proteine und Actin-Filamente. Zudem ist die extrazelluläre Matrix nicht unbedeutend – sie greift jedoch erst, wenn sich das Herz bereits zu einem Gutteil gefüllt hat, das „Gummiband“ also gedehnt ist. „Durch unsere Methode haben wir erstmals den Anteil der Einzelelemente an der Dehnbarkeit quantifiziert. Das kann Ausgangspunkt für weitere Fragestellungen sein, beispielsweise: Welches Element sollte bei bestimmten Herzerkrankungen therapeutisch angesteuert werden, um die Wand-Dehnbarkeit zu verbessern? Oder: Sind die relativ häufig auftretenden genetischen Veränderungen im Titin der Grund für das ‚Ausleiern‘ der Herzwände bei vielen chronischen Herzerkrankungen?“, schaut Wolfgang Linke nach vorn.

Originalpublikation:

https://doi.org/10.1038/s44161-023-00348-1