MFA hat Schlüsselrolle in Herzinsuffizienz-Versorgung
Deutsches Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg prüft in bundesweiter Studie HI-PLUS die bedarfsoptimierte Versorgung von Menschen mit Herzinsuffizienz durch nichtärztliches Fachpersonal und eHealth-Plattform
Würzburg. Ende November haben am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg (DZHI) 24 Medizinische Fachangestellte (MFA) erfolgreich ihre Fortbildung zur Herzinsuffizienz-MFA (HI-MFA) abgeschlossen, neun von ihnen sind Teil der neuen Versorgungsstudie HI-PLUS. In der Cluster-randomisierten kontrollierten Studie, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) im Rahmen des Innovationsfonds für drei Jahre mit rund 3,3 Millionen Euro gefördert wird, evaluiert das DZHI einen neuen Ansatz zur sektorenübergreifenden patientenindividuellen Versorgung. Dabei nehmen die Herzinsuffizienz-MFA eine Schlüsselrolle ein.
Herzinsuffizienz-Patienten erhalten oft keine leitlinien- oder bedarfsgerechte Therapie
„Die Versorgung von Menschen, die an Herzinsuffizienz leiden, ist sehr komplex. Insbesondere nach Erstdiagnose oder nach einer Krankenhauseinweisung übersteigt die sehr individuell zu planende und umfängliche Behandlung häufig die Zeitkontingente im ambulanten Bereich. Herzinsuffizienz-Patienten erhalten daher oft keine leitlinien- oder bedarfsgerechte Therapie“, erläutert Prof. Dr. Stefan Störk die Hintergründe von HI-PLUS. Stefan Störk ist Leiter des Departments Klinische Forschung und Epidemiologie am DZHI sowie des Fortbildungsprogramms für Herzinsuffizienz-Pflegekräfte (HI-Nurse) und Spezialisierte Herzinsuffizienz-Assistenz (HI-MFA) am DZHI.
Strukturiertes, evidenzbasiertes Care- und Case-Management
In bisherigen Versorgungsprogrammen konnte bereits gezeigt werden, dass eine engmaschigere Betreuung der Patientinnen und Patienten zu einer gesteigerten Krankheitskompetenz und damit zu einem deutlich verbesserten Behandlungsergebnis führt. HI-PLUS baut darauf auf und will zeigen, dass eine zwölfmonatige Behandlung im Rahmen eines strukturierten und evidenzbasierten Care- und Case-Managements die Lebens- und Versorgungsqualität von Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz im Vergleich zur derzeitigen Standardversorgung verbessern kann. Zudem werden weitere positive Effekte erwartet, wie die Stärkung der Zusammenarbeit und des Informationsaustausches zwischen Hausarztpraxen und Facharztpraxen, was auf lange Sicht allen Patientinnen und Patienten zu Gute kommt, die Therapie wird nicht nur optimiert, sondern auch besser angenommen.
Starke Projektpartner
HI-PLUS wird durch starke Kooperationspartner gemeinsam getragen. Das Institut für Klinische Epidemiologie und Biometrie (Prof. Peter Heuschmann) der Universität Würzburg evaluiert die Studiendaten. Der Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, Controlling und interne Unternehmensrechnung der Universität Würzburg (Prof. Andrea Szczesny) führt im Rahmen des Projektes die gesundheitsökonomische Evaluation durch. Die Deutsche Stiftung für chronisch Kranke (Dr. Bettina Zippel-Schultz) befragt die Patientinnen und Patienten zur wahrgenommenen Versorgungsqualität und führt Interviews mit Ärztinnen, Ärzten, MFAs und Erkrankten zur Einführung und Akzeptanz der neuen Versorgungsform durch. Die Software-Firma SVA System Vertrieb Alexander GmbH stellt die eHealth-Plattform und die elektronische Fallakte medpower® zur Verfügung.
Engmaschige Betreuung durch die HI-MFA
„Mit 45 kardiologischen Praxen haben wir schon mehr als die Hälfte unserer anvisierten 74 Praxen aus ganz Deutschland rekrutiert. Die kardiologische Praxis ist als Cluster definiert, sie arbeitet mit verschiedenen Hausarztpraxen ihrer Wahl zusammen“, berichtet Studienkoordinatorin Lisa Kimmelmann. Wer Interesse hat, an HI-PLUS teilzunehmen, könne sich weiterhin gerne beim Studienteam melden (www.ukw.de/dzhi/hi-plus). In den Praxen, die der Kontrollgruppe zugeteilt werden, findet unverändert eine Regelversorgung statt. Praxen der Interventionsgruppe lassen ein bis drei MFA aus ihrem Team am DZHI kostenfrei schulen, die dann im Projektverlauf das intensivierte Care- und Case-Management der Erkrankten übernehmen.
Fortbildung Spezialisierte Herzinsuffizienz-Assistenz
Das DZHI bietet bereits seit dem Jahre 2017 die Fortbildung zur Spezialisierten Herzinsuffizienz-Assistenz nach dem Curriculum der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie an. Der viertägige Lehrgang soll MFA dazu befähigen, Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz strukturiert und individuell nach dem neuesten Wissensstand zu versorgen. Dies beinhaltet unter anderem das Erfassen und Auswerten der multiplen somatischen und psychosozialen Aspekte des Syndroms Herzinsuffizienz, die Therapieüberwachung und Unterstützung der Patienten sowie die Qualitätssicherung. Ein Schwerpunkt des Lehrgangs beruht auf der Vermittlung kommunikationspsychologischer Basiskompetenzen sowie Techniken des telefonischen Monitorings. In Vorlesungen sowie Kleingruppenarbeit und praktischen Übungen werden die Fähigkeit vermittelt, Patienten mit Herzschwäche empathisch und professionell zu betreuen und zu begleiten.
eHealth-Plattform mit leitliniengerechtem Coaching-Modul und barrierefreier Abstimmungsmöglichkeit
Neben dem Lehrgang werden die Spezialisierten Herzinsuffizienz-Assistenzen im Rahmen von HI-PLUS in unterschiedlichen Projekt-Modulen geschult. Denn die HI-MFA rekrutieren auch die Studienteilnehmenden und übernehmen das intensivierte HI-PLUS-Patientenmanagement. Dabei werden sie supervidiert durch den fachärztlichen Vorgesetzten und unterstützt durch ein leitliniengerechtes Coaching-Modul auf der eHealth-Plattform. Über die eigens für HI-PLUS entwickelte und von der Firma SVA gehostete Plattform können sich die MFA mit den Ärztinnen und Ärzten aus der kardiologischen Praxis und der hausärztlichen Praxis barrierefrei über den Zustand der Erkrankten, die Behandlungsziele und Medikationsänderungen austauschen. Auf der Plattform gehen die Werte der Telemonitoring-Geräte wie Waage, Blutdruck und bei Bedarf EKG ein, und alle Versorgungsprozesse werden automatisch dokumentiert.
Bislang haben sich 36 MFA neu im Rahmen von HI-PLUS spezialisiert. Die Praxen, die der Kontrollgruppe zugewiesen wurden, haben nach Studienabschluss die Möglichkeit, ebenfalls ein bis drei MFA kostenfrei im DZHI schulen zu lassen. Das DZHI bietet derzeit jeweils im Frühjahr und Herbst einen HI-MFA Kurs an, der allen MFAs, die die Teilnahmevoraussetzungen erfüllen, offensteht. Kurs- und Studienleiter Stefan Störk ist davon überzeugt, dass das Berufsbild der MFA ein effizientes und zeitgemäßes Konzept zur verbesserten Versorgung dieser wichtigen Patientengruppe darstellt.
Über das Krankheitsbild Herzinsuffizienz
Die Zahl der Menschen, die an einer chronischen Herzinsuffizienz, im Volksmund auch Herzschwäche genannt, leiden, wächst stetig. Rund 64 Millionen Menschen weltweit leiden an einer Herzinsuffizienz, davon mehr als 3 Millionen in Deutschland. Herzinsuffizienz ist seit einem Jahrzehnt der häufigste Grund für eine Krankenhausaufnahme und damit ein relevanter gesundheitsökonomischer Faktor. Mit jeder so genannten kardialen Dekompensation und der nachfolgend erforderlichen Krankenhauseinweisung verschlechtert sich die Prognose deutlich. Herzinsuffizienz ist mit einer höheren Sterblichkeit verbunden als die meisten Tumorerkrankungen. Die Tendenz zur Herzinsuffizienz ist in unserer alternden Gesellschaft steigend, aber sie tritt auch bei unter 50-Jährigen auf, Hauptgründe sind hier Übergewicht und Diabetes. Mehr als die Hälfte der Patientinnen und -Patienten hat fünf oder mehr Begleiterkrankungen. Die Pflege und Versorgung von Menschen mit Herzinsuffizienz ist in vielerlei Hinsicht sehr anspruchsvoll. Umso wichtiger ist eine umfassende Behandlung und Betreuung nach der Krankenhausentlassung.