Mit Elektrolyse gegen bakteriellen Biofilm: Neues Verfahren rettet Zahnimplantate
Während die Parodontitis, also die entzündliche Erkrankung des Zahnfleischs, als sogenannte Volkskrankheit buchstäblich in fast aller Munde ist, ist die Periimplantitis ein Krankheitsbild, das weitgehend unbekannt ist. Die Periimplantitis ist eine Zahnfleisch- bzw. Zahnbettentzündung rund um ein Zahnimplantat, die langfristig zu Knochenabbau im Kiefer und schließlich zum Verlust des Implantats führen kann. Schätzungsweise jedes dritte Zahnimplantat ist von solchen Komplikationen betroffen. Jetzt gibt es eine wirksame Methode, Periimplantitis gut zu behandeln und den Zahnersatz zu retten.
Die Klinik für Mund, Kiefer und Gesichtschirurgie am UKM (Universitätsklinikum Münster) unter Leitung von Prof. Johannes Kleinheinz führt die Methode noch in diesem Jahr ein. „Bisher haben wir in der konventionellen Behandlung von Periimplantitis nicht immer ausreichende Erfolge erzielen können“, räumt der Klinikdirektor ein. „Nicht, weil wir nicht fachgerecht behandelt hätten, sondern einfach, weil wir die Bakterien rund um ein Zahnimplantat nicht effektiv genug beseitigen konnten.“
Das Problem bei der Periimplantitis ist, dass der Mensch von Natur aus unzählige Bakterien im Mund hat. Der sogenannte Biofilm ist vollkommen natürlich und steht im Normalfall mit der Körperabwehr im Gleichgewicht. Weil aber jedes Zahnimplantat immer eine im Vergleich zum natürlichen Zahn rauere Oberfläche hat, bietet es den Bakterien eine ideale Angriffsfläche. Das Implantat wird als Fremdkörper erkannt: Das Zahnfleisch – und in ausgeprägten Fällen auch der ganze Halteapparat mit Kieferknochen – reagieren und entzünden sich und es kann langfristig zu Knochenabbau kommen.
Bisher wurde bei Periimplantitis versucht, die Sanierung des entzündeten Halteapparats über eine Reinigung des Implantats durch mechanisches Kratzen oder Spülen zu erreichen. „Aber natürlich ist das nicht optimal und wir konnten den degenerativen Gewebeabbau oft nicht aufhalten. Am Ende ging das teure Zahnimplantat verloren. Da die Krankenkassen die Kosten für ein Zahnimplantat mit wenigen Ausnahmen nicht übernehmen, erlitten die Patientinnen und Patienten unter Umständen einen erheblichen finanziellen Verlust“, so Kleinheinz.
Erschwerend kommt hinzu, dass bei jedem neu eingesetzten Ersatz-Implantat die Chancen auf problemlose Einheilung schwinden. Doch es gibt Abhilfe: Dr. Urs Brodbeck ist Mitentwickler der Methode GalvoSurge. Das Verfahren ist einfach erklärt: Auf dem Grundgedanken beruhend, dass überall in der Industrie komplexe Metallstrukturen mittels Elektrolyse gereinigt werden können, verfolgte er mit zwei unternehmerischen Mitstreitern diesen vollkommen anderen Ansatz auch für Implantate. Entstanden ist ein handliches Gerät, das der Zahnarzt fast wie eine Munddusche verwenden kann. Bei dem Reinigungsverfahren GalvoSurge wird eine Düse auf das Zahnimplantat gesetzt, das eine Elektrolytflüssigkeit um die freigelegten Implantate herum sprüht. Eine dann angelegte, sichere Kleinstromspannung schiebt den elektrolytischen Prozess an. „In jeder auch noch so kleinen Unebenhheit auf der Implantatoberfläche bilden sich dann mikrokleine Bläschen. Sie bringen den Biofilm zum Platzen und transportieren ihn von der Implantatoberfläche weg “, erläutert Brodbeck, der die Methode gestern auf einer Weiterbildung für Zahnärztinnen und Zahnärzte in Münster vorstellte.
Die Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie am UKM wird die Methode ab sofort anwenden. „Die Wirksamkeit von GalvoSurge ist in zwei großen randomisierten Studien belegt“, so Direktor Kleinheinz. „Wir versprechen uns gute Erfolge für unsere Patientinnen und Patienten. Der Verlust teurer Implantate und ebenso kostenintensive Behandlungen gegen Periimplantitis werden damit der Vergangenheit angehören.“