Rezepte rechtzeitig einlösen
Die Feiertage stehen vor der Tür. Besonders Menschen, die dauerhaft Arzneimittel einnehmen müssen, sollten jetzt prüfen, ob ihre Medikamente bis ins neue Jahr hinein reichen werden, rät die Apothekerkammer Niedersachsen. Einige Arztpraxen haben zwischen Weihnachten und Neujahr geschlossen. Benötigte Rezepte sollten daher rechtzeitig besorgt und in der Apotheke eingelöst werden. Viele Medikamente sind ferner von Lieferengpässen bedroht. Apotheker:innen setzen ihr pharmazeutisches Fachwissen ein, um die benötigten Arzneimittel oder gegebenenfalls Alternativen zu beschaffen. Das braucht mitunter viel Zeit. Die Apotheken vor Ort prüfen die verschiedenen Austauschmöglichkeiten, unter anderem Anpassung der Dosierung an lieferbare Arzneimittel oder den Austausch der Darreichungsform – zum Beispiel Saft gegen Zäpfchen. Sie stellen auch wirkstoffgleiche Rezepturen her und können notfalls ein Medikament aus dem Ausland importieren. Patient:innen sollten daher rechtzeitig in die Apotheke gehen, bevor die letzte Tablette eingenommen wurde.
Zunehmend Lieferengpässe bei Medikamenten
Wenn bestimmte Arzneimittel über einen Zeitraum von zwei Wochen nicht im gewohnten Umfang an die Apotheken geliefert werden können, spricht man von einem Lieferengpass.
Über viele Jahrzehnte konnten Patient:innen darauf vertrauen, dass sie ihre Medikamente innerhalb weniger Stunden in den Händen hielten. Gerade bei Akutmedikamenten wie Antibiotika sollte dies auch heute noch Standard sein.
Nach Angaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gibt es derzeit mehr als 510 Lieferengpässe bei Humanarzneimitteln (ohne Impfstoffe). Die Dauer der Lieferengpässe reicht von wenigen Tagen bis zu mehreren Monaten. Die Liste, die überwiegend verschreibungspflichtige Arzneimittel enthält, wird auf Basis freiwilliger Meldungen angepasst. Die Apotheken vor Ort erfassen die Lieferfähigkeit von Arzneimitteln in ihren Warenwirtschaftssystemen hingegen tagesaktuell.
Die gravierenden Lieferengpässe bei Antibiotika für Kinder und Erwachsene, Antidepressiva, Blutdrucksenkern oder Asthmamitteln dauern bis auf Weiteres an. Die Apothekerinnen und Apotheker setzen ihr umfangreiches pharmazeutisches Fachwissen ein, um unter erheblichem Mehraufwand die benötigten Arzneimittel oder deren Alternativen zu beschaffen und die Bevölkerung zu versorgen. Das kostet deutlich mehr Zeit. Das spüren auch die Patienten.
Vielfältige Ursachen für die Lieferengpässe
Ursachen für Lieferengpässe bei Arzneimitteln sind die Verlagerung der Produktion in Schwellenländer aufgrund des harten Preiswettbewerbs durch die Einführung von Rabattverträgen in Deutschland. Allein 54 Prozent der Wirkstoffe werden in Indien und China hergestellt. Häufig führen auch Produktionsprobleme zu Lieferengpässen, zum Beispiel wenn Herstellungsverfahren umgestellt werden. Weitere Gründe für Lieferengpässe sind Rabattverträge zwischen Herstellern und Krankenkassen, Marktrücknahmen mangels günstiger Herstellungsmöglichkeiten im In- und Ausland oder eine plötzlich steigende Nachfrage. Die Hersteller produzieren nur die bestellte Menge und müssen keine Lagerbestände für Engpässe vorhalten.
Lange Zeit wurden von der Politik keine wirksamen Maßnahmen ergriffen, um Lösungen für die Arzneimittel-Lieferschwierigkeiten zu finden, obwohl die Apothekerschaft unmissverständlich auf die sich zuspitzende Lage hingewiesen hat. Die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände hat gemeinsam mit ihren Mitgliedsorganisationen bereits 2019 einen Acht-Punkte-Katalog beschlossen, mit dem den Ursachen und Wirkungen von Lieferengpässen bei Arzneimitteln begegnet werden sollten. Im Februar dieses Jahres hat die ABDA erneut einen Katalog mit zehn prioritären Forderungen aufgestellt.
Die Politik hat mit dem Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungs-verbesserungsgesetz (ALBVVG) und dem Pflegestudiumstärkungsgesetz (PflStudStG) erste Schritte zur Verbesserung der Arzneimittelversorgung der Patientinnen und Patienten unternommen. Die Gesetze gehen aber noch nicht weit genug. Das PflStudStG sieht vor, dass Apothekerinnen und Apotheker ab dem 1. Dezember 2023 Kinderarzneimittel, die in einer vom BfArM analog erstellten Dringlichkeitsliste aufgeführt sind – und nur diese – auch in anderen Darreichungsformen und ohne Rücksprache mit der Ärztin oder dem Arzt austauschen dürfen. Besser wäre es, wenn alle Arzneimittel und nicht nur die auf der Liste aufgeführten bei Lieferengpässen austauschbar wären. Die bürokratischen Hürden erschweren zudem die Versorgung der Patientinnen und Patienten, da jeder Austausch an die neue Liste gebunden wäre. Apothekerinnen und Apotheker sind die Expertinnen und Experten für Arzneimittel. Nur sie allein haben die nötige Fachkompetenz, um Arzneimittel richtig auszutauschen und sind geschult, Patientinnen und Patienten umfassend zu beraten, damit ihre Arzneimitteltherapie sicher wirkt.
Rezepte sofort nach Erhalt einlösen
Rezepte für verschreibungspflichtige Arzneimittel sind nicht unbegrenzt gültig. Während Privatrezepte in der Regel drei Monate gültig sind, beträgt die Gültigkeitsdauer von Rezepten für gesetzlich Versicherte in der Regel 28 Tage (rosa Rezept). Sonderrezepte haben sogar eine deutlich kürzere Gültigkeit von drei bis sieben Tagen. Patient:innen sollten daher ihre Rezepte zeitnah einlösen, um eine unterbrechungsfreie Versorgung mit Medikamenten sicherzustellen.
Der Apothekerkammer Niedersachsen gehören mehr als 8.000 Mitglieder an. Die Apothekerin und der Apotheker sind fachlich unabhängige Heilberufler:innen. Der Gesetzgeber hat den selbstständigen Apotheker:innen die sichere und flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln übertragen. Der Beruf erfordert ein vierjähriges Pharmaziestudium an einer Universität und ein praktisches Jahr. Dabei erwerben die Studierenden Kenntnisse in pharmazeutischer Chemie und Biologie, Technologie, Pharmakologie, Toxikologie und Klinische Pharmazie. Nach dem Staatsexamen erhalten die Apotheker:innen eine Approbation. Nur mit dieser staatlichen Zulassung können sie eine öffentliche Apotheke führen. Als Spezialist:innen für Gesundheit und Prävention beraten die Apotheker:innen die zur Ausübung der Heilkunde berechtigten Personen kompetent und unabhängig über Arzneimittel und apothekenpflichtige Medizinprodukte. Apotheker:innen begleiten Patient:innen fachlich, unterstützen menschlich und helfen so, die Therapie im Alltag umzusetzen.