Glücksspielsucht: MHH eröffnet neue Ambulanz
Gruppentherapie für betroffene Erwachsene startet im neuen Jahr.
Lotto, Fußballwetten, Geldspielautomaten, Poker und Casino – das Angebot an Glücksspielen, nicht zuletzt auch im Internet, ist enorm. Und es kommt an. Laut des aktuellen „Glücksspielatlas 2023“ des Bundesdrogenbeauftragten nahmen 30 Prozent der Menschen in Deutschland 2021 an Glücksspielen teil. Diese Spiele haben jedoch ein hohes Suchtpotenzial: Von allen Glücksspielenden haben 7,7 Prozent eine sogenannte Glücksspielstörung, das heißt sie sind süchtig. „Für diese Menschen gibt es zwar Selbsthilfegruppen, aber kaum Therapieangebote. Das gilt besonders für Erwachsene“, erklärt Privatdozent (PD) Dr. Alexander Glahn von der Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Um diese Lücke zu schließen, gibt es an der MHH jetzt ein neues ambulantes Behandlungsangebot für erwachsene Betroffene. Es startet im Januar 2024.
Je größer das Angebot, desto größer das Suchtrisiko
Glücksspielsucht gibt es in allen Altersstufen und sozialen Schichten. Besonders häufig tritt sie jedoch in der Bevölkerungsgruppe von Männern zwischen 20 und 30 Jahren auf. Die Erkrankung entwickelt sich schleichend und beherrscht immer mehr das Leben. Sie kann Familien zerstören und in den finanziellen Ruin führen. Vor diesem Hintergrund sieht PD Dr. Glahn die Änderung des Glücksspielstaatsvertrags 2021 eher kritisch: Zu den Neuerungen gehört, dass auch Online-Poker, Online-Casinos und Online-Automatenspiele erlaubt werden können. Vorher waren Glücksspiele im Internet verboten. Mit Online-Glücksspielen haben Nutzer und Nutzerinnen nun die Möglichkeit, immer und überall zu spielen, beispielsweise auf dem Handy. „Die Folgen der Gesetzesänderung sind bisher schwer abschätzbar“, erklärt der Psychiater. „Es gibt aber grundsätzlich einen Zusammenhang zwischen dem Angebot an Glücksspielen und der Häufigkeit von Suchtfällen. Steigt das Angebot, werden auch die Risiken der Abhängigkeit größer.“
Teilnehmende erlernen Strategien zur Selbststeuerung
Glücksspielsüchtige Menschen neigen dazu, das Suchtproblem zu verdrängen. Oft scheuen sie sich davor, professionelle Hilfe anzunehmen. Hier soll das niedrigschwellige Therapieangebot von Dr. Glahn und seinem Team, bestehend aus psychiatrischen und psychologischen Fachleuten, greifen. Es ist für Menschen in allen Krankheitsstadien gedacht, auch in fortgeschrittenen. In der Gruppentherapie lernen die betroffenen Männer und Frauen, Strategien zur Selbststeuerung und zur Reduktion der Verhaltensexzesse aufzubauen.
Die Therapie besteht aus acht Modulen des sogenannten Metakognitiven Trainings. „Bei dem Training geht es darum, die eigenen Denkverzerrungen aufzudecken und zu korrigieren“, erklärt die Psychologin und Gruppenleiterin Christiane Kraft. Bei den Treffen setzen sich die Teilnehmenden beispielsweise mit ihrer Wahrnehmung von Wahrscheinlichkeiten und mit ihrem Attributionsstil auseinander, also dem Zuschreiben von Ursachen für erfolgreiches oder erfolgloses Handeln. Die ambulante Therapie für Erwachsene findet einmal pro Woche statt und dauert etwa acht Wochen. Das Angebot wird auch von einer wissenschaftlichen Studie begleitet. Die Teilnahme an der Studie ist aber nicht zwingend erforderlich.
Anmeldung in Psychiatrischer Poliklinik
Interessierte können sich für eine Diagnostik und Behandlung wegen Glücksspielsucht ohne vorherige Terminvereinbarung mit Überweisung vom Hausarzt in der Psychiatrischen Poliklinik der MHH vorstellen; montags, mittwochs und freitags von 9.00 bis 11.00 Uhr, Telefon (0511) 532-9190.
Text: Tina Götting