Epstein-Barr-Virus: Molekularer Mechanismus der Lymphomentstehung aufgeklärt
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Das Epstein-Barr-Virus (EBV) ist weit verbreitet und sehr ansteckend: Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) infizieren sich mehr als 90 Prozent der Weltbevölkerung im Laufe ihres Lebens mit diesem Virus. Das Virus verursacht beim Menschen B- und T-Zell-Lymphome (Krebserkrankung des lymphatischen Systems) sowie Karzinome (bösartiger Tumor aus Epithelzellen). Jährlich sterben weltweit etwa 160.000 Menschen an EBV-assoziiertem Krebs. Die Infektion mit diesem Virus ist auch ein Risikofaktor für die Entwicklung von Multipler Sklerose. Daher besteht ein dringender medizinischer Bedarf an maßgeschneiderten Therapien für EBV-assoziierte Krankheiten, und es werden validierte therapeutische Zielstrukturen bei EBV-positivem Krebs als Ansatzpunkte für die Arzneimittelentwicklung benötigt. In der aktuellen Studie, die in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht wurde, hat ein Forscherteam um Helmholtz Munich Wissenschaftler Arnd Kieser nun die molekularen Grundlagen für die Entstehung von Lymphomen durch EBV entschlüsselt und damit eine neue Zielstruktur für die Entwicklung von anti-EBV Wirkstoffen identifiziert.
Ein Onkogen ist ein Gen, das das Potenzial hat, Krebs zu verursachen. Als primäres Onkogen des EBV gilt das latente Membranprotein 1 (LMP1): Es treibt die onkogene Zelltransformation und die Tumorentwicklung an. Die Autoren zeigen in der Studie, dass das virale LMP1-Protein einen direkten Komplex mit TRAF6 bildet, einem aus der Wirtszelle stammenden Protein, welches an biochemischen Signalübertragungsprozessen wie der Aktivierung des NF-kappaB-Signalwegs beteiligt ist. Darüber hinaus geben die Forscher detaillierte Einblicke in die molekularen Funktionen und die Struktur des LMP1-TRAF6-Komplexes und zeigen, dass die direkte Interaktion der beiden Proteine entscheidend dafür ist, dass LMP1 den NF-kappaB-Signalweg in Lymphomzellen aktivieren und damit das Überleben der Tumorzellen ermöglichen kann.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der LMP1-TRAF6-Komplex als wichtige neue Schnittstelle zwischen Virus und Wirt identifiziert wurde, die für das Überleben von EBV-positiven Lymphomzellen entscheidend ist. Durch die Unterbrechung des direkten Komplexes von LMP1 und TRAF6 mit hemmenden Peptiden gelang es den Wissenschaftlern, das Überleben von EBV-transformierten menschlichen B-Zellen effizient zu beeinträchtigen. Mit dieser Studie identifizieren und validieren die Autoren den Komplex aus LMP1 und TRAF6 als eine vielversprechende neue therapeutische Zielstruktur bei EBV-assoziiertem Krebs, ein Durchbruch auf dem EBV- und Krebs-Gebiet.
„Diese Publikation und unsere Studien zur Interaktion zwischen dem LMP1-Protein des EBV und dem zellulären TRAF6-Protein werden die Entwicklung innovativer inhibitorischer Moleküle als zukünftige Medikamente gegen EBV-assoziierten Krebs ermöglichen“, sagt Arnd Kieser, Letztautor der Studie.
Original Publikation:
Epstein-Barr virus-driven B cell lymphoma mediated by a direct LMP1-TRAF6 complex. Giehler F, Ostertag MS, Sommermann T, Weidl D, Sterz KR, Kutz H, Moosmann A, Feller SM, Geerlof A, Biesinger B, Popowicz GM, Kirchmair J, Kieser A. Nat Commun. 2024 Jan 10;15(1):414. doi: 10.1038/s41467-023-44455-w.
Funding information:
Major funding (to Arnd Kieser): DFG grants Ki 825/1-3,TTU 07.802, TTU 07.809, and TTU 07.825 from the German Research Center for Infection Research (DZIF) – Additional funding of cooperation partners: Grant RTG 2467 (project number 391498659) by German Research Foundation (DFG) to Stephan Feller, grant TTU 07.710 from the German Research Center for Infection Research (DZIF) to Andreas Moosmann