Leukämie
Chromosomale Abweichungen bei CLL: Etwas mehr Spielraum mit Venetoclax
Original Titel:
High karyotypic complexity is an independent prognostic factor in patients with CLL treated with venetoclax combinations
- Chromosomale Abweichungen bei CLL: Relevant bei der Therapie mit Venetoclax?
- Komplexer Karyotp: 3 Abweichungen, hochkomplexer Karyotyp: mind. 5 Abweichungen
- Prospektive Analyse: Erfolg von Chemoimmuntherapie vs. Venetoclax-basierte Therapien je nach Karyotyp
- Chemoimmuntherapie: komplexer Karyotyp mit kürzerem progressionsfreiem und Gesamtüberleben assoziiert
- Prognose bei komplexem und nicht-komplexem Karyotyp unter Venetoclax vergleichbar
- Venetoclax-basierte Therapie: hochkomplexer Karyotyp und Translokationen mit schlechterem progressionsfreiem Überleben assoziiert
- Karyotypisierung bei CLL sinnvoll zur Einschätzung des individuellen Risikos
MedWiss – Eine prospektive Analyse der Chromosome und Behandlungsergebnisse bei CLL zeigte, dass 3 oder mehr chromosomale Abweichungen (komplexer Karyotyp) mit schlechterer Prognose bei Chemoimmuntherapie als in Therapie mit Venetoclax assoziiert war. Lagen 5 oder mehr Abweichungen vor (hochkomplexer Karyotyp) oder Translokationen, war dies jedoch auch mit Venetoclax mit kürzerem progressionsfreien Überleben assoziiert. Die Karyotypisierung könne bei CLL Hochrisiko-Patienten identifizieren helfen, so das Fazit der Autoren.
Etwa 10 – 30 % aller Patienten mit chronisch-lymphatischer Leukämie (CLL) weisen einen sogenennten komplexen Karyotyp auf. Als Karyotyp bezeichnet man die Gesamtheit der Chromosomen, also der Strukturen, die die menschlichen Gene enthalten. Bei den Chromosomen kann es entweder in Anzahl oder Struktur zu Abweichungen von dem „normalen“ Erscheinungsbild kommen. Diese bezeichnet man als chromosomale Aberrationen. Liegen mindestens drei solcher Abweichungen vor, spricht man von einem komplexen Karyotyp. Liegen mindestens 5 chromosomale Aberrationen vor, spricht man von einem hochkomplexen Karyotyp.
Chromosomale Abweichungen bei CLL: Relevant bei der Therapie mit Venetoclax?
Komplexe Karyotypen sind bei CLL-Patienten, die mit einer Chemoimmuntherapie behandelt werden, mit einer schlechteren Prognose assoziiert. Bei der Behandlung mit Venetoclax-basierter Therapie ist die Auswirkung der chromosomalen Abweichungen jedoch noch umstritten. In einer prospektiven Analyse wurde nun untersucht, wie sich komplexe und hochkomplexe Karyotypen bei CLL-Patienten auf die Wirksamkeit der Behandlung auswirken.
Hierfür wurden Daten aus der Phase-III-Studie „GAIA/CLL13“ verwendet. Von den 895 Patienten, für die Daten über den Karyotyp zur Verfügung standen, hatten 153 (17 %) einen komplexen- und 43 (5 %) einen hochkomplexen Karyotypen. Die Studienteilnehmer waren zuvor unbehandelt und wiesen keine TP53-Aberrationen auf.
Komplexer Karyotyp bei Chemoimmuntherapie mit schlechterer Prognose assoziiert
Die Studie bestätigte, dass ein komplexer Karyotyp, also drei oder mehr chromosomale Aberrationen, mit einem kürzeren progressionsfreien und Gesamtüberleben assoziiert waren.
Komplexer versus nicht-komplexer Karyotyp:
- Progressionsfreies Überleben: Hazard Ratio, HR: 2,58; 95 % Konfidenzintervall, KI: 1,54 – 4,32; p < 0,001
- Gesamtüberleben: HR: 3,25; 95 % KI: 1,03 – 10,26; p = 0,044
Bei der Behandlung mit Venetoclax war ein komplexer Karyotyp hingegen nicht mit einer schlechteren Prognose assoziiert. Anders war dies jedoch bei einem hochkomplexen Karyotyp, also bei fünf oder mehr chromosomalen Aberrationen. Translokationen wurden ebenfalls als unabhängiger Faktor für eine schlechtere Prognose identifiziert. Beide Merkmale waren mit einem kürzeren progressionsfreien Überleben assoziiert. Bei einer Translokation handelt es sich um eine strukturelle chromosomale Aberration, bei der es durch die Überlagerung zweier Chromosomenabschnitte zum Austausch von Segmenten kommt.
Hochkomplexer versus nicht-komplexer Karyotyp:
- Progressionsfreies Überleben: HR: 1,96; 95 % KI: 1,03 – 3,72; p = 0,041
Auch wurde festgestellt, dass die Chemoimmuntherapie zum Auftauchen neuer chromosomaler Aberrationen führte. Bei der Behandlung mit Venetoclax blieb die Anzahl der Abweichungen jedoch stabil.
Hochkomplexer Karyotyp und Translokationen bei Venetoclax-Therapie mit schlechterer Prognose assoziiert
Die Autoren schlussfolgerten, dass hochkomplexe Karyotypen und Translokationen mit einer schlechteren Prognose bei der Behandlung mit Venetoclax assoziiert seien. Dies spreche dafür, die Karyotypisierung in die Standarddiagnostik bei CLL aufzunehmen, um Patienten mit besonders hohem Risiko früher identifizieren zu können.
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