Internisten: Krankenhausreform muss Raum schaffen für Wissenschaft und Weiterbildung
Jahres-Pressekonferenz der DGIM 2024
Berlin – Ökonomischer Druck und Arbeitsverdichtung in den Kliniken führen dazu, dass junge Ärztinnen und Ärzte weniger Kapazitäten haben, um sich zusätzlich zu den Aufgaben in der Versorgung in der Wissenschaft zu betätigen. Auch die Weiterbildung leidet zum Teil unter den derzeitigen Zuständen in den Krankenhäusern. Die Krankenhausreform biete die Chance, Freiräume für Weiterbildung und Wissenschaft zu schaffen und so den medizinischen Fortschritt und eine bestmögliche ärztliche Versorgung auch in Zukunft sicherzustellen, erklärten Expertinnen und Experten der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM) heute auf der Jahres-Pressekonferenz der DGIM in Berlin.
Die Medizin ist keine starre Wissenschaft, sondern befindet sich in ständiger Entwicklung. „Die Geschwindigkeit, mit der Innovationen aus der Forschung in die Versorgung kommen, hat auch in der Medizin deutlich zugenommen“, erklärte Professor Dr. med. Georg Ertl, Generalsekretär der DGIM. Um mit dieser Entwicklung Schritt zu halten und auf dem aktuellen Stand des Wissens zu bleiben, seien die Kenntnis wissenschaftlicher Methoden und lebenslanges Lernen für jede Ärztin und jeden Arzt von größter Bedeutung.
Allerdings erschweren aktuelle Herausforderungen im Gesundheitswesen es vor allem jüngeren Ärztinnen und Ärzten, diesen Anforderungen nachzukommen. „Aufgrund der Ökonomisierung der Medizin hat eine wissenschaftliche Karriere für jüngere Kolleginnen und Kollegen an Attraktivität verloren. Leitungsfunktionen im Krankenhaus werden unter dem herrschenden ökonomischen Druck als nicht mehr so erstrebenswert erachtet“, bilanzierte der Internist und Kardiologe.
Nachwuchsvertreterin fordert neue Wege in der Weiterbildung
Dieses Stimmungsbild aus der jungen Ärzteschaft bestätigte auch Dr. med. Andrea Martini: „Der Workload hat in den vergangenen Jahren spürbar zugenommen, sodass sich eine zunehmende Unzufriedenheit mit der aktuellen Weiterbildungssituation in der jungen Ärzteschaft breitmacht“, so die Vertreterin der Arbeitsgruppe JUNGE DGIM und Sprecherin des Bündnisses Junge Ärztinnen und Ärzte (BJÄ). Aktuell erfolge die Weiterbildung in der Wahrnehmung junger Ärztinnen und Ärzte als „Anhängsel“ im klinischen Alltag.
Abhilfe könnte ein gesondertes Budget für die Weiterbildung schaffen. „Wichtig ist, dass die Weiterbildung nicht weiterhin aus den Erlösen der Krankenversorgung querfinanziert werden sollte“, fordert Martini. Ansonsten stünden die Ausbildung des ärztlichen Nachwuchses und die Versorgung der Patientinnen und Patienten dauerhaft in einem Konflikt zueinander. Auch auf Seiten des Personals müssten mehr Kapazitäten eingeplant werden. „Für eine strukturierte ärztliche Weiterbildung bedarf es einer ausreichenden Anzahl an erfahrenen Fachärztinnen und -ärzten, damit diese mit den Weiterzubildenden Fälle eingehend diskutieren und praktische Inhalte lehren können“, so Martini. Dafür müsste in der Personalplanung der Lehrverantwortlichen Weiterbildungsaufgaben mit angemessenen Zeitkontingenten berücksichtigt werden.
All dies sei aus ihrer Perspektive auch dafür wichtig, um Deutschlands Position als Wissenschaftsstandort in der Medizin zu sichern. „Gerade um junge Ärztinnen und Ärzte für die Wissenschaft zu gewinnen, benötigen wir eine bessere Integration der Forschung in die Weiterbildung“, so das Fazit der angehenden Internistin und Endokrinologin.
Enge Verzahnung von Wissenschaft und Versorgung kommt Patienten zugute
Diesem Befund stimmte auch der DGIM-Vorsitzende Professor Dr. med. Andreas Neubauer zu. „Gerade, wenn eine Patientin oder ein Patient mit mehreren, sich möglicherweise beeinflussenden Erkrankungen zu uns kommt, sind ein breites wissenschaftliches Verständnis und der interdisziplinäre Austausch unter Kolleginnen und Kollegen wichtig“, sagte der Direktor der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Immunologie am Universitätsklinikum Marburg. Gerade für komplex Erkrankte sei es dabei von Vorteil, wenn sie an großen Zentren mit ausreichenden Strukturen behandelt würden. Die Vorhaltung dieser Strukturen müsse entsprechend auch vergütet werden – und sie müsse geplant und gut strukturiert sein, forderte Neubauer. „Sowohl in der Weiterbildung als auch in der Versorgung müssen wir intellektuelle Leistungen, die Zeit für medizinische Erwägungen und Kommunikation entsprechend würdigen und auch finanzieren“, forderte Ertl abschließend. Das Motto müsse sein: „Gut bezahlen für klug entscheiden.“