Erste S3-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie, Prävention und Nachsorge des Oro- und Hypopharynxkarzinoms herausgegeben
Bessere Versorgung für Patient*innen mit Kopf-Hals-Tumoren: Das Leitlinienprogramm Onkologie hat erstmalig eine S3-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie, Prävention und Nachsorge des Oro- und Hypopharynxkarzinoms veröffentlicht. Für Kehlkopf- und Mundhöhlenkrebs liegen bereits S3-Leitlinien des Leitlinienprogramms Onkologie vor. Insbesondere das Oropharynxkarzinom ist der aktuell häufigste bösartige Kopf-Hals-Tumor in Deutschland und durch seine unterschiedlichen auslösenden Faktoren besonderes komplex.
„Die neue S3-Leitlinie zu Oro- und Hypopharynxkarzinomen ist eine wichtige Ergänzung zu den beiden bisherigen Leitlinien zu Kopf-Hals-Tumoren und gibt behandelnden Ärzten, Ärztinnen und medizinischem Fachpersonal konkrete Empfehlungen an die Hand, mit diesen Krebsarten besser umzugehen“, so Prof. Dr. Andreas Dietz, Direktor der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde am Universitätsklinikum Leipzig und Sprecher der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Kopf-Hals-Tumoren in der Deutschen Krebsgesellschaft. Er ist zusammen mit Prof. Dr. Wilfried Budach, Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie am Universitätsklinikum Düsseldorf, Koordinator der S3-Leitlinie.
Epidemiologie
Oropharynxkarzinome treten überwiegend am Zungengrund und in den Rachenmandeln auf. In den letzten 25 Jahren hat sich das Oropharynxkarzinom als das in seiner Inzidenz am stärksten zunehmende Karzinom im Kopf-Hals-Bereich in Deutschland herausgebildet. Dagegen ist die Inzidenz des Hypopharynxkarzinoms im unteren Schlundbereich stabil bis geringgradig rückläufig. Beide Tumorentitäten zählen zu den eher seltenen Krebserkrankungen. Die Prognose eines Hypopharynxkarzinoms über alle Stadien liegt europaweit von allen Plattenepithelkarzinomen des Kopf-Hals-Bereichs am ungünstigsten (5-Jahresüberleben ca. 25 Prozent).
Risikofaktoren für Oro- und Hypopharynxkarzinome sind chronischer Tabak- und Alkoholkonsum. Ein weiterer Risikofaktor für ausschließlich Oropharynxkarzinome ist eine Infektion mit dem Humanen Papillomavirus (HPV, überwiegend Hochrisiko-Subtyp-HPV16). Man geht heute davon aus, dass es sich bei HPV-assoziierten Oropharynxkarzinomen um eine genetisch diverse, von HPV-negativen Oropharynxkarzinomen unterscheidbare, eigene Tumorsubgruppe handelt. Patient*innen mit einem HPV16-assoziierten Oropharynxkarzinom haben eine bessere Prognose als HPV-Negative.
Die S3-Leitlinie umfasst Empfehlungen zu Diagnostik, Therapie, Rehabilitation, psychosozialer Versorgung, supportiver Therapie und Nachsorge. Bei den Therapieempfehlungen wurde der Fokus neben Gesamtüberleben, progressionsfreiem Überleben und Therapieansprechen gleichermaßen auf die Funktionalität und Lebensqualität gerichtet. Die Empfehlungen zur Primärtherapie sind jeweils abhängig von den Stadien der Karzinome, etwa der Größe und lokalen Ausbreitung, dem Befall von Halslymphknoten und der Existenz von Fernmetastasen. Beim Oropharynxkarzinom macht es außerdem einen Unterschied, ob das Karzinom HPV/p16 positiv ist oder nicht, der sich allerdings noch nicht in der Therapie niederschlägt. Zur Anwendung kommen operative Therapien, Strahlentherapie und Chemotherapie sowie Kombinationen davon. Budach betont: „Die Behandlung des Oro- und Hypopharynxkarzinoms soll interdisziplinär nach Abstimmung jedes individuellen Falls innerhalb von Tumorboards unter Beteiligung der Fachdisziplinen Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie, Radioonkologie, Onkologie, Pathologie und Radiologie durchgeführt werden.“
Insgesamt stellt die neue Leitlinie eine zuverlässige Unterstützung beim Erreichen der therapeutischen Ziele dar und trägt dazu bei, die Häufigkeit vermeidbarer Komplikationen zu reduzieren und die Prognose der behandelten Patient*innen zu verbessern. Wichtig ist Dietz auch das Gespräch mit den Krebsbetroffenen selbst: „Die Patienten und Patientinnen sollen ausführlich und mehrfach über ihre Erkrankung, Behandlungsmöglichkeiten und Folgestörungen informiert werden.“
Die S3-Leitlinie entstand unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e.V. (DGHNOKHC) und der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie e.V. (DEGRO) unter Mitwirkung von 31 Fachgesellschaften und Organisationen.
Die neue S3-Leitlinie ist auf dieser Webseite abrufbar https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/oro-und-hypopharynxkarzin….
Auf der Website sind ebenfalls die S3-Leitlinien zu anderen Kopf-Hals-Tumoren abrufbar, zu Mundhöhlenkrebs https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/mundhoehlenkarzinom/ und zu Kehlkopfkrebs https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/larynxkarzinom/.
Zudem sind die Inhalte in der kostenfreien Leitlinien-App integriert. Weitere Informationen unter: https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/app/
Das Leitlinienprogramm Onkologie
Leitlinien sind systematisch entwickelte Entscheidungshilfen für Leistungserbringer und Patient*innen zur angemessenen Vorgehensweise bei speziellen Gesundheitsproblemen. Sie stellen ein wesentliches Instrument zur Förderung von Qualität und Transparenz medizinischer Versorgung dar. Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), die Deutsche Krebsgesellschaft e. V. und die Deutsche Krebshilfe haben sich mit dem im Februar 2008 gestarteten Leitlinienprogramm Onkologie das Ziel gesetzt, gemeinsam die Entwicklung und Fortschreibung sowie den Einsatz wissenschaftlich begründeter und praktikabler Leitlinien in der Onkologie zu fördern und zu unterstützen. Mittlerweile umfasst das Leitlinienprogramm 35 S3-Leitlinien, die zu einem großen Teil auch als laienverständliche Patientenleitlinien vorliegen. Mehr unter: https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/home
Deutsche Gesellschaft für Hals- Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e.V. (DGHNOKHC)
Die Deutsche Gesellschaft der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte ging 1921 aus dem Verein Deutscher Laryngologen und der Deutschen Otologischen Gesellschaft hervor. Im Jahre 1968 wurde der heute gültige Name, Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e.V., angenommen. Die Gesellschaft hat derzeit über 5000 Mitglieder.
Die Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e.V. bezweckt die Förderung der wissenschaftlichen und praktischen Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie und die Förderung des Allgemeinwissens um ihre geschichtliche Entwicklung.
Weitere Aufgaben sind die Wahrung der Einheit des Fachgebietes der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und die Vertiefung der Verbindung mit den medizinischen Nachbarfächern sowie mit ausländischen Fachgesellschaften, die Weiter- und Fortbildung auf dem Fachgebiet sowie die Unterstützung und Beratung anderer wissenschaftlicher Gesellschaften, von Gesundheitsbehörden und anderen Einrichtungen bei Belangen der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie.
Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie e.V. (DEGRO)
Die Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie e. V. (DEGRO) wurde als die wissenschaftliche Gesellschaft der in der Radioonkologie tätigen Ärzt*innen, Medizinphysiker*innen und Strahlenbiolog*innen Deutschlands 1995 gegründet. Seitdem fördert die Gesellschaft die wissenschaftlichen Bereiche der Strahlenphysik, der Strahlenbiologie und der Klinischen Forschung insbesondere im Bereich der Onkologie, um eine immer weiter verbesserte und damit zukunftsfähige wissenschaftliche Grundlage der Radioonkologie sicherstellen zu können. Die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis, die ethischen Normen sowie gesetzliche Regelungen bilden hierbei die Basis.