Daten belegen höhere Sterblichkeit bei Covid-Sepsis
Seit über fünf Jahren arbeiten im Comprehensive Sepsis Center das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden und die Klinik Bavaria Kreischa zusammen. Das Ziel: die Überlebensrate von Sepsis-Patientinnen und -Patienten erhöhen und die Lebensqualität der Betroffenen verbessern. Deshalb arbeiten auf beiden Seiten unterschiedliche Fachbereiche eng zusammen und tauschen sich institutionsübergreifend aus. Daten zu den Patientinnen und Patienten helfen zudem, Risikofaktoren zu identifizieren und Abläufe zu verbessern. „Nach fünf Jahren können wir stolz sagen, dass sich auch diese Zusammenarbeit auszahlt. Der Austausch zwischen Intensivmedizin, Rehaeinrichtung und hausärztlicher Versorgung sowie die daraus gewonnenen Erkenntnisse fließen in unsere Therapieentscheidungen ein“, sagt Prof. Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand am Uniklinikum Dresden. „Wichtig ist, dass der Verdachtsdiagnose Sepsis nachgegangen wird, beziehungsweise diese bei der Diagnose in Betracht kommt. Je früher die Therapie bei einer Sepsis beginnt, desto besser sind die Aussichten für die Betroffenen“, sagt Prof. Thea Koch, Direktorin der Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie des Uniklinikums. „Auch nach schweren Verläufen wird durch die angepasste Rehabilitation eine zufriedenstellende Lebensqualität erreicht“ ergänzt Dr. Ulf Bodechtel, Chefarzt Klinik Bavaria Kreischa. Auf dem Dresdner Sepsis Symposium am 22. März 2024 werden die aktuellen Ergebnisse vorgestellt und mit Fachexpertinnen und -experten diskutiert.
Das Comprehensive Sepsis Center setzt neue Maßstäbe bei der Versorgung von Patientinnen und Patienten mit einer schweren, sich über die Blutbahn ausbreitenden Infektion. Dafür haben Spezialistinnen und Spezialisten unterschiedlicher Fachrichtungen einen Behandlungspfad entwickelt, der alle Versorgungsphasen umfasst – von der intensivmedizinischen Akutbehandlung über die verschiedenen Phasen der Rehabilitation bis zur ambulanten Nachsorge. Von dieser Form einer koordinierten Patientenversorgung, die telemedizinisch unterstützt wird, profitieren die Betroffenen und deren Angehörigen. Die Initiatorinnen und Initiatoren des Zentrums wollen damit eine verkürzte Aufenthaltsdauer in Akut- und Rehaklinik ebenso wie eine Reduktion der stationären Wiederaufnahmen erreichen. Fünf Jahre nach der Gründung belegen nun Zahlen den Erfolg. Über 600 Patientinnen und Patienten wurden in der begleitenden Beobachtungsstudie aufgenommen. Ein Ergebnis: „Wer nach dem Aufenthalt auf der ITS in eine Rehaeinrichtung wechselte, erlebte eine bessere Regeneration, hatte bessere kognitive Fähigkeiten und eine höhere Lebensqualität“, sagt Prof. Thea Koch, Direktorin der Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie.
Ein anderes Ergebnis resultiert aus den knapp drei Jahren der Corona-Pandemie. Von den 600 beobachteten Patientinnen und Patienten waren 122 schwer an Covid mit begleitender Sepsis erkrankt. Die Betroffenen erlitten einen septischen Schock, überschießende Entzündungsreaktionen und schließlich ein Multi-Organversagen. Therapien mit Lungenersatzverfahren oder künstlicher Beatmung haben hier kaum geholfen – sie unterstützten den Körper beim Kampf gegen das Virus und seine Symptome, ohne jedoch die Entzündung zu bekämpfen. Zwei Drittel der Covid-Patientinnen und Patienten haben die Covid-Sepsis nicht überlebt. Zum Vergleich: Bei einer nicht durch Covid ausgelösten Sepsis liegt die Sterblichkeit bei ca. 23 Prozent. „Diese Zahlen belegen erneut, dass es richtig war, für die Impfung zu werben. Nur diese gewährt einen zuverlässigen Schutz vor einer schweren Infektion, die dann auch zu einer Sepsis führen kann“, sagt Prof. Michael Albrecht.
Bei einer Sepsis wehrt sich das Immunsystem so heftig gegen eine sich über die Blutbahn ausbreitende Infektion, dass es zu massiven Schäden am körpereigenen Gewebe kommt. Sie entsteht, wenn die körpereigenen Abwehrkräfte nicht mehr in der Lage sind, die Ausbreitung einer lokalen Infektion zu verhindern, und die Erreger in den Blutkreislauf eindringen. Der Körper reagiert mit einer Aktivierung der Abwehrsysteme, insbesondere des Immun- und Gerinnungssystems. Dadurch werden jedoch nicht nur die Erreger, sondern auch die körpereigenen Organe wie Lunge, Herz und Niere geschädigt. Es kommt zum Multi-Organversagen und zum septischen Schock. Gängige Therapien sehen die Gabe von Antibiotika vor. Eine stationäre Behandlung, mitunter auf der Intensivstation, ist in vielen Fällen notwendig. Unbehandelt ist eine Sepsis immer tödlich. Allein in Deutschland erleiden jährlich 230.000 Menschen eine Sepsis – mit steigender Tendenz bei Schweregrad und Gesamtanzahl. 85.000 versterben daran – alle sechs Minuten stirbt in Deutschland ein Mensch an einer Sepsis.
Das Problem: Oftmals ist es für Patientinnen und Patienten, aber auch die behandelnden Ärztinnen und Ärzte nicht sofort ersichtlich, dass es sich um eine Sepsis handelt. Symptome sind ein starkes Krankheitsgefühl, Schmerzen, feucht-kalte, bläulich-fleckige Haut, schneller Herzschlag, akute Verwirrtheit, Benommenheit, Wesensveränderung, Kurzatmigkeit oder Atemnot sowie ein niedriger Blutdruck. „Wir plädieren dafür und sensibilisieren, dass Ärztinnen und Ärzte, aber auch Betroffene das Krankheitsbild Sepsis schneller in Betracht ziehen und auf die Symptome achten. Gerade jüngere Menschen unterschätzen die Symptome mitunter und glauben, dies geht schnell vorbei. Ein Irrglaube mit mitunter schweren Folgen“, sagt Prof. Thea Koch.
In den vergangenen fünf Jahren haben die Mitglieder im Comprehensive Sepsis Center die Behandlung von Sepsis-Patientinnen und -Patienten verzahnt und abgestimmt. Wer eine schwere Form der Erkrankung übersteht, muss oftmals lange in einer Rehaeinrichtung den Weg zurück in ein selbstbestimmtes Leben lernen. „Bei unserem Anliegen, den Behandlungsverlauf gemeinsam – also fach- und leistungssektorenübergreifend – zu planen, stehen der Sepsis-Betroffene und seine Angehörigen im Mittelpunkt. Sie profitieren unmittelbar von dem damit verbundenen fachlichen Austausch der beiden Träger des Sepsis Zentrums.“ Betont Rudolf Presl, Geschäftsführer der Klinik Bavaria Kreischa. „Mit diesem Vorgehen steigen die Chancen, dass mehr Betroffene eine Sepsis überleben und ihr Weg zurück in das aktive Leben erfolgreich verläuft“, ergänzt Dr. Ulf Bodechtel, Chefarzt an der Klinik Bavaria Kreischa. Die Arbeit des Comprehensive Sepsis Center wird weiterhin wissenschaftlich begleitet und laufend weiterentwickelt. Die Klinik Bavaria und das Uniklinikum Dresden als Initiatoren tragen in der Pilotphase die zusätzlichen Kosten für das Zentrum. Ziel ist die Aufnahme in den Krankenhausplan des Freistaats.