Toxin von Candida albicans spielt besondere Rolle bei der Besiedelung des Verdauungstrakts

Candida albicans ist ein Hefepilz, der natürlicherweise im Verdauungstrakt der meisten Menschen vorkommt. Jedoch ist der Pilz nicht immer harmlos. Er kann leichte bis schwere Infektionen im ganzen Körper auslösen. Bei diesen Infektionen ist ein Toxin, das Candidalysin, beteiligt. Es scheint vor allem bei vaginalen Infektionen von zentraler Bedeutung zu sein. Dass das Toxin ebenso eine wichtige Rolle bei der Besiedlung des Verdauungstrakts spielt, hat nun ein Team des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie (Leibniz-HKI) in Zusammenarbeit mit Forschenden der amerikanischen Brown University herausgefunden. Die Studie erschien im renommierten Fachjournal Nature.

„In unserer Studie haben wir uns auf Candida albicans und die Bedeutung seines Toxins Candidalysin fokussiert. Der Hefepilz ist ein natürlicher Teil des menschlichen Mikrobioms und koexistiert mit zahlreichen anderen Mikroorganismen wie Bakterien in unserem Magen-Darm-Trakt”, sagt Richard Bennett, Professor an der Brown University in Providence, Rhode Island, USA.

Dabei vermehrt sich C. albicans in zwei verschiedenen Wachstumsformen: einer runden Hefeform und einer länglichen Hyphenform. „Bisherige Studien bei Mäusen deuteten darauf hin, dass die Hefeform vorteilhaft für die Besiedlung des Darms ist”, sagt Bernhard Hube. Er ist Abteilungsleiter am Leibniz-HKI und Professor an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. „Seine krankmachende Wirkung entwickelt der Pilz vor allem in der Hyphenform. Diese sondert Candidalysin ab und schädigt damit Wirtszellen”, erklärt Hube. „Wenn C. albicans vor allem als Besiedler des Darms existiert, also als runde Hefeform, warum sind dann fast alle Isolate des Pilzes in der Lage, Hyphen zu bilden?”, fragten sich Bennett und Hube. „Welcher Selektionsdruck sorgt dafür, dass die Pilze die Fähigkeit, Hyphen zu bilden, nicht verlieren?”

Vergleichende Studien an Mäusen mit vollständigem und durch Antibiotika reduziertem Mikrobiom zeigen nun, dass die bisherige Annahme, wonach die Hefeform besser für die Besiedelung geeignet ist, revidiert werden muss. Sobald eine komplexe Bakteriengemeinschaft vorhanden ist, nutzt C. albicans sowohl die Hefe- als auch die Hyphenformen, um den Darm effizient zu besiedeln. Aber warum ist die Hyphenform vorteilhaft, wenn Bakterien vorhanden sind?

„Nur in der Hyphenform produziert der Pilz das Toxin Candidalysin, und das wirkt antibakteriell. Damit ermöglicht die Hyphenform, mit Bakterien im Magen-Darm-Trakt zu konkurrieren. Das Toxin hemmt den Stoffwechsel und damit die Vermehrung der Bakterien. Das gibt dem Pilz einen Konkurrenzvorteil. Die mit der Hyphenbildung assoziierte Ausschüttung von Candidalysin trägt also wohl dazu bei, dass der Pilz ein so erfolgreicher Besiedler des Menschen ist. Dies kann erklären, warum die Hyphenform von C. albicans auch während der Besiedlung des Darms so wichtig ist”, sagt Hube. Wird die Hyphenbildung blockiert, kann der Pilz den Darm auch weniger gut besiedeln.

„Der Pilz hat das Toxin also nicht in erster Linie entwickelt, um menschliche Zellen zu schädigen, sondern um auf Schleimhäuten mit Bakterien konkurrieren zu können”, fasst Hube die Kernaussage der Studie zusammen. Das Zusammenspiel zwischen Pilzen und Bakterien und deren Auswirkungen auf den Wirt wollen die Forschenden genauer untersuchen. „Dafür bietet uns der Exzellenzcluster ,Balance of the Microverse‘ der Friedrich-Schiller-Universität Jena mit seinem Fokus auf mikrobiellen Interaktionen ein optimales Umfeld”, sagt Hube.

Beteiligte Institutionen

Brown University, Providence, USA
New York University School of Medicine, New York City, USA
Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie, Jena, Deutschland
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Jena, Deutschland
McGovern Medical School am University of Texas Health Science Center, Houston, USA
Université Paris Cité, Paris, Frankreich

Förderung

Exzellenzcluster „Balance of the Microverse“
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
National Institutes of Health (NIH)
Charles H. Revson Foundation
National Science Foundation (NSF)
Institut Pasteur Paris

Exzellenzcluster „Balance of the Microverse“

Der Exzellenzcluster „Balance of the Microverse“, in dessen Rahmen die Arbeit entstand, bringt Forschende verschiedener Disziplinen in Jena zusammen und vereint dabei eine große Vielfalt an unterschiedlichen Kompetenzen in der Thüringer Universitätsstadt. Derzeit ist er der einzige Exzellenzcluster im Freistaat. Gemeinsam erforschen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Dynamik mikrobieller Gemeinschaften auf der Erde. Mikroorganismen sind praktisch überall vorhanden und leben in Harmonie mit anderen großen und kleinen Organismen. Gerät diese Koexistenz jedoch aus dem Gleichgewicht, kann dies schwerwiegende Folgen haben: Wetterextreme, Ernteausfälle oder die Verbreitung von Krankheiten sind nur einige der möglichen Auswirkungen. Ziel des Clusters ist es deshalb, ein tiefes Verständnis der Wechselwirkungen von Mikroorganismen untereinander und mit anderen Lebewesen zu gewinnen. Mit diesem Wissen wollen die Forschenden die Ursachen für eine gestörte Balance ermitteln und herausfinden, wie ein solches System wieder ins Gleichgewicht gebracht werden kann.

Originalpublikation

Liang SH, Sircaik S, Dainis J., Kakade P, Penumutchu S, McDonough LD, Chen YH, Frazer C, Schille TB, Allert S, Elshafee O, Hänel M, Mogavero S, Vaishnava S, Cadwell K, Belenky P, Perez JC, Hube B, Ene IV, Bennett RJ (2024) The hyphal-specific toxin candidalysin promotes fungal gut commensalism. Nature, https://doi.org/10.1038/s41586-024-07142-4