Korporative Mitglieder der DGIM: Zwischen Hausarzt, Facharzt und Klinik: Wie die Versorgung für chronisch kranke Menschen verbessert werden kann
Wiesbaden – Die Gesundheitslandschaft in Deutschland steht vor umfangreichen Veränderungen: Die Grenzen zwischen ambulant und stationär sollen durchlässiger werden, zunehmend übernehmen Internistinnen und Internisten Aufgaben in der Primärversorgung und die Pflegeberufe sollen mehr Kompetenzen erhalten, ärztliche Leistungen zu übernehmen. Gerade in ländlichen Gegenden sollen verstärkt sogenannte Praxisnetze entstehen, in denen Vertreterinnen und Vertreter aller Gesundheitsberufe Patientinnen und Patienten interdisziplinär versorgen. Welche Voraussetzungen solche Netze erfüllen müssen, damit eine effiziente und qualitativ hochwertige Versorgung gelingt, diskutieren die Korporativen Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e.V. (DGIM) auf ihrem Frühjahrssymposium anlässlich des 130. Internistenkongresses sowie auf einer Online-Pressekonferenz am Montag, den 15. April 2024 um 14:00 Uhr.
Häufig, aber selten diagnostiziert: Rund 10 Millionen Menschen in Deutschland sind von einer chronischen Nierenkrankheit (CKD) betroffen. Gerade in den Anfangsstadien der CKD wissen die allermeisten jedoch nichts davon, dass ihre Nieren zunehmend Probleme haben, ihrer Aufgabe bei der Blutwäsche nachzukommen. „In den ersten beiden von insgesamt fünf Erkrankungsstadien wird sie deshalb nur bei 3 bis 4 Prozent der Betroffenen erkannt“, sagt Professor Dr. med. Jörg Latus, Ärztlicher Leiter der Abteilung für Allgemeine Innere Medizin und Nierenerkrankungen am Robert Bosch Krankenhaus Stuttgart. Besonders problematisch: Weil die Krankheit in der Zwischenzeit ungehindert fortschreitet und die Nieren immer mehr ihre Funktion einbüßen, endet die CKD im Extremfall in der Dialysepflichtigkeit.
Prävention in der Hausarztpraxis scheitert oft am Kostendruck
Primärpräventive Aufgaben werden nur zum Teil von den Krankenkassen vergütet, binden allerdings sehr viel Zeit und werden deshalb häufig eher hinter kurative Tätigkeiten gestellt. So zeigen Studien: Noch nicht einmal die Hälfte der Menschen mit bekannten Risikofaktoren erhalten diagnostische Bluttests zur Ermittlung der Nierenfunktion. Der Goldstandard unter den CKD-Tests – die Bestimmung des Albumin-Kreatinin-Verhältnisses im Urin – kommt sogar nur bei 0,4 Prozent der Vorerkrankten zum Einsatz.
Sektorengrenzen leichter überwinden
Diese Versorgungslücke soll durch neue Strukturen in der Versorgung geschlossen werden: Die geplanten Praxisnetze sollen gemäß den Strukturanforderungen der KBV interdisziplinär aufgestellt sein und in einem regionalen Verbund eng kooperieren. „Hausärztliche Praxen als Primärversorger sind fester Bestandteil jedes Praxisnetzes“, sagt Professor Dr. med. Georg Ertl, Generalsekretär der DGIM aus Würzburg. Die enge Vernetzung von Haus- und Facharztpraxen sowie Kliniken biete gerade für die Erkennung und Behandlung chronischer Erkrankungen große Chancen. Voraussetzung hierfür sei, dass innerhalb der Praxisnetze klare und sichere Kommunikationswege bestünden – und dass die Zuständigkeiten eindeutig verteilt seien. So müsse etwa geklärt sein, bei wem alle Fäden wieder zusammenlaufen und wer letztlich die medizinischen Entscheidungen trifft. „Hier wird der hausärztlichen Praxis beziehungsweise der Allgemeinen Inneren Medizin noch weit mehr als bisher eine zentrale, steuernde Rolle zukommen“, sagt Ertl.
Versorgung in Netzwerken: eine Chance für die Zukunft!
Der DGIM-Generalsekretär sieht auch die Chance, dass die angestrebte enge Kooperation innerhalb der Praxisnetze dazu beiträgt, den Wissenstransfer aus Forschung und Leitlinien in die tägliche Praxis zu beschleunigen. Wie wichtig das wäre, zeigt ein Blick auf die heutige Versorgungspraxis der CKD. „Selbst wenn die Laborwerte eine CKD nahelegen, wird die Diagnose in 5 von 6 Fällen nicht gestellt und nur 10 Prozent der CKD-Betroffenen erhalten eine leitliniengerechte Therapie mit SGLT2-Inhibitoren“, sagt Nierenexperte Latus unter Verweis auf die aktuelle InspeCKD-Studie, die Daten von 440.000 Patientinnen und Patienten ausgewertet hat. Würden diagnostische und therapeutische Pfade rascher beschritten, könnte den Patientinnen und Patienten schwere Folgeschäden erspart werden, setzt der Experte große Hoffnungen in Praxisverbünde. Bei der Online-Pressekonferenz der Korporativen Mitglieder der DGIM am Montag gehen Expertinnen und Experten miteinander ins Gespräch zu der Frage, wie funktionierende Netzwerke Lücken in der Versorgung chronisch erkrankter Menschen schließen können.
Eröffnungs-Pressekonferenz der DGIM – vor Ort im RMCC Wiesbaden und online
Präzisionsmedizin – Wünsche und Wirklichkeiten
Termin: Samstag, 13. April 2024, 12.00 bis 13.00 Uhr
Ort: Hybrid
Anmeldung zur Teilnahme vor Ort per Mail: schoeffmann@medizinkommunikation.org
Online-Anmeldung unter: https://events.teams.microsoft.com/event/ed667ff3-9068-4d0e-a7b4-d929734d7a6b@1495922a-4378-45e9-a32a-422448450fb1
Themen und Referierende:
Präzisionsmedizin in der Onkologie – Wünsche und Wirklichkeiten
Professor Dr. med. Andreas Neubauer
Vorsitzender der DGIM 2023/2024 und Präsident des 130. Internistenkongresses, Direktor der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Immunologie am UKGM Marburg
Paradigmenwechsel beim tödlichsten Karzinom: Wie Präzisionsonkologie die Therapie des Lungenkrebses grundlegend verändert
Prof. Dr. med. Jürgen Wolf, Leiter des Lungenkrebsschwerpunktes und Ärztlicher Leiter des Centrums für Integrierte Onkologie (CIO) an der Uniklinik Köln
Zu oft, zu selten oder beim falschen Patienten? – Präzisionsmedizin in der Versorgungs-realität. Wem Tumorboards tatsächlich helfen, und worauf Patienten bei der Wahl der Klinik achten sollten
PD Dr. med. Elisabeth Mack
Oberärztin Klinik für Hämatologie und Onkologie und Immunologie am UKGM Marburg, Leiterin Zentrum für Personalisierte Medizin-Onkologie am CCC Marburg, Chefärztin der Klinik für Hämatologie, Medizinische Onkologie und Palliativmedizin am St. Marienkrankenhaus Siegen
Wissenschaft als Kostenbremse – Über Kosten und Nutzen im Gesundheitswesen
Prof. Dr. med. Georg Ertl
Internist und Kardiologe am Universitätsklinikum Würzburg, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin
DGIM Futur – Führung für Medienvertreter:innen – im RMCC Wiesbaden
Termin (Achtung, Terminverschiebung!): Samstag, 13. April 2024, 14.30 bis 15:30 Uhr
Treffpunkt: DGIM Futur, Halle Nord, RheinMain CongressCenter Wiesbaden
Anmeldung per Mail: schoeffmann@medizinkommunikation.org
Impulsvorträge:
KI im medizinischen Alltag – Chancen, Risiken und Vertrauenswürdigkeit einer „schönen neuen Welt“
Professor Dr. Martin C. Hirsch
Professor und Leiter des Instituts für Künstliche Intelligenz in der Medizin, Philipps-Universität Marburg
Virtual Reality in der Lehre und Patientenaufklärung: Aktueller Stand und Perspektiven
Professor Dr. med. Ivica Grgic
Klinik für Innere Medizin und Nephrologie Transplantationszentrum Marburg & Institut für Künstliche Intelligenz in der Medizin, Leiter des XR-Lab in Medicine Universitätsklinikum der Philipps-Universität
Im Anschluss: Hands-On DGIM Futur
Im Bereich XR werden Demonstratoren zu interaktiven 3D Simulationen vorgestellt und können praxisnah ausprobiert werden. Dabei handelt es sich um medizinische Prozeduren & Patientenmanagement, Anatomie, multisensorische medizinische Lehre, Patient Education und immersiven Therapeutika (z.B. bei Schmerzen, Unruhe- und Angstzuständen, Reha-Maßnahmen). Darüber hinaus kommen KI-Anwendung zum Einsatz. Dazu zählt beispielsweise die Anamnese durch einen virtuellen Doktor, die Einschätzung komplexer ethischer Situationen mittels KI, eine KI-gestützte Auskultation von Herz und Lunge oder ein OP-Aufklärungsgespräch mittels KI.
Pressekonferenz der DGIM
Klimakrise und Gesundheit – vor Ort im RMCC Wiesbaden und online
Termin: Montag, 15. April 2024, 12.00 bis 13.00 Uhr
Ort: Hybrid, RMCC Wiesbaden
Anmeldung zur Teilnahme vor Ort per Mail: schoeffmann@medizinkommunikation.org
Online-Anmeldung unter: https://events.teams.microsoft.com/event/91391e63-692a-4080-9ae3-4d16ca654714@1495922a-4378-45e9-a32a-422448450fb1
Themen und Referierende:
Klima und Krebs: Was sagen die neuesten Daten?
Professor Dr. med. Andreas Neubauer
Vorsitzender der DGIM 2023/2024 und Präsident des 130. Internistenkongresses, Direktor der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Immunologie am UKGM Marburg
Wie schaffen wir die Wende zu einer gesunden, klimafreundlichen, gerechten Ernährung?
Professor Dr. Hermann Lotze-Campen, Agrarökonom und Leiter des Forschungsbereichs 2 „Klimaresilienz“ am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung PIK
Medizin und Klima im Dilemma: Wie der Klimawandel die Gesundheit von Organen beeinträchtigt, deren Behandlung aber die Klimakrise befeuert – das Beispiel Nierenleiden
Prof. Dr. med. Jan Galle, nächster DGIM-Präsident und DGIM-Kongresspräsident 2025
Klimakrise als Gesundheitskrise: Ärztinnen und Ärzte übernehmen Verantwortung. Wie der Gesundheitssektor die Klimakrise verschärft und mit welchen konkreten Maßnahmen wir umsteuern können
Dr. med Susanne Balzer, Hausarztpraxis Dres. Metz & Balzer, Köln, ehem. Sprecherin der DGIM-AG „Gesundheit und Klima“
Ankündigung DGIM 2025
Pressekonferenz der Korporativen Mitglieder der DGIM – nur online
Zwischen Hausarzt, Facharzt und Klinik – Wie kann die Versorgung für chronisch kranke Menschen verbessert werden?
Termin: Montag, 15. April 2024, 14.00 bis 15.00 Uhr
Ort: online
Teilnahme unter: https://events.teams.microsoft.com/event/27e006e9-fd24-4724-b4a6-314aff7cf39e@1495922a-4378-45e9-a32a-422448450fb1
Themen und Referierende:
Realitätscheck: Prävention in der täglichen Praxis bei chronisch kranken Patienten – wie viel Zeit darf sie kosten? Und reicht das aus?
Dr. med. Petra Sandow, Allgemeinmedizinerin und Hausärztin aus Berlin
Die Rolle der hausärztlichen Versorgung in interdisziplinären Netzwerken
Dr. med. Marcel Schorrlepp, hausärztlicher Internist aus Mainz und Sprecher der DGIM-Arbeitsgruppe Hausärztliche Internisten
Sektorengrenzen in der Inneren Medizin überwinden – was ist erreicht, was noch zu tun?
Professor Dr. med. Georg Ertl, Generalsekretär der DGIM, Internist und Kardiologe aus Würzburg