Dement durch Lebererkrankungen

Original Titel:
Undiagnosed Cirrhosis and Hepatic Encephalopathy in a National Cohort of Veterans With Dementia

Kurz & fundiert

  • Gehirnentzündung (Enzephalopathie) aufgrund fortgeschrittener Lebererkrankung kann Demenz ähneln
  • Ist es Demenz oder behandelbare Folge einer Lebererkrankung?
  • Rückblickende Kohortenstudie mit 177 422 Personen in den USA mit Demenzdiagnose
  • Hinweis auf unerkannte Leberzirrhose bei 5,3 % der Patienten mit Demenzdiagnose
  • Höheres Risiko für Leberschaden bei Männern (+43 %), Herzinsuffizienz (+48 %), viraler Hepatitis (+79 %) oder Hinweisen auf Alkoholmissbrauch (+56 %)

 

MedWiss – Demenz und eine Gehirnentzündung aufgrund einer Lebererkrankung (hepatische Enzephalopathie) können klinisch schwer voneinander zu unterscheiden sein. In einer Kohortenstudie mit 177 422 Personen mit einer Demenzdiagnose wurden bei 5 – 10 % der Patienten Hinweise auf Leberschäden festgestellt, die mit demenzartigen Symptomen einhergehen können. Bei Verdacht auf eine Demenz sollte demnach eine Lebererkrankung abgeklärt werden, deren demenzartigen Symptome gut behandelbar sind.


Eine Leberzirrhose kann zu einer hepatischen Enzephalopathie, einer Gehirnentzündung, führen, die klinisch schwer von einer Demenzerkrankung zu unterscheiden ist. Liegt eine undiagnostizierte Leberzirrhose vor, könnten somit demenzartige Symptome zu einer Fehldiagnose mit stark unterschiedlicher Prognose kommen: Die Symptome aufgrund der Lebererkrankung sind gut behandelbar. Wissenschaftler untersuchten nun eine große Patientengruppe mit Demenzdiagnose auf möglicherweise unentdeckte Lebererkrankungen.

Demenz oder behandelbare Folge einer Lebererkrankung?

In einer retrospektiven Kohortenstudie ermittelten die Autoren die Prävalenz (Häufigkeit) und Risikofaktoren für eine undiagnostizierte Zirrhose und damit einhergehend einer möglichen hepatischen Enzephalopathie bei Personen mit Demenzdiagnose, sowie Anzeichen für eine Übergangsform zur Zirrhose, der Fibrose genannten, zunehmenden Vernarbung der Leber.

Die Studie schloss zwischen 2009 und 2019 Daten von US-amerikanischen Militärveteranen ein, die in mindestens 2 Klinikterminen eine Demenzdiagnose erhalten hatten. Die Patienten hatten keine vorherige Diagnose einer Leberzirrhose und es lagen ausreichend Labordaten vor, um das Risiko für Leberprobleme anhand des Fibrose-4-Scores (FIB-4-Score) einzuschätzen. Ein FIB-4-Score > 2,67 deutete auf eine fortgeschrittene Fibrose, ein FIB-4-Score > 3,25 auf eine Zirrhose.

Rückblickende Kohortenstudie mit 177 422 Personen in den USA mit Demenzdiagnose

Insgesamt wurden Daten von 177 422 US-Kriegsveteranen, davon 97,1 % Männer (80,7 % Weiße) im durchschnittlichen Alter von 78,35 Jahren (+/- 10,97 Jahre) betrachtet. Ein Hinweis auf Leberschaden (Zirrhose, FIB-4-Score > 3,25) wurde bei 5,3 % der Patienten (n = 9 373) festgestellt. Mit einem FIB-4-Score > 2,67 deutete sich bei 10,3 % der Patienten (n = 18 390) eine fortgeschrittene Schädigung im Sinne einer Leberfibrose an.

Personen mit Demenzdiagnose wiesen häufiger einen FIB-4-Score > 3,25 und somit einen Verdacht auf Zirrhose auf, wenn sie Männer (+43 %) waren, an Herzinsuffizienz (+48 %) oder einer viralen Hepatitis (+79 %) litten oder es Hinweise auf Alkoholmissbrauch gab (+56 %). Auch Personen in höherem Alter (+7 %) oder mit einer chronischen Nierenerkrankung (+11 %) hatten ein höheres Risiko für auffällige Leberwerte, die auf eine den Demenzsymptomen zugrunde liegende hepatische Enzephalopathie deuten könnten.

  • Höheres Alter: Odds ratio, OR: 1,07; 95 % Konfidenzintervall, KI: 1,06 – 1,09
  • Männer: OR: 1,43; 95 % KI: 1,26 – 1,61
  • Herzinsuffizienz: OR: 1,48; 95 % KI: 1, 43 – 1,54
  • Virale Hepatitis: OR: 1,79; 95 % KI: 1,66 – 1,91
  • Hinweise auf Alkoholmissbrauch: OR: 1,56; 95 % KI: 1,44 – 1,68
  • Chronische Nierenerkrankung: OR: 1,11; 95 % KI: 1,04 – 1,17

In der US-amerikanischen Studie mit Kriegsveteranen wurde ein Hinweis auf bislang unentdeckte, fortgeschrittene Leberschäden (FIB-4 > 3,25) bei den Personen mit Demenzdiagnose seltener bei Weißen (-21 %), bei Personen mit Diabetes (-22 %), erhöhten Blutfettwerten (-16 %), Schlaganfall (-15 %), bei Rauchern (-22 %) oder bei ländlich wohnenden Personen (-8 %) gefunden. Ein vergleichbares Muster von Risikofaktoren zeigte sich mit dem niedrigeren FIB-4-Score (> 2,67).

Hinweis auf unerkannte Leberzirrhose bei 5,3 % der Patienten mit Demenzdiagnose

Die Studie demonstrierte somit, dass bei Personen mit Demenzdiagnose mögliche Auffälligkeiten in den Leberwerten abgeklärt werden sollten. Finden sich Hinweise auf eine Fibrose oder Zirrhose der Leber, könnte eine hepatische Enzephalopathie den demenzartigen Symptomen zugrunde liegen, argumentieren die Autoren. Eine Behandlung durch den Gastronenterologen könne in diesen Fällen womöglich zum Verschwinden der scheinbaren Demenzsymptome beitragen.

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