H5N1 massenhaft bei Milchkühen in den USA entdeckt: Wirtswechsel des Vogelgrippevirus birgt Risiken

Eine zuerst in 2019 aufgetretene Variante des Vogelgrippe-Virus H5N1 ist erstmals in mindestens 36 Rinderherden in den USA entdeckt worden. Die Tiere haben sich untereinander angesteckt, wie genau, ist noch nicht bekannt. Ein Mensch, der mit den Tieren in engem Kontakt stand, wurde ebenfalls infiziert, erkrankte aber nur relativ leicht. Wissenschaftler sind überrascht, denn jede fünfte Milchprobe, die wegen der vielen Infektionsfälle untersucht wurde, weist Bestandteile des Virus auf. Warum das Grund zur Besorgnis ist und mit welchen Maßnahmen eine weitere Ausbreitung des Virus nun verhindert werden muss, dazu der Direktor des Instituts für molekulare Virologie am UKM und Koordinator der One Health Platform, Prof. Stephan Ludwig.

Herr Prof. Ludwig, wie der Name schon sagt, ist das H5N1-Virus erstmals bei Vögeln aufgetaucht. Zwischenzeitlich ist das Virus auch auf andere Wirte übergesprungen, jetzt ist es erstmals bei Milchkühen massenhaft aufgetaucht. Warum ist das ein Risiko?

Das Virus hat sich seit seinem erstmaligen Erscheinen 1996 in Asien inzwischen weltweit verbreitet. Die jetzt vorherrschende Variante, die sogenannte Klade (Art) mit dem Namen H5N1 2.3.4.4b, ist seit 2019 bekannt und was wir zunehmend sehen ist, dass das Virus auf andere Spezies und auch Säugetiere überspringen kann. Nun ist sie erstmals in Nutztieren gefunden worden, die in enger Vergemeinschaftung mit dem Menschen leben. Die Gefahr liegt darin, dass die Massentierhaltung der Verbreitung des Virus natürlich Vorschub leistet. Je höher die Ansteckungszahlen aber sind, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass das Virus mutiert und eine gefährliche Variante entsteht, die auch auf den Menschen übertritt.

Es hat sich schon ein Mensch angesteckt…

Glücklicherweise waren die Krankheitsfolgen bei ihm nur leicht, er erkrankte lediglich an einer Konjunktivitis (Bindehautentzündung), die nach einigen Tagen wieder abgeklungen war. Im Moment würde ich diese Ansteckung noch als eine Art Unfall sehen. Wir müssen davon ausgehen, dass der Mann sich aufgrund einer sehr hohen Virusexposition auf einem Milchviehbetrieb angesteckt hat. Allerdings ist die Datenlage zum Infektionsweg noch unklar. Ebenso haben wir noch keinen wissenschaftlichen Nachweis, wie die Übertragung von Kuh zu Kuh geschieht. Fakt ist, dass das Euter bei der Ansteckung eine Rolle spielen könnte, denn dort findet sich eine hohe Viruslast. Das könnte auch zu einem Problem für die Eindämmung werden, denn wenn die Euter infektiös sind, dann ist es mit hoher Wahrscheinlichkeit auch das Melkgeschirr.

Wissenschaftler zeigen sich beunruhigt, dass in jeder fünften untersuchten Milchprobe aus dem Supermarkt Bauteile des Virus nachgewiesen werden konnten, wenn auch in denaturierter Form. Ist eine Ansteckung über Nahrungsmittel möglich?

Im Moment gilt die Ansteckungsgefahr nur für Rohmilch und auch nur für die USA. Wir haben in Deutschland ein ganz anderes Überwachungssystem, sozusagen „die gläserne Kuh“. Nach jetzigem Stand lässt sich aber nicht ausschließen, dass eine Ansteckung über Milch, Fleisch oder auch Eier potentiell irgendwann irgendwo auf der Welt erstmals erfolgt. Deswegen ist es auch so wichtig, dass wir das sehr genau beobachten. Bei dieser riesigen Menge an H5N1-Viren, wie sie sich derzeit auf der Welt befinden kann es sehr gut sein, dass dem Virus durch Variantenbildung gelingt, die Vermehrung von Kuh zu Kuh noch zu verbessern oder sogar, dass sich eine Variante auf den Menschen anpassen kann.

Wie lässt sich eine weitere Verbreitung jetzt noch verhindern?

Es ist auf jeden Fall wichtig, dass man Tiertransporte mit infizierten Kühen unterbindet. Dass man Betriebe, in denen das Virus auftaucht abschottet und schaut, dass man das Virus dort wieder herauskriegt. Dazu müssen wir aber auch wissen, wie der genaue Infektionsweg von Kuh zu Kuh funktioniert.

Wäre es nicht wichtig, einen Impfstoff zu entwickeln? Entweder für Kühe oder vorsorglich auch für den Fall, dass das Virus sich auf den Menschen anpasst?

Es ist sehr sinnvoll, zum jetzigen Zeitpunkt über einen Impfstoff gegen H5N1 nachzudenken, das hat man sogar in der Vergangenheit schon einmal getan, als Anfang der 2000er Jahre in Asien bei Menschen Infektionsfälle (mit einer anderen Klade) aufgetreten sind. Problem: Herkömmliche Impfstoffe werden im befruchteten Hühnerei hergestellt. Das müssten dann große Anlagen sein und es gäbe eine hohe Infektionsgefahr für Menschen, die dort arbeiten. Alternativ kann man Impfstoffviren aber auch in Zellkulturen heranziehen um diese Gefahr zu vermeiden. Zwei so hergestellte H5N1-Impfstoffkandidaten wurden bereits von der europäischen Arzneimittelbehörde (EMAH) geprüft. Ersten genetische Untersuchungen der Erreger aus den Kühen zufolge zeigt das für die Impfung wichtige HA-Protein eine große Übereinstimmung mit den Impfstoffkandidaten.