Neuer Ansatz gegen Epstein-Barr-Virus und Folgeerkrankungen
Das Epstein-Barr-Virus kann schwere Erkrankungen auslösen, darunter auch eine Reihe von Krebsarten. Die Hemmung eines bestimmten Stoffwechselweges in infizierten Zellen kann die latente Infektion – und damit Folgeerkrankungen – jedoch reduzieren, berichten Forschende der Universität Basel und des Universitätsspitals Basel im Fachjournal «Science».
Vor genau 60 Jahren veröffentlichten der Pathologe Anthony Epstein und die Virologin Yvonne Barr die Entdeckung eines Virus, das seither deren Namen trägt. Das Epstein-Barr-Virus (EBV) ging in die Wissenschaftsgeschichte ein, war es doch das erste Virus, von dem man nachweisen konnte, dass es beim Menschen Krebs verursachen kann: Epstein und Barr isolierten den zu den Herpesviren gehörenden Erreger aus Tumorgewebe und bewiesen in Folgeexperimenten sein krebserregendes Potenzial.
Die meisten Menschen tragen EBV in sich: 90 Prozent der erwachsenen Bevölkerung sind damit infiziert, meist ohne Symptome und ohne daraus folgende Erkrankung. Rund 50 Prozent infizieren sich bereits vor dem fünften Lebensjahr, viele aber auch erst als Jugendliche. Es kann Pfeiffersches Drüsenfieber – im Volksmund auch «Kusskrankheit» – verursachen und erkrankte Personen mehrere Monate ausser Gefecht setzen. Daneben steht der Erreger im Verdacht, an der Entstehung von Autoimmunerkrankungen wie der Multiplen Sklerose beteiligt zu sein.
Eine zugelassene Impfung oder ein Medikament, welches EBV im Körper ausbremst, gibt es bisher nicht. Eine Forschungsgruppe der Universität und des Universitätsspital Basel berichtet nun von einem vielversprechenden Ansatzpunkt, EBV nach der Infektion aufzuhalten. Ihre Ergebnisse erscheinen im Fachjournal «Science».
EBV missbraucht den Stoffwechsel der infizierten Zellen
Forschende um Prof. Dr. Christoph Hess haben entschlüsselt, wie EBV infizierte Zellen des Immunsystems, genauer gesagt die B-Zellen, umprogrammiert. Dieser auch als «Transformation» bezeichnete Prozess ist eine Voraussetzung dafür, dass die Infektion chronisch wird und Folgeerkrankungen wie Krebs nach sich ziehen kann. Konkret entdeckte das Team, dass das Virus die infizierte Zelle dazu bringt, die Produktion eines Enzyms namens IDO1 hochzufahren. Dies führt schlussendlich zu höherer Energieproduktion durch die Kraftwerke der infizierten Zellen, die Mitochondrien. Die zusätzliche Energie wiederum ist nötig für den erhöhten Stoffwechsel und die schnelle Vermehrung der so durch EBV umprogrammierten B-Zellen.
Der klinische Fokus der Forschenden lag auf einer Gruppe von Patientinnen und Patienten, die nach einer Organtransplantation einen durch EBV ausgelösten Blutkrebs entwickelt hatten. Damit ein transplantiertes Organ nicht abgestossen wird muss das Abwehrsystem mit Medikamenten geschwächt werden, was es EBV erleichtert überhand zu nehmen. Das Virus kann dann Blutkrebs verursachen, Fachleute sprechen vom Posttransplantationslymphom.
In der nun publizierten Arbeit konnten die Forschenden zeigen, dass EBV das Enzym IDO1 schon Monate vor der Diagnose des Posttransplantationslymphoms hochreguliert. Diese Erkenntnis hilft möglicherweise, Biomarker der Erkrankung zu entwickeln.
Zweite Chance für gescheitertes Medikament
«IDO1-Inhibitoren wurden bereits entwickelt, dies in der Hoffnung, dass sie im Rahmen von Krebstherapien nützlich sein könnten – was sich leider nicht bestätigt hat. Es gibt daher klinisch getestete Hemmstoffe gegen dieses Enzym», erklärt Christoph Hess. Entsprechend könnte diese Medikamentenklasse nun eine zweite Chance in der Anwendung gegen EBV-assoziierte Erkrankungen erhalten. In Versuchen mit Mäusen reduzierte die Hemmung von IDO1 mit diesen Medikamenten die Transformation der B-Zellen und damit die Viruslast und Lymphom-Entwicklung.
«Bei Transplantationen werden standardmässig Medikamente gegen verschiedene Viren eingesetzt. Gegen das EB-Virus gab es bisher nichts spezifisches», so Christoph Hess.
Originalpublikation
Bojana Müller-Durovic et al.
A metabolic dependency of EBV can be targeted to hinder B cell transformation
Science (2024), doi: 10.1126/science.adk4898
Weiterführende Informationen
Forschungsgruppe Prof. Dr. Christoph Hess