Wieso tut uns Schlaf so gut? An der Uni Bern haben Forschende unterschiedlicher Fachrichtungen zahlreiche Gründe dafür entdeckt. Für die vielen Menschen mit unbehandelten Schlafproblemen haben sie Angebote entwickelt.
Obwohl so gut wie jede Person schon am eigenen Leib erlebt hat, wie erholsam der Schlaf sein kann, zerbricht sich die Menschheit seit Tausenden von Jahren den Kopf darüber, wieso wir ungefähr einen Drittel unseres Lebens mit Schlafen verbringen. Tatsächlich ist dieses Verhalten aus evolutionsbiologischer Sicht mit beträchtlichen Kosten verbunden, denn unsere Vorfahren haben in diesen verblüffenden Ruhephasen nicht nur auf die Nahrungs- und Partnersuche verzichtet, sondern sich auch dem Risiko ausgesetzt, beim Schlafen von Feinden getötet oder von Raubtieren gefressen zu werden.
Schlaf als multifunktionales Werkzeug
Wieso also schlafen wir (und nehmen auch heute noch einige dieser Kosten in Kauf)? «Der Schlaf ist wie ein Schweizer Sackmesser – mit mehr als nur einer Funktion», sagt Antoine Adamantidis, Direktor des Zentrums für Experimentelle Neurologie am Inselspital. Heute könne die Wissenschaft ein viel genaueres und detaillierteres Bild vom Schlaf zeichnen als noch vor zehn Jahren. Dabei trete immer deutlicher zutage, dass der Schlaf nicht nur im Gehirn, sondern im ganzen Körper stattfinde.
Während das Gehirn in der nächtlichen Ruhephase wichtige Erinnerungen von weniger wichtigen trennt, ist der Schlaf auch am immunologischen Gedächtnis beteiligt. Er sorgt also dafür, dass unser Immunsystem besser gewappnet ist, wenn der gleiche Erreger nochmals versucht, uns zu befallen. Zudem beeinflusst der Schlaf auch unseren Stoffwechsel und spielt deshalb etwa bei der Zuckerkrankheit eine wichtige Rolle.
Schlaf hilft nach Schlaganfall
Doch damit nicht genug: Der Schlaf senkt auch den Blutdruck und beugt so Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor. Bei Hirninfarkten scheint insbesondere der Tiefschlaf eine wichtige Funktion zu haben. Er ermöglicht es dem Gehirn, sich nach dem Schlag besser zu erholen, wie die Forschungsgruppen um Antoine Adamantidis und Claudio Bassetti in einem gemeinsamen Forschungsprojekt im Rahmen der Interfakultären Forschungskooperation (IFK) «Decoding Sleep» nachgewiesen haben.
Erstes interdisziplinäres Schlaflabor
Bassetti, Chefarzt an der Universitätsklinik für Neurologie des Inselspitals und Leiter des soeben zu Ende gegangenen interdisziplinären Grossprojekts blickt mit «Dankbarkeit und Stolz» darauf zurück. Die Schlafforschung und -medizin hat in Bern eine über 40-jährige Tradition, die in den 1980er-Jahren mit der Aufzeichnung von Hirnströmen sowie von Augen- und Atembewegungen begann. Aus der Zusammenarbeit von Pneumologinnen und Neurologen ist in den 1990er-Jahren dann das erste interdisziplinäre Schlaflabor der Schweiz entstanden.
Bald stiessen auch die Psychiatrie und die Pädiatrie hinzu. «In den letzten zwölf Jahren haben wir viel investiert und Forschende aus noch mehr verschiedenen Bereichen um das Thema Schlaf versammelt», sagt Bassetti. So ist etwa nicht nur das Zentrum für experimentelle Neurologie (ZEN) entstanden, sondern auch das NeuroTec-Labor, wo Schlafforschende mit Ingenieurinnen und Ingenieuren zusammenarbeiten, um neue Untersuchungsgeräte zu entwickeln. Auf diese breite interdisziplinäre Basis konnte sich das IFK «Decoding Sleep» abstützen.
Weltweit führendes Schlafnetzwerk
«Mit rechnergestützten Modellierungen sind wir dabei auch in neue Dimensionen vorgestossen. So haben wir eine Spitzenposition in der Schlafforschung erreicht», meint Bassetti. «Das sage nicht nur ich.» Auch die externen Gutachterinnen und Gutachter, die die IFK nach deren Ablauf kritisch unter die Lupe genommen haben, hätten bescheinigt, dass das von Forschenden, Ärztinnen und Ärzten gebildete Schlafnetzwerk in Bern «zu den zehn oder fünfzehn wichtigsten weltweit» gehöre.
Diese grosse, vernetzte Expertise führt auch Leila Tarokh als entscheidenden Pluspunkt auf. Die aus Kalifornien stammende Neurowissenschaftlerin hatte eine Professur an der Brown University inne – und ist unter anderem wegen der «starken Schlafforschungsgemeinschaft nach Bern gezogen und hier geblieben». Sie und ihre Forschungsgruppe an den Universitären Psychiatrischen Diensten Bern haben sich mit einer Studie über den Schlaf bei Jugendlichen mit einer starken Depression am IFK beteiligt.
Schlafprobleme bei depressiven Jugendlichen
«80 Prozent von ihnen haben Schlafprobleme, dabei beeinflussen sich Schlaf und Depression gegenseitig: Während einer Depression schläft man meist schlecht. Und wenn man schlecht schläft, verstärken sich die depressiven Symptome», sagt Tarokh. Mit ihrem Team hat sie die Hirnströme von 35 depressiven und 35 gesunden Jugendlichen gemessen. Und gesehen, dass die Tiefschlafphasen (solche mit langwelligen Hirnstrommustern) bei Depressiven im Schnitt weniger lang dauern als bei Gesunden. «Der Unterschied zeigt sich auch noch ein Jahr später, wenn es vielen Jugendlichen dank der Psychotherapie schon wieder besser geht», sagt Tarokh.
High-Tech-Forschung für besseren Schlaf
«Unser Standort in der Waldau ist etwas abgelegen, umso mehr haben wir von gemeinsamen Anlässen profitiert, wo der Funke zum Kennenlernen neuer Leute gesprungen ist», sagt Tarokh. Sie stellt fest, dass die Kontakte – etwa zu Computerwissenschaftlerinnen und zu Experten für Tierversuche – auch über das Ende der IFK hinaus bestehen bleiben. In diesem weiterhin lebendigen Austausch und in den «während der letzten Jahren geschaffenen Strukturen» sieht auch Fred Mast, Professor für Psychologie an der Universität Bern und Ko-Leiter des Forschungskonsortiums «Decoding Sleep», dessen fortdauerndes Erbe.
Zu diesen Strukturen zählt Mast einerseits neu entwickelte Forschungsgeräte, wie etwa das auf einer hydraulischen Plattform montierte Bett, das sich im Labor seiner Gruppe wie eine High-Tech-Wiege in alle Raumrichtungen hin und her bewegen kann. «Wir untersuchen damit, ob sich beruhigende Bewegungen auf die Schlafarchitektur auswirken – und vielleicht sogar den Tiefschlaf verlängern», sagt Mast.
Swiss Sleep House Bern für alle
Mit Strukturen meint Mast andererseits auch neu eingerichtete Organisationseinheiten und verweist zum Beispiel auf das Ende 2022 eröffnete «Swiss Sleep House Bern». Es ist zwar mit der Universitätsklinik für Neurologie am Inselspital verbunden, doch sein Angebot richtet sich nicht nur an Patientinnen und Patienten, sondern an die gesamte Bevölkerung.
Schlafprobleme sind eine Volkskrankheit
Denn Schlafprobleme sind in der westlichen Welt zu einer Art Volkskrankheit geworden. Sie gehen oft mit einem beträchtlichen Leidensdruck und mit entsprechend grossen wirtschaftlichen Folgekosten einher. «In der Schweiz weisen mehr als zwei Millionen Menschen einen gestörtem Schlaf auf», sagt Bassetti. «Dabei werden die allermeisten gar nicht oder nicht richtig behandelt. Wir wollen diese Personen besser erreichen.»
SWISS SLEEP HOUSE
Das Swiss Sleep House ist eine Klinik, in der Patientinnen und Patienten Antworten und Hilfe zu allen schlafbezogenen Fragen wie Schlaflosigkeit, Schlafapnoe, Schnarchen und vielem mehr erhalten. Das Swiss Sleep House berät auch Unternehmen, wie sie mit verschiedenen Herausforderungen im Zusammenhang mit Schlafproblemen ihrer Angestellten, etwa aufgrund von Schichtarbeit, umgehen können.
Das Sleep House ist als Anlaufstelle und Triagestation konzipiert. Das interdisziplinäre Team klärt vor Ort mit einem kostenlosen Schlaf-Check ab, wer von welcher Art von Schlafstörung betroffen ist. Bei Bedarf kann das Team eine sogenannte kognitive Verhaltenstherapie einleiten, die über individuell abgestimmte Anpassungen im Alltagsverhalten den Weg zu einem besseren Schlaf sucht. Und dabei meist bessere Resultate erzielt als die von Ärztinnen und Ärzten zu häufig verschriebenen Schlafmittel.
Künstliche Intelligenz in der Schlafforschung
So gelangen die Früchte der IFK in die Welt hinaus. Doch selbstverständlich gehen auch die Forschungsanstrengungen weiter. So haben etwa die Forschungsgruppen um Antoine Adamantidis, Carolina Gutierrez Herrera, Markus Schmidt und Athina Tzovara kürzlich beim Schweizerischen Nationalfonds 2,5 Millionen Franken an Fördergeldern eingeholt. Sie möchten in ihrem neuen Projekt eine Software entwickeln, die anhand der Aktivität von Hirnzellen im Schlaf vorhersagen kann, wie gut sich verschiedene Wirkstoffkandidaten als Schlaftabletten eignen.
Schlaftabletten verbessern
«Heute stellen Schlaftabletten einfach den Schalter ab, sie hauen uns um», sagt Neurologe Adamantidis. Aber das betäubte Gehirn vollbringt nicht die gleichen Wunder wie das Gehirn im Tiefschlaf. «Wir suchen Substanzen, die das Einschlafen fördern – möglichst ohne den Tiefschlaf zu beeinträchtigen», fährt er fort. Das Projekt sei insofern ein typisches Resultat aus dem IFK, als es von den Synergien zwischen experimentellen Forschenden und Fachpersonen aus den Computerwissenschaften profitiere.
Zukunftsperspektiven der Schlafforschung
Also Fachpersonen wie Athina Tzovara. Die junge Professorin am Institut für Informatik der Universität Bern ist Expertin für Anwendungen der künstlichen Intelligenz in den Neurowissenschaften. Sie hat in Griechenland eine Ausbildung als Elektro- und Computeringenieurin abgeschlossen und sich dann für ihr Doktorat den Neurowissenschaften zugewandt. Sie sieht im disziplinenübergreifenden Vorgehen «ein grösseres Potenzial für die Schaffung neuen Wissens». Wie ihre Kolleginnen und Kollegen bleibt auch sie hochmotiviert, «die engen Grenzen der bestehenden Fachgebeite zu überschreiten», um dem Faszinosum Schlaf noch viele weitere Geheimnisse zu entlocken.
Die Interfakultäre Forschungskooperation «Decoding Sleep: From Neurons to Health & Mind» war ein interdisziplinäres, von der Universität Bern gefördertes Projekt, das am 1. März 2018 gestartet ist und am Ende 2023 abgeschlossen wurde. Es umfasste 13 Forschungsgruppen aus der Fakultät für Naturwissenschaften, Medizin und Humanwissenschaften und überbrückte mehrere Bereiche, darunter Medizin, Psychologie, Psychiatrie und Informatik.
Das Projekt zielte darauf ab, ein neues und vertieftes Verständnis der Funktion und Regulation des Schlaf-Wach-Rhythmus zu erlangen und Strategien für frühzeitige und personalisierte Therapien von Schlaf-Wach- und neuropsychiatrischen Störungen zu entwickeln.
Wieso tut uns Schlaf so gut? An der Uni Bern haben Forschende unterschiedlicher Fachrichtungen zahlreiche Gründe dafür entdeckt. Für die vielen Menschen mit unbehandelten Schlafproblemen haben sie Angebote entwickelt.
Obwohl so gut wie jede Person schon am eigenen Leib erlebt hat, wie erholsam der Schlaf sein kann, zerbricht sich die Menschheit seit Tausenden von Jahren den Kopf darüber, wieso wir ungefähr einen Drittel unseres Lebens mit Schlafen verbringen. Tatsächlich ist dieses Verhalten aus evolutionsbiologischer Sicht mit beträchtlichen Kosten verbunden, denn unsere Vorfahren haben in diesen verblüffenden Ruhephasen nicht nur auf die Nahrungs- und Partnersuche verzichtet, sondern sich auch dem Risiko ausgesetzt, beim Schlafen von Feinden getötet oder von Raubtieren gefressen zu werden.
Schlaf als multifunktionales Werkzeug
Wieso also schlafen wir (und nehmen auch heute noch einige dieser Kosten in Kauf)? «Der Schlaf ist wie ein Schweizer Sackmesser – mit mehr als nur einer Funktion», sagt Antoine Adamantidis, Direktor des Zentrums für Experimentelle Neurologie am Inselspital. Heute könne die Wissenschaft ein viel genaueres und detaillierteres Bild vom Schlaf zeichnen als noch vor zehn Jahren. Dabei trete immer deutlicher zutage, dass der Schlaf nicht nur im Gehirn, sondern im ganzen Körper stattfinde.
Während das Gehirn in der nächtlichen Ruhephase wichtige Erinnerungen von weniger wichtigen trennt, ist der Schlaf auch am immunologischen Gedächtnis beteiligt. Er sorgt also dafür, dass unser Immunsystem besser gewappnet ist, wenn der gleiche Erreger nochmals versucht, uns zu befallen. Zudem beeinflusst der Schlaf auch unseren Stoffwechsel und spielt deshalb etwa bei der Zuckerkrankheit eine wichtige Rolle.
Schlaf hilft nach Schlaganfall
Doch damit nicht genug: Der Schlaf senkt auch den Blutdruck und beugt so Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor. Bei Hirninfarkten scheint insbesondere der Tiefschlaf eine wichtige Funktion zu haben. Er ermöglicht es dem Gehirn, sich nach dem Schlag besser zu erholen, wie die Forschungsgruppen um Antoine Adamantidis und Claudio Bassetti in einem gemeinsamen Forschungsprojekt im Rahmen der Interfakultären Forschungskooperation (IFK) «Decoding Sleep» nachgewiesen haben.
Erstes interdisziplinäres Schlaflabor
Bassetti, Chefarzt an der Universitätsklinik für Neurologie des Inselspitals und Leiter des soeben zu Ende gegangenen interdisziplinären Grossprojekts blickt mit «Dankbarkeit und Stolz» darauf zurück. Die Schlafforschung und -medizin hat in Bern eine über 40-jährige Tradition, die in den 1980er-Jahren mit der Aufzeichnung von Hirnströmen sowie von Augen- und Atembewegungen begann. Aus der Zusammenarbeit von Pneumologinnen und Neurologen ist in den 1990er-Jahren dann das erste interdisziplinäre Schlaflabor der Schweiz entstanden.
Bald stiessen auch die Psychiatrie und die Pädiatrie hinzu. «In den letzten zwölf Jahren haben wir viel investiert und Forschende aus noch mehr verschiedenen Bereichen um das Thema Schlaf versammelt», sagt Bassetti. So ist etwa nicht nur das Zentrum für experimentelle Neurologie (ZEN) entstanden, sondern auch das NeuroTec-Labor, wo Schlafforschende mit Ingenieurinnen und Ingenieuren zusammenarbeiten, um neue Untersuchungsgeräte zu entwickeln. Auf diese breite interdisziplinäre Basis konnte sich das IFK «Decoding Sleep» abstützen.
Weltweit führendes Schlafnetzwerk
«Mit rechnergestützten Modellierungen sind wir dabei auch in neue Dimensionen vorgestossen. So haben wir eine Spitzenposition in der Schlafforschung erreicht», meint Bassetti. «Das sage nicht nur ich.» Auch die externen Gutachterinnen und Gutachter, die die IFK nach deren Ablauf kritisch unter die Lupe genommen haben, hätten bescheinigt, dass das von Forschenden, Ärztinnen und Ärzten gebildete Schlafnetzwerk in Bern «zu den zehn oder fünfzehn wichtigsten weltweit» gehöre.
Diese grosse, vernetzte Expertise führt auch Leila Tarokh als entscheidenden Pluspunkt auf. Die aus Kalifornien stammende Neurowissenschaftlerin hatte eine Professur an der Brown University inne – und ist unter anderem wegen der «starken Schlafforschungsgemeinschaft nach Bern gezogen und hier geblieben». Sie und ihre Forschungsgruppe an den Universitären Psychiatrischen Diensten Bern haben sich mit einer Studie über den Schlaf bei Jugendlichen mit einer starken Depression am IFK beteiligt.
Schlafprobleme bei depressiven Jugendlichen
«80 Prozent von ihnen haben Schlafprobleme, dabei beeinflussen sich Schlaf und Depression gegenseitig: Während einer Depression schläft man meist schlecht. Und wenn man schlecht schläft, verstärken sich die depressiven Symptome», sagt Tarokh. Mit ihrem Team hat sie die Hirnströme von 35 depressiven und 35 gesunden Jugendlichen gemessen. Und gesehen, dass die Tiefschlafphasen (solche mit langwelligen Hirnstrommustern) bei Depressiven im Schnitt weniger lang dauern als bei Gesunden. «Der Unterschied zeigt sich auch noch ein Jahr später, wenn es vielen Jugendlichen dank der Psychotherapie schon wieder besser geht», sagt Tarokh.
High-Tech-Forschung für besseren Schlaf
«Unser Standort in der Waldau ist etwas abgelegen, umso mehr haben wir von gemeinsamen Anlässen profitiert, wo der Funke zum Kennenlernen neuer Leute gesprungen ist», sagt Tarokh. Sie stellt fest, dass die Kontakte – etwa zu Computerwissenschaftlerinnen und zu Experten für Tierversuche – auch über das Ende der IFK hinaus bestehen bleiben. In diesem weiterhin lebendigen Austausch und in den «während der letzten Jahren geschaffenen Strukturen» sieht auch Fred Mast, Professor für Psychologie an der Universität Bern und Ko-Leiter des Forschungskonsortiums «Decoding Sleep», dessen fortdauerndes Erbe.
Zu diesen Strukturen zählt Mast einerseits neu entwickelte Forschungsgeräte, wie etwa das auf einer hydraulischen Plattform montierte Bett, das sich im Labor seiner Gruppe wie eine High-Tech-Wiege in alle Raumrichtungen hin und her bewegen kann. «Wir untersuchen damit, ob sich beruhigende Bewegungen auf die Schlafarchitektur auswirken – und vielleicht sogar den Tiefschlaf verlängern», sagt Mast.
Swiss Sleep House Bern für alle
Mit Strukturen meint Mast andererseits auch neu eingerichtete Organisationseinheiten und verweist zum Beispiel auf das Ende 2022 eröffnete «Swiss Sleep House Bern». Es ist zwar mit der Universitätsklinik für Neurologie am Inselspital verbunden, doch sein Angebot richtet sich nicht nur an Patientinnen und Patienten, sondern an die gesamte Bevölkerung.
Schlafprobleme sind eine Volkskrankheit
Denn Schlafprobleme sind in der westlichen Welt zu einer Art Volkskrankheit geworden. Sie gehen oft mit einem beträchtlichen Leidensdruck und mit entsprechend grossen wirtschaftlichen Folgekosten einher. «In der Schweiz weisen mehr als zwei Millionen Menschen einen gestörtem Schlaf auf», sagt Bassetti. «Dabei werden die allermeisten gar nicht oder nicht richtig behandelt. Wir wollen diese Personen besser erreichen.»
SWISS SLEEP HOUSE
Das Swiss Sleep House ist eine Klinik, in der Patientinnen und Patienten Antworten und Hilfe zu allen schlafbezogenen Fragen wie Schlaflosigkeit, Schlafapnoe, Schnarchen und vielem mehr erhalten. Das Swiss Sleep House berät auch Unternehmen, wie sie mit verschiedenen Herausforderungen im Zusammenhang mit Schlafproblemen ihrer Angestellten, etwa aufgrund von Schichtarbeit, umgehen können.
Das Sleep House ist als Anlaufstelle und Triagestation konzipiert. Das interdisziplinäre Team klärt vor Ort mit einem kostenlosen Schlaf-Check ab, wer von welcher Art von Schlafstörung betroffen ist. Bei Bedarf kann das Team eine sogenannte kognitive Verhaltenstherapie einleiten, die über individuell abgestimmte Anpassungen im Alltagsverhalten den Weg zu einem besseren Schlaf sucht. Und dabei meist bessere Resultate erzielt als die von Ärztinnen und Ärzten zu häufig verschriebenen Schlafmittel.
Künstliche Intelligenz in der Schlafforschung
So gelangen die Früchte der IFK in die Welt hinaus. Doch selbstverständlich gehen auch die Forschungsanstrengungen weiter. So haben etwa die Forschungsgruppen um Antoine Adamantidis, Carolina Gutierrez Herrera, Markus Schmidt und Athina Tzovara kürzlich beim Schweizerischen Nationalfonds 2,5 Millionen Franken an Fördergeldern eingeholt. Sie möchten in ihrem neuen Projekt eine Software entwickeln, die anhand der Aktivität von Hirnzellen im Schlaf vorhersagen kann, wie gut sich verschiedene Wirkstoffkandidaten als Schlaftabletten eignen.
Schlaftabletten verbessern
«Heute stellen Schlaftabletten einfach den Schalter ab, sie hauen uns um», sagt Neurologe Adamantidis. Aber das betäubte Gehirn vollbringt nicht die gleichen Wunder wie das Gehirn im Tiefschlaf. «Wir suchen Substanzen, die das Einschlafen fördern – möglichst ohne den Tiefschlaf zu beeinträchtigen», fährt er fort. Das Projekt sei insofern ein typisches Resultat aus dem IFK, als es von den Synergien zwischen experimentellen Forschenden und Fachpersonen aus den Computerwissenschaften profitiere.
Zukunftsperspektiven der Schlafforschung
Also Fachpersonen wie Athina Tzovara. Die junge Professorin am Institut für Informatik der Universität Bern ist Expertin für Anwendungen der künstlichen Intelligenz in den Neurowissenschaften. Sie hat in Griechenland eine Ausbildung als Elektro- und Computeringenieurin abgeschlossen und sich dann für ihr Doktorat den Neurowissenschaften zugewandt. Sie sieht im disziplinenübergreifenden Vorgehen «ein grösseres Potenzial für die Schaffung neuen Wissens». Wie ihre Kolleginnen und Kollegen bleibt auch sie hochmotiviert, «die engen Grenzen der bestehenden Fachgebeite zu überschreiten», um dem Faszinosum Schlaf noch viele weitere Geheimnisse zu entlocken.
Die Interfakultäre Forschungskooperation «Decoding Sleep: From Neurons to Health & Mind» war ein interdisziplinäres, von der Universität Bern gefördertes Projekt, das am 1. März 2018 gestartet ist und am Ende 2023 abgeschlossen wurde. Es umfasste 13 Forschungsgruppen aus der Fakultät für Naturwissenschaften, Medizin und Humanwissenschaften und überbrückte mehrere Bereiche, darunter Medizin, Psychologie, Psychiatrie und Informatik.
Das Projekt zielte darauf ab, ein neues und vertieftes Verständnis der Funktion und Regulation des Schlaf-Wach-Rhythmus zu erlangen und Strategien für frühzeitige und personalisierte Therapien von Schlaf-Wach- und neuropsychiatrischen Störungen zu entwickeln.