DMP Osteoporose: Aktualisierung zahlreicher Aspekte sinnvoll

Das IQWiG veröffentlicht den Abschlussbericht seiner Leitlinien-Recherche: Sehr viele Aspekte des DMP Osteoporose sollten oder könnten überarbeitet werden.

Disease-Management-Programme (DMPs) sind strukturierte Behandlungsprogramme für chronisch kranke Menschen, die auf Erkenntnissen der evidenzbasierten Medizin beruhen. Patientinnen und Patienten mit bestimmten chronischen Krankheiten können sich bei ihrer Krankenkasse in ein DMP einschreiben, damit sie über Einrichtungsgrenzen hinweg nach einheitlichen Vorgaben behandelt werden. Die Anforderungen an ein DMP regelt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in der DMP-Anforderungen-Richtlinie (DMP-A-RL).

Im Auftrag des G-BA identifizierte das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) nun aktuelle evidenzbasierte Leitlinien zur Osteoporose und glich deren Empfehlungen mit der geltenden DMP-A-RL ab. Dafür werteten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des IQWiG insgesamt 526 Empfehlungen aus 17 aktuellen evidenzbasierten Leitlinien aus, darunter auch die Leitlinie des Dachverbandes der Deutschsprachigen Wissenschaftlichen Osteologischen Gesellschaften zur Osteoporose (DVO 2023). Das Fazit der Auswertung: Zu vielen Versorgungsaspekten der derzeit geltenden Anforderungsrichtlinie für das DMP Osteoporose finden sich in den aktuellen Leitlinien ergänzende und abweichende Inhalte.

Der nun vorgelegte Abschlussbericht des IQWiG dient dem G-BA als wissenschaftliche Grundlage für die Aktualisierung der DMP-Richtlinie Osteoporose.

Osteoporose und Disease-Management-Programme

Ein gestörter Knochenstoffwechsel führt zur Minderung der Knochendichte und damit zu Knochenschwund (Osteoporose) mit einem erhöhten Risiko für Knochenbrüche. Die Stoffwechselerkrankung entwickelt sich meist erst nach dem 50. Lebensjahr und wird mit zunehmendem Alter häufiger. Dabei sind Frauen etwa doppelt so oft betroffen wie Männer. Knochenbrüche durch Osteoporose treten oft an Wirbelkörpern, Gelenken an Hüfte, Hand, Oberarm und Becken auf. Sie sind oft mit chronischen Schmerzen verbunden und können die Beweglichkeit drastisch einschränken und sogar Pflegebedürftigkeit und soziale Isolation zur Folge haben.

Das DMP Osteoporose soll Betroffene dabei unterstützen, Schmerzen zu mindern, die Beweglichkeit zu erhalten oder sogar zu verbessern, um weitere Frakturen (auch durch Stürze) zur vermeiden. Grundlegendes Ziel ist, eine möglichst selbstbestimmte Lebensführung zu erhalten bzw. zu erreichen.

Diskrepante Empfehlungen in Leitlinien und in der DMP-Richtlinie Osteoporose

Die inhaltlichen Anforderungen an ein DMP werden regelmäßig auf ihre Aktualität hin überprüft. Der Abgleich von 526 Empfehlungen aus den 17 eingeschlossenen Leitlinien ergab, dass sich Empfehlungen für wichtige Versorgungsaspekte weiterentwickelt haben und die geltende DMP-Richtlinie Osteoporose entsprechend aktualisiert werden sollte.

So erscheint die Erweiterung der „Diagnostischen Kriterien zur Eingrenzung der Zielgruppe“ um beispielsweise Frauen nach den Wechseljahren, Frauen, die jünger als 50 Jahre sind, und um Personen mit speziellen Therapien (u. a. mit Glukokortikoiden und Aromataseinhibitoren) sinnvoll.

Die diskrepanten Leitlinienempfehlungen zu therapeutischen Maßnahmen betreffen unter anderem das Schmerzmanagement von Frakturen, den Lebensstil mit konkreten Hinweisen für die Ernährung und Nährstoffzugabe sowie spezifische Maßnahmen für das körperliche Training und die Sturzprophylaxe. Zudem fanden sich in den Leitlinien differenzierte Empfehlungen zu den Indikationen für eine osteoporosespezifische Therapie und Empfehlungen zu Romosozumab, einem Wirkstoff der bisher noch nicht in der DMP-A-RL genannt wird.

Die aktuelle Leitlinie DVO 2023 enthält Empfehlungen zum Einsatz des neuen DVO-Frakturrisikorechners, mit dem das Frakturrisiko von Betroffenen durch Ärztinnen und Ärzten effektiver als bisher bestimmt werden kann. Unklar ist bislang allerdings, welche konkreten Vorteile der Rechner für die Versorgung der Betroffenen im Vergleich zu bereits etablierten Risikorechnern wie FRAX Rechner oder QFracture Score bietet.

Strukturierte Versorgung ist wichtig

Die enge Kooperation der Versorgungssektoren ist ein wichtiger Aspekt, zu dem vier eingeschlossene Leitlinien (DVO 2023, EULAR 2021, NOGG 2021, SIGN 2021) Empfehlungen für einen Fracture Liaison Service (FLS), also die strukturierte Zusammenarbeit aller Beteiligten, liefern

Nur ein geringer Anteil der Patientinnen und Patienten in Deutschland erhält nach einer Fragilitätsfraktur bisher auch eine konsequente Osteoporose-Diagnostik und -Behandlung. Die Versorgung der Betroffenen lässt sich aber durch die strukturierte intersektorale Zusammenarbeit von Krankenhäusern und ambulanter Versorgung erheblich verbessern. Der FLS bietet ein wirksames Konzept dafür und gewährleistet einen koordinierten Übergang der Patientinnen und Patienten von der stationären in die ambulante Osteoporose-Behandlung.

Bisher ist die FLS in Deutschland nicht flächendeckend etabliert und die bestehenden FLS arbeiten nicht nach einheitlichen Standards. Aktuell wird das Projekt FLS-CARE durch den Innovationsausschuss beim G-BA gefördert. Die Ergebnisse des Projekts könnten ggf. auch für die Weiterentwicklung des DMP Osteoporose genutzt werden.

Zum Ablauf der Berichterstellung

Der G-BA hat das IQWiG am 10. Mai 2023 mit einer Leitliniensynopse zur Aktualisierung des DMP Osteoporose beauftragt. Die vorläufigen Ergebnisse, den sogenannten Vorbericht, hat das IQWiG im Februar 2024 veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. Bis Mitte März konnten schriftliche Stellungnahmen eingereicht werden. Nach Ende des Stellungnahmeverfahrens wurde der Bericht überarbeitet und im Mai 2024 als Abschlussbericht an den Auftraggeber versandt. Die eingereichten schriftlichen Stellungnahmen zum Vorbericht werden zeitgleich mit dem Abschlussbericht publiziert. In die Bearbeitung des Projekts hat das Institut einen externen Sachverständigen eingebunden.

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Gesundheitsinformation: Osteoporose