Nature Communications: Forschungsteam gewinnt neue Erkenntnisse über Fettstoffwechsel
Fette, die wichtigsten Energiespeicher im menschlichen Körper, werden in so genannten Lipid Droplets in den Zellen gespeichert. Über deren Funktionsweise ist noch recht wenig bekannt. Ein Team um die Biologin Bianca Schrul von der Universität des Saarlandes hat nun Erkenntnisse über ein bestimmtes Protein in der Hülle dieser Lipid Droplets gewonnen. Dies öffnet die Tür für weitere Forschungen, welche auch dabei helfen könnten, Stoffwechselerkrankungen besser zu verstehen.
Die Studie wurde im renommierten Fachmagazin Nature Communications veröffentlicht.
Im Sommer, am Strand und in knapper Sommerbekleidung, werden die Sünden der gemütlichen Winterabende auf der Couch mit Schokolade und Gebäck wieder besonders gut sichtbar. Und dann ist jetzt auch noch Grillsaison, wo nicht nur die Würstchen lecker schmecken, sondern auch das Baguette und der Nudelsalat. Ein Teufelskreis, der an Bäuchen und Hüften seine Spuren hinterlässt: Fettpölsterchen und manchmal auch ausgewachsene Polster sind die Folge. Doch was dank unserer Überflussgesellschaft heutzutage eher schlecht für unsere Gesundheit ist, ist evolutionär betrachtet durchaus sinnvoll: In den Polstern speichert der Körper Energie für Hungerzeiten. Denn „im Krieg und in der Hungersnot sind die Dicken dünn und die Dünnen tot“, wie der Volksmund weiß.
Im Körper wird die Energie überwiegend in so genannten Lipid Droplets, kleinen Fettspeichern innerhalb der Zellen, eingelagert. Bisher hat die Wissenschaft diesen Kügelchen im Gewirr der Zellbestandteile (Organellen) keine größere Bedeutung zugemessen. Energie, meist aus Kohlehydraten, wird in Fett umgewandelt, Fett wird in den Lipid Droplets verwahrt und bei Bedarf wieder ausgepackt, fertig. Im Konzert der Forschung rund um die Zellen waren die Lipid Droplets bisher eher die Triangel als die Erste Geige.
Angesichts der fundamentalen Bedeutung der Fetteinlagerung für unser Leben und vieler Krankheiten, die mit einer Fehlregulation des Fettstoffwechsels einhergehen, ist dies erstaunlich. Das dachten sich auch Bianca Schrul und weitere Kolleginnen und Kollegen der Universität des Saarlandes und des University College London. Dass der Mechanismus rund um die Fetteinlagerung komplexer als angenommen ist, hat die Professorin für Medizinische Biochemie mit einem interdisziplinären Team aus Biochemie, Physikalischer Chemie und Theoretischer Physik nun nachweisen können.
Im Fokus ihrer Arbeit, die jüngst im renommierten Fachmagazin Nature Communications veröffentlicht wurde, steht ein Protein namens UBXD8, das in der Hülle der Lipid Droplets zu finden ist. Proteine spielen in den Zellen eine wichtige Rolle, indem sie zum Beispiel dafür sorgen, dass Botenstoffe und Energie in die einzelnen Zell-Organellen und in die Zellen insgesamt hinein- und herausgelangen. Das Besondere an Proteinen wie UBXD8 ist, dass sie sowohl im Endoplasmatischen Retikulum (ER), einer netzartigen Struktur in der Zelle, als auch in der Hülle der Lipid Droplets eine Funktion haben. Lipid Droplets entstehen im ER, indem sie sich von dessen Membran ausstülpen und so als kleine Fettspeicher-Kugeln abschnüren.
„Dabei entsteht eine ganz besondere Architektur in diesen Organellen, die wir ansonsten bei keinen anderen Organellen in der Zelle finden“, unterstreicht Bianca Schrul eine Besonderheit im Aufbau der Lipid Droplets. „Normalerweise sind Organellen von einer Phospholipid-Doppelschicht umgeben. Lipid Droplets dagegen bestehen aus einem Kern aus Fetten, der nur von einer Einzelschicht umgeben ist, also quasi einer halben Membran, wenn man so will.“
Den aktuell geltenden Forschungsstand, dass UBXD8 eher passiv, also ohne weiteren äußeren Einfluss, ohne große Formveränderungen, von der Membran des ER in die Membran der Lipid Droplets integriert wird, konnte das Forschungsteam um Bianca Schrul nun erstmals experimentell widerlegen.
Denn UBXD8, das bedingt durch seine Form zu der Familie von sogenannten „Haarnadel-Proteinen“ gehört, wandert nicht einfach passiv mit, wenn sich das Lipid Droplet am ER bildet. Viel mehr verändert es seine Form beträchtlich während dieses Prozesses. „Das passiert also nicht einfach so spontan“, erläutert Bianca Schrul. Es muss mehr hinter der Verteilung von UBXD8 zwischen den verschiedenen Organellen stecken als bisher gedacht; der Vorgang ist also gezielt und verläuft geplant im Körper ab. Interessanterweise bieten diese Erkenntnisse eine neue Erklärungsgrundlage für die Beobachtung, dass manche Proteine effizienter zu den Lipid Droplets wandern als andere. Es scheint also durchaus regulierende Elemente in diesem Prozess zu geben, die für einen gesunden Fettstoffwechsel in unserem Körper von großer Bedeutung sein könnten.
Wie das Team um Bianca Schrul darauf kommt, verdeutlicht die Wissenschaftlerin anhand ihrer Beobachtungen, die dem Team nun weltweit erstmals gelungen sind, und zwar dank der Zusammenarbeit verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen. „Es wurde immer angenommen, dass Proteine wie UBXD8 wie eine spitze Haarnadel in der ER-Membran sitzen. Das spitze untere Ende steckt dabei im Inneren der Membran, die beiden oberen Enden des V schauen außen heraus.“ Nun ist die ER-Membran als Doppelschicht aber doppelt so dick wie die Einzelschicht-Membran der Lipid Droplets. Demzufolge ging man bisher davon aus, dass UBXD8 quasi nur in eine Hälfte der ER-Membran integriert ist, was es dem Protein erlauben würde, relativ passiv zur dünnen Lipid-Droplet-Membran zu wandern, ohne dabei seine Form zu verändern. „Allerdings“, führt Bianca Schrul weiter aus, „haben wir in unseren biochemischen Experimenten gesehen, dass UBXD8 unterschiedlich in den beiden verschiedenen Membranen sitzt. Das hat uns die ersten Hinweise geliefert, dass es strukturelle Veränderungen im Protein geben muss, wenn es vom ER zu den Lipid Droplets wandert.“
Daraufhin hat Bianca Schrul die Arbeitsgruppe um Jochen Hub gebeten, anhand verschiedener Parameter zu simulieren, wie das Protein vom ER in die Droplets wandert. Jochen Hub, Professor für Theoretische Biophysik an der Universität des Saarlandes, ist Experte für aufwändige Computersimulationen, die die Abläufe im Körper widerspiegeln.
Dessen Simulationen brachten ein überraschendes Ergebnis hervor. „Die Simulationen von Jochen Hub haben ergeben, dass das Protein womöglich sehr viel tiefer in der ER-Membran sitzt, als wir es zuvor angenommen haben, in den Droplets hingegen eher ‚plattgedrückt‘ an der Oberfläche der Membran sitzen muss“, erläutert Bianca Schrul. Das Protein, so die Computersimulation, muss also mit Energieaufwand seine Struktur verändern, indem das untere, spitze Ende des „V“ quasi nach oben gedrückt wird, sodass eine flachere Struktur entsteht.
In einem nächsten Arbeitsschritt hat das Team diese theoretischen Erkenntnisse gleich experimentell überprüft. An dieser Stelle kommt die Arbeitsgruppe von Christopher Kay ins Spiel, der an der Universität des Saarlandes als Professor für Physikalische Chemie eine starke Expertise für Elektronen-Spin-Resonanz Spektroskopie mitbringt und überdies noch am University College London arbeitet. Zusammen konnten die Arbeitsgruppen um Bianca Schrul und Christopher Kay die theoretischen Annahmen bestätigen und beobachten, dass die von Jochen Hubs Arbeitsgruppe simulierte Verformung des Haarnadel-Proteins tatsächlich auch in der Praxis stattfindet.
Aber warum ist ein solch winziges Detail so wichtig, dass es in einem hochkarätigen Journal aus der „Nature“-Familie publiziert wird? „Für Nicht-Fachleute dürfte sich unsere Arbeit ziemlich unbedeutend anhören. Aber wir konnten hier weltweit erstmals eine experimentelle Grundlage schaffen, um herauszufinden, wie Proteine tatsächlich in den beiden verschiedenen Arten von Membranen sitzen und welche Strukturveränderungen es in den Proteinen geben kann, wenn sie zu den Lipid Droplets migrieren. Das war bisher gänzlich unbekannt und könnte ein Ausgangspunkt dafür sein, um sich weitere Proteine anzuschauen, die in der Hülle der Droplets zu finden sind“, so Bianca Schrul über die Bedeutung der Arbeit. „So verstehen wir mehr über die grundlegenden Mechanismen unseres Stoffwechsels, was wiederum Voraussetzung dafür ist, dass später vielleicht wirksame Therapien gegen Krankheiten des Fettstoffwechsels entwickelt werden können“, führt die Wissenschaftlerin weiter aus.
Denn ein paar Pölsterchen mehr nach einem genussreichen Sommer am Gartengrill sind nicht das Problem. Schwere Leiden wie zum Beispiel Adipositas, das Entwickeln einer Fettleber und diverse Herz-Kreislauf-Erkrankungen dürften hingegen Grund genug sein, die Bedeutung der Grundlagenforschung auf diesem Gebiet zu erkennen.
Die Arbeit entstand im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 1027 „Physikalische Modellierung von Nichtgleichgewichts-Prozessen in biologischen Systemen”, in dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen der Frage auf den Grund gehen, welche physikalischen Prinzipien diverse dynamische Prozesse in unseren Zellen steuern.
Originalpublikation:
Dhiman, R., Perera, R.S., Poojari, C.S. Wiedemann H.T.A., Kappl R., Kay C.W.M., Hub J.S., Schrul B. Hairpin protein partitioning from the ER to lipid droplets involves major structural rearrangements. Nat Commun15, 4504 (2024). https://doi.org/10.1038/s41467-024-48843-8