Depression
Antiepileptika in der Schwangerschaft – Autismus beim Kind?
Original Titel:
Risk of Autism after Prenatal Topiramate, Valproate, or Lamotrigine Exposure
Kurz & fundiert
- Antiepileptika: Wichtige Medikamente, aber auch sicher in der Schwangerschaft?
- Risiko für Entwicklungsstörungen wie Autismus-Spektrum?
- Analyse über Millionen Kinder mit oder ohne Antiepileptika in der Schwangerschaft in den USA
- Antiepileptika Valproat, Topiramat, Lamotrigin
- Ohne Antiepileptika: Autismus-Spektrum-Störung bei 1,9 % der 8-jährigen Kinder
- Risiko mit Valproat um Faktor 2,67 erhöht, kein höheres Risiko mit Topiramat oder Lamotrigin
Antiepileptika sind nicht nur bei einer bestehenden Epilepsie wichtige Medikamente. Manche der Wirkstoffe, wie Topiramat, kommen bei der Migräne als Prophylaxe-Medikation zum Einsatz, andere Wirkstoffe, wie Valproat (Valproinsäure) oder Lamotrigin, können dagegen als Stimmungsstabilisatoren bei der Bipolaren Störung angewandt werden. Beide Erkrankungen treten meist bereits in jungen Jahren zum Vorschein – Migräne nicht selten bereits in der Pubertät, die Bipolare Störung oft im Jugend- oder jungen Erwachsenenalter. Die Mittel kommen zudem auch bei vielen Frauen zum Einsatz: Epilepsie und Bipolare Störung sind vergleichbar häufig bei Männern und Frauen, Migräne dagegen betrifft nach aktuellen Schätzungen etwa jede 3. Frau. Die Sicherheit in der Schwangerschaft ist daher bei Antiepileptika ein wichtiges Thema.
Antiepileptika: Wichtige Medikamente, aber auch sicher in der Schwangerschaft?
Die Einnahme von Valproat in der Schwangerschaft erhöht das Risiko für Entwicklungsstörungen des Nervensystems beim Kind, zeigten bereits frühere Studien. Dieses Medikament wird daher Frauen im gebärfähigen Alter möglichst nicht mehr verschrieben. Auch für Männer mit Kinderwunsch wird mittlerweile vor einer Valproat-Behandlung gewarnt. Zu anderen Antiepileptika liegen jedoch nur begrenzt Daten vor. Wissenschaftler untersuchten nun speziell das Risiko für eine Autismus-Spektrum-Störung bei Kindern, deren Mütter in der Schwangerschaft mit den Antiepileptika Valproat, Topiramat oder Lamotrigin behandelt worden waren. Die Autoren identifizierten eine bevölkerungsbasierte Kohorte schwangerer Frauen sowie ihrer schließlich geborenen Kinder aus zwei medizinischen Datenbanken in den USA. Die Analyse umfasste Daten aus den Jahren 2000 – 2020. Ob eine Behandlung mit einem spezifischen Antiepileptikum erfolgte, ermittelten die Autoren anhand eingelöster Verschreibungen ab Schwangerschaftswoche 19 bis zur Geburt. Kinder, die dem Wirkstoff Topiramat während der zweiten Schwangerschaftshälfte ausgesetzt waren, wurden mit Kindern verglichen, deren Mütter nicht mit Antiepileptika behandelt worden waren. Als positive Kontrolle dienten Kinder, die Valproat ausgesetzt worden waren, als negative Kontrolle diente eine Behandlung mit Lamotrigin in der Schwangerschaft.Analyse über Millionen Kinder mit oder ohne Antiepileptika in der Schwangerschaft
Die Analyse umfasste 4 199 796 Kinder, deren Mütter nicht während der Schwangerschaft mit einem Antiepileptikum behandelt worden waren. Aus Schwangerschaften mit Antiepileptikum-Therapie konnten Entwicklungen von 209 881 Kindern betrachtet werden. Die geschätzte kumulative Inzidenz von Autismus-Spektrum-Störungen bei 8-jährigen Kindern lag ohne Antiepileptika in der Schwangerschaft bei 1,9 %.Ohne Antiepileptika: Autismus-Spektrum-Störung bei 1,9 % der 8-jährigen Kinder
Die Wissenschaftler analysierten schließlich gezielt Frauen mit Epilepsie. Bei diesen entwickelten 4,2 % der Kinder (n = 8 815) ohne Antiepileptika eine Autismus-Spektrum-Störung. Mit Topiramat kam es bei 6,2 % der Kinder (n = 1 030) zu einer solchen Diagnose, mit Lamotrigin bei 4,1 % (n = 4 205), mit Valproat dagegen bei 10,5 % der Kinder (n = 800). Zur Ermittlung des Risikos für eine Autismus-Spektrum-Störung je nach Medikation berechneten die Autoren Hazard ratios (HR) im Vergleich zu einer Schwangerschaft ohne antiepileptische Medikation. Wurde Topiramat eingesetzt, wurde kein erhöhtes Risiko festgestellt (HR: 0,96; 95 % Konfidenzintervall, KI: 0,56 – 1,65). Eine Behandlung mit Valproat erhöhte das Risiko hingegen um mehr als das doppelte (HR: 2,67; 95 % KI: 1,69 – 4,20). Wurden die Schwangeren mit Lamotrigin behandelt, wurde jedoch kein erhöhtes Risiko im Vergleich zu keinen Antiepileptika festgestellt (HR: 1,00; 95 % KI: 0,69 – 1,46).Risiko mit Valproat um Faktor 2,67 erhöht, kein höheres Risiko mit Topiramat oder Lamotrigin
Die Studie demonstrierte somit ein höheres Risiko für Autismus-Spektrum-Störungen bei Kindern, deren Mütter während der Schwangerschaft mit Antiepileptika behandelt worden waren. Jedoch blieb dieses Risiko bei detaillierter Betrachtung lediglich mit dem Wirkstoff Valproat bestehen.© Alle Rechte: HealthCom