„Neuroendokrine Tumoren sind Meister der Tarnung!“
Das Zentrum für Neuroendokrine Tumoren des UKM ist von der „European Neuroendocrine Tumor Society“ (ENETS) als spezialisiertes Behandlungszentrum zertifiziert worden. Als überregionale Anlaufstelle ermöglicht es die optimale Versorgung von Patientinnen und Patienten, die wie Bruno Köhler an dieser seltenen Krebserkrankung leiden.
„Wenn man Hufgetrappel hört und es nach Pferd riecht, handelt es sich höchstwahrscheinlich um ein Pferd – aber eben nicht immer. Manchmal ist es auch ein Zebra.“ Bruno Köhler weiß, dass das Wahrscheinliche zwar naheliegend ist, es aber auch Ausnahmen gibt, mit denen kaum jemand rechnet. Bereits seit 13 Jahren ist der 61-Jährige aus Steinfurt-Borghorst wegen eines neuroendokrinen Tumors (NET) in Behandlung. „Wie Zebras sind auch NET sehr selten und genauso individuell. Und sie können sich gut verstecken. Neuroendokrine Tumoren sind Meister der Tarnung“, so der Diplom-Ingenieur für Hochfrequenztechnik. Und weil die Erkrankung so selten ist, werde sie häufig erst spät erkannt. „Man muss wissen, wonach man suchen muss, um sie zu entdecken.“ Nach einer langen Odyssee kam Köhler zur Behandlung zu den Spezialistinnen und Spezialisten des NET-Zentrums am UKM (Universitätsklinikum Münster), das jetzt von der „European Neuroendocrine Tumor Society“ als ENETS CoE (Center of Excellence) zertifiziert worden ist.
Deutschlandweit gibt es derzeit 14 solcher Behandlungszentren, die von der ENETS als Exzellenzzentrum ausgezeichnet worden sind. Hier arbeiten alle an Diagnostik und Therapie beteiligten Spezialistinnen und Spezialisten der verschiedenen Fachbereiche wie zum Beispiel der Endokrinologie, Chirurgie, Gastroenterologie, Nuklearmedizin, Onkologie, Radiologie und Pathologie eng zusammen. „Gerade bei den NET ist der intensive Austausch der Kolleginnen und Kollegen der verschiedenen Disziplinen besonders wichtig, denn die Erkrankung hat viele Gesichter und entsprechend unterschiedlich sind auch die Therapien“, erläutert Prof. Andreas Pascher, Direktor der Chirurgischen Klinik am UKM, stellvertretender Direktor des WTZ (Westdeutsches Tumorzentrum) Münster und Leiter des jetzt ausgezeichneten ENETS-Zentrums. „NET können an vielen Stellen im Körper auftreten“, ergänzt Dr. Elena Vorona, Leiterin des Funktionsbereichs Endokrinologie in der Medizinischen Klinik B am UKM und Koordinatorin des ENETS-Zentrums. Es handelt sich dabei um Tumoren, die in speziellen Zellen entstehen, die sowohl Nervenzellen als auch hormonproduzierenden Zellen ähneln – daher der Name“, so die Medizinerin weiter. Sie können Hormone und andere Substanzen in den Blutkreislauf abgeben, was dann zu einer Vielzahl unterschiedlicher Symptome führen kann. „Die Erkrankung ist zwar nicht vollständig heilbar, aber wenn sie frühzeitig diagnostiziert und behandelt wird, lassen sich das Tumorwachstum und auch die Hormonproduktion häufig so weit hemmen, dass die Betroffenen gut damit leben können“, betont Vorona. Welche Therapieoption für die Patientin oder den Patienten jeweils am erfolgversprechendsten ist, wird fachübergreifend in der wöchentlich am UKM stattfindenden NET-Tumorkonferenz diskutiert.
„Die Auszeichnung als Exzellenzzentrum ist ein wichtiger Nachweis für die Betroffenen, dass wir am UKM alle Voraussetzungen erfüllen, um sie auf dem aktuellsten Stand von Wissenschaft und Forschung bestmöglich zu betreuen“, verweist die Endokrinologin auf die Bedeutung des Zertifikats. Durch die Einbindung in den europäischen Verbund öffne es zudem die Türen für die internationale Zusammenarbeit mit anderen ENETS-Zentren und ermögliche Zugang zur Teilnahme an weiteren innovativen Studien.
„Das schafft neue Perspektiven“, weiß auch Bruno Köhler, der mehrere Jahre ehrenamtlich in der Regionalgruppe Münsterland des Netzwerks Neuroendokrine Tumoren (NeT) e.V. aktiv war und sich als Mitglied des WTZ-Patientenbeirats in Essen und Münster engagiert, um ein Bewusstsein für diese seltene Erkrankung zu schaffen. „Es geht um den Austausch von Informationen, damit im Ernstfall keine wertvolle Zeit verloren geht!“
Um den Austausch von Informationen geht es auch beim 21. Überregionalen Neuroendokrinen Tumortag, den das Netzwerk Neuroendokrine Tumoren (NeT) e.V. in Kooperation mit dem UKM vom 13. bis zum 15. September 2024 in Hamm veranstaltet. Die wissenschaftliche Leitung übernehmen Prof. Andreas Pascher (Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie, UKM) sowie Dr. Elena Vorona zusammen mit Prof. Jonel Trebicka (Medizinische Klinik B, UKM). Die Teilnehmenden erwartet ein interessantes Programm mit informativen Vorträgen rund um Diagnostik und Behandlung von NET sowie Workshops zum Vertiefen der Inhalte und Klärung individueller Fragen. Weitere Informationen: www.netzwerk-net.de