Behandlungsresistente Depression: Vagusnervstimulation kann EKT-Bedarf senken

Original Titel:
Vagus nerve stimulation allows to cease maintenance electroconvulsive therapy in treatment-resistant depression: a retrospective monocentric case series

 
Kurz & fundiert
  • Behandlungsresistente Depression in EKT-Therapie: Was kann Vagusnervstimulation beitragen?
  • Monozentrische, retrospektive Fallserie mit 7 Patienten
  • Mindestens Halbierung der Depressionsschwere bei 5/7 Patienten
  • Reduktion von EKT-Bedarf und Medikamenteneinnahmen
  • Vielversprechende Langzeitoption bei Depression mit Therapieresistenz und EKT-Bedarf
  MedWiss Eine monozentrische, retrospektive Fallserie mit 7 Patienten demonstriert die Vagusnervstimulation (VNS) als gute Option zur Behandlung therapieresistenter Depression mit Erhaltungs-Elektrokonvulsionstherapie (EKT). Patienten konnten meist Medikamente und die Zahl der notwendigen EKT-Behandlungen reduzieren, teils sogar über Jahre auf EKT verzichten.
Die Stimulation des Vagusnervs (VNS) wird besonders im Kontext therapieresistenter Depression diskutiert. So wurde vermutet, dass VNS helfen könnte, die elektrokonvulsive Therapie (EKT) bei behandlungsresistenter Depression zu reduzieren oder beenden. Ziel der vorliegenden Studie war es, zu ermitteln, wie wirksam VNS zur Reduktion von EKT-Sitzungen und Stimmungsstabilisierung ist. Die Wissenschaftler betrachteten dazu rückblickend Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit von VNS bei behandlungsresistenter Depression nach Erhaltungs-EKT. Zweites Ziel der Studie war es, die aktuelle Wahrnehmung von EKT und VNS als Behandlungsoptionen bei Depression von Seiten der Behandler zu ermitteln.

Behandlungsresistente Depression in EKT-Therapie: Was kann Vagusnervstimulation beitragen?

Die Autoren führten eine monozentrische, retrospektive Fallserie mit Patienten durch, die an behandlungsresistenter Depression litten, mit EKT behandelt wurden und für eine VNS weiter überwiesen wurden. Die Analyse umfasste Zahl und Häufigkeit der EKT-Sitzungen bevor und nach der VNS-Implantierung. Darüber hinaus betrachteten die Autoren den Depressionsschweregrad (Montgomery Åsberg Depression Rating Scale, MADRS), die Zahl pharmakologischer Behandlungen, Dosierung der Basismedikation und die Dauer des Krankenhausaufenthalts vor und nach der VNS. Zusätzlich führten die Wissenschaftler eine anonyme Umfrage unter Psychiatern und anderen Behandlern zum Wissen und zur Wahrnehmung von VNS-Therapie bei behandlungsresistenter Depression durch.

Monozentrische, retrospektive Fallserie mit 7 Patienten

Die Behandlung mittels VNS umfasste die Implantierung der Stimulationsspule um den Nerv in Vollnarkose. Die Stimulation wurde zwischen 1 bis 16 Wochen nach der Operation aktiviert. Die Intensität der Stimulation wurde graduell erhöht, um die Wirksamkeit zu maximieren und zugleich die Nebenwirkungen zu minimieren. Seit März 2017 erhielten 7 Patienten (6 Frauen) ein VNS-Implantat zur Behandlung therapieresistenter Depression. Von diesen Patienten litten 5 an der Bipolaren Störung (Typ I: n = 3; Typ II: n = 2), 2 Patienten litten an unipolarer Depression. Das durchschnittliche Alter der Patienten war 51 Jahre (22 – 74 Jahre). Bei 3 Patienten lagen zusätzliche psychiatrische Diagnosen (Anorexie, generalisierte Angststörung, Substanzmissbrauchsstörung) vor. Im Mittel fand die VNS-Behandlung 13 Jahre (5 – 23 Jahre) nach der ursprünglichen Diagnose statt. Zum Zeitpunkt der OP erhielten alle Patienten mehrere medikamentöse Behandlungen mit Antidepressiva, Stimmungsstabilisatoren und Neuroleptika. Bei 4 der 7 Patienten kamen mehr als 10 verschiedene Substanzen zum Einsatz. 6 Patienten wurden zum Zeitpunkt der OP mit EKT in der Erhaltungstherapie behandelt. Alle Patienten wurden über mindestens 2 Jahre nach der Implantation nachbeobachtet (Durchschnitt: 43,9 Monate +/− 14,3 Monate). Im Schnitt waren die Geräte für 36 Monate aktiv (12 – 64 Monate), mit 6 immer noch aktiven VNS-Geräten beim letzten Nachsorgetermin.

Mindestens Halbierung der Depressionsschwere bei 5/7 Patienten, Reduktion des EKT-Bedarfs

Bei 5 Patienten (71 %) wurde der Depressionsschweregrad (MADRS) um mindestens 50 % relativ zum Studienbeginn reduziert (gutes Ansprechen). Nach der VNS-Behandlung konnte bei 3 Patienten (43 %) die Erhaltungs-EKT beendet werden, zum letzten Nachsorgetermin hatten 4 Patienten (57 %) die EKT beendet. Bei 3 weiteren Patienten (43 %) waren anschließend weniger häufige EKT-Sitzungen nötig. Vor der VNS-Behandlung wurden diese Patienten im Schnitt alle 2,9 Wochen (+/- 0,8 Wochen) mit EKT behandelt, nach der VNS-Behandlung im Schnitt alle 14,7 Wochen (+/− 9,8 Wochen). Alle bis auf einen Patienten (der nur 2 Medikamente nahm) konnten die Zahl ihrer pharmakologischen Therapien reduzieren. Es kam bei einem Patienten zu kurzfristigen Komplikationen (vorübergehende Stimmveränderung), 2 Patienten erlebten längerfristige Komplikationen, die in einem Fall mit erneuter OP und Neupositionierung der VNS-Spule, im anderen Fall mit einem Herzschrittmacher gelöst werden konnten.

Vielversprechende Langzeitoption bei Depression mit Therapieresistenz und EKT-Bedarf

Die Autoren schließen, dass VNS eine gute Option zur Behandlung therapieresistenter Depression mit Erhaltungs-EKT darstellt – Patienten könnten häufig die Zahl der notwendigen EKT-Behandlungen reduzieren. Größere Studien zu VNS bei Depression werden derzeit durchgeführt und sollen das Verständnis der Relevanz von VNS bei Depression weiter vertiefen.

© Alle Rechte: HealthCom