Wie sich geburtshilfliche Interventionen auf das Geburtserleben auswirken

Mit Hilfe des Child Birth Experience Questionnaire (CEQ2) wurde untersucht, wie medizinische Interventionen das individuelle Geburtserleben beeinflussen. Das Gesamterleben wurde positiv bewertet / Veröffentlichung in „BMC Pregnancy and Childbirth“

In einer aktuellen Studie von Wissenschaftler*innen aus Köln, Düsseldorf und Bonn wurden deutschlandweit Mütter in einem Zeitraum von acht und zwölf Monaten nach der Geburt ihrer Kinder gefragt, wie sie die Erfahrungen der „eigenen Fähigkeiten“, „professioneller Unterstützung“, „wahrgenommener Sicherheit“ und „Beteiligung“ während der Geburt bewerten. Die höchste Zufriedenheit in allen vier Bereichen wurde für die vaginale Geburt ohne medizinischen Eingriff festgestellt. Insgesamt bewerteten die Frauen das Geburtserleben mit durchschnittlich 3,09 Punkten von maximal 4 Punkten eher positiv. Nach geburtshilflichen Interventionen gaben die Frauen jedoch signifikant niedrigere Zufriedenheitswerte an. Fünf Prozent der Befragten gaben ein insgesamt negatives Geburtserleben an. Die Studie „Obstetric interventions‘ effects on the birthing experience“ wurde in der Fachzeitschrift “BMC Pregnancy and Childbirth” veröffentlicht.

Trotz der gesellschaftlichen Relevanz und der Bedeutung für die betroffenen Frauen gibt es für Deutschland bisher nur wenige wissenschaftliche Studien, die sich mit der geburtshilflichen Versorgung in Krankenhäusern und dem Thema „Erleben von Gewalt unter der Geburt aus Sicht der Frauen“ befassen. Die Studie, in der die Daten von 852 Müttern ausgewertet wurden, ist Teil des Projekts MAM-Care, das sich mit Bedürfnissen, Partizipation und Sicherheit in der geburtshilflichen Versorgung in Deutschland beschäftigt.
„Empowerment und eine gute Zusammenarbeit zwischen dem geburtshilflichen Team und den Gebärenden sind besonders bei geburtshilflichen Interventionen notwendig, da hier Frauen unzufriedener mit dem Geburtserleben sind“, sagt Studienleiterin Professorin Dr. Nadine Scholten, die die Arbeit am Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationsforschung (IMVR) der Universität zu Köln durchführte und nun die Professur für psychosomatische und psychoonkologische Versorgungsforschung an der Universität Bonn besetzt sowie die Forschungsstelle für Gesundheitskommunikation und Versorgungsforschung des Universitätsklinikums Bonn leitet.

Als geburtshilfliche Interventionen wurden der manuelle Fundusdruck (Druck auf den Bauch), der ungeplante Kaiserschnitt, der Dammschnitt und die vaginal-operative Geburt (Saugglocke/Zange) definiert. Ungeplante Kaiserschnitte erhielten die niedrigsten Werte für „eigene Fähigkeiten“ und „wahrgenommene Sicherheit“, während die vaginal-operative Geburt niedrigere Werte als der ungeplante Kaiserschnitt in den Bereichen „professionelle Unterstützung“ und „Beteiligung“ erhielt. Im Allgemeinen bewerteten Frauen, die per Kaiserschnitt oder vaginal-operativ entbunden hatten, die Dimension „eigene Fähigkeiten“ niedriger als Frauen, die einen Fundusdruck oder einen Dammschnitt hatten.

Es zeigte sich jedoch auch, dass negative Erfahrungen in einer Dimension des Fragebogens durch positive Erfahrungen in einer anderen Dimension ausgeglichen werden konnten, was den Autor*innen zufolge die Bedeutung von Unterstützung und Beteiligung unterstreicht. „Die Förderung der Selbstwirksamkeit, der Kontakt, die Unterstützung und die Linderung von Ängsten können zu einer positiven Geburtserfahrung trotz Interventionen beitragen“, fügt Anna Volkert, Erstautorin der Publikation hinzu.
In jedem Fall sei weitere Forschung notwendig, um die ungeklärte Varianz der Geburtserfahrungen zu untersuchen, wobei die Forschenden den Schwerpunkt auf Empowerment und Unterstützung legen wollen. Sie empfehlen, gemeinsam mit den geburtshilflichen Teams Strategien zu entwickeln, um negative Geburtserfahrungen im Falle notwendiger Interventionen zu minimieren.

Originalpublikation:

https://bmcpregnancychildbirth.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12884-024-066…