Magdeburger Krebsforscher entschlüsseln wichtige Schaltstelle zwischen Entzündung und Blutkrebs
Granulozyten als Ursache für starke Entzündungen und Komplikationen bei bestimmten Blutkrebsarten identifiziert.
Ein Team aus dem Bereich der Hämatologie an der Universitätsmedizin Magdeburg hat eine wegweisende Entdeckung gemacht, die das bisherige Verständnis von Entzündungen und Blutkrebs revolutionieren könnte. Das Forschungsteam um die Professoren Dr. med. Thomas Fischer und Dr. med. Dimitrios Mougiakakos von der Universitätsklinik für Hämatologie, Onkologie und Zelltherapie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg haben die Rolle von Blutabwehrzellen, sogenannten Granulozyten, als Vermittler starker Entzündungsreaktionen bei bestimmten Formen von Blutkrebs identifiziert. Die Ergebnisse zur Entschlüsselung dieser wichtigen Schaltstelle wurden in der renommierten Fachzeitschrift Journal of Hematology and Oncology veröffentlicht und eröffnen neue Möglichkeiten für verbesserte Therapieansätze.
Entzündungsreaktionen treten besonders bei Patientinnen und Patienten mit Myeloproliferativen Neoplasien (MPN) auf, zu denen Polyzythämia vera, Essentielle Thrombozytose und Myelofibrose zählen. MPN-Erkrankungen sind seltene bösartige Bluterkrankungen, die häufig von Symptomen wie Fieber, übermäßigem Nachtschweiß, unerträglichem Juckreiz sowie Komplikationen wie Thrombosen und Schlaganfällen begleitet werden. Bislang waren die Ursachen dieser Entzündungsreaktionen und Komplikationen unzureichend bekannt.
In der aktuellen Studie untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um die Erstautoren Dr. Ronny Haage und Manos Charakopoulos die molekularen Veränderungen, die Granulozyten so manipulieren, dass sie verstärkt entzündungsfördernde Botenstoffe wie Interleukin-1 (IL-1) produzieren und der Stoffwechsel der Granulozyten verändert wird. „Besonders interessant war die Entdeckung, dass die Granulozyten so verändert werden, dass sie verstärkt an den Gefäßwänden haften. Diese erhöhte Klebrigkeit der Granulozyten trägt wesentlich zur Bildung von Thrombosen bei“, erläutert Professor Fischer, Leiter der Arbeitsgruppe „Inflammation bei MPN“ an der Universitätsmedizin Magdeburg.
Eine weitere entscheidende Erkenntnis aus der Studie ist, dass diese Veränderungen in den Granulozyten von genetischen Mutationen in den Blutstammzellen abhängen. Untersucht wurden die Mutationen in den Genen der JAK2-Kinase und des Calreticulin-Proteins, die bei der Mehrheit der MPN-Patient:innen nachgewiesen werden. Als nächsten Schritt plant das Forschungsteam zu untersuchen, inwieweit die neuen Erkenntnisse in neue Therapiemöglichkeiten für Patientinnen und Patienten mit MPN eingesetzt werden können.
Professor Fischer betont: „Der Erfolg unserer Studie wurde durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Gesundheitscampus GCI3 der Universitätsmedizin Magdeburg und im Forschungszentrum CHAMP der Universität Magdeburg ermöglicht. Hier konnten wir die Schnittstellen von Hämatologie, Immunologie und Zellbiologie mit innovativer mikroskopischer Bildgebung optimal verbinden.“
Die Studie wurde in Kooperation mit der Medizinischen Hochschule Hannover, dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung Braunschweig, dem Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg und der Universität Cambridge, Cambridge Stem Cell Institute, durchgeführt.
Originalpublikation:
Neutrophil-specific expression of JAK2-V617F or CALRmut induces distinct inflammatory profiles in myeloproliferative neoplasia, in: Journal of Hematology and Oncology (2024), DOI: 10.1186/s13045-024-01562-5