Neuer Impfstoff gegen Gebärmutterhalskrebs soll auch therapeutisch wirken
Ein neuer Impfstoff gegen krebserregende humane Papillomviren (HPV) soll vor allem in Entwicklungsländern dazu beitragen, die Rate an HPV-Impfungen zu steigern. Wissenschaftler im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) haben dazu ein völlig neues Impfkonzept entwickelt. Die Vakzine ist kostengünstig und schützt Mäuse vor fast allen krebserregenden HPV-Typen. Über die Prävention vor Neuinfektionen hinaus löst der Impfstoff auch zelluläre Immunantworten gegen HPV-infizierte Zellen aus und kann daher möglicherweise auch therapeutisch gegen bereits existierende Infektionen wirken.
Der durch bestimmte Typen humaner Papillomviren (HPV) verursachte Gebärmutterhalskrebs ist weltweit die vierthäufigste Krebserkrankung bei Frauen. Die Mehrheit der Fälle wird in weniger entwickelten Ländern diagnostiziert, vor allem in Südostasien, Afrika und Lateinamerika. Die krebserregenden so genannten Risiko-HPV werden vor allem beim Geschlechtsverkehr übertragen. Die Infektionen sind sehr häufig. Man nimmt an, dass bis zu 80 Prozent der Bevölkerung in ihrem Leben mit diesen Viren Kontakt haben. Neben dem Gebärmutterhalskrebs stehen Infektionen mit Risiko-HPV auch im Zusammenhang mit Mund-Rachentumoren, Analkarzinomen und weiteren Krebsarten der Geschlechtsorgane.
Die bisher verfügbaren Impfstoffe gegen die krebserregenden HPV sind gut wirksam, aber mit Einschränkungen verbunden. Sie sind temperaturempfindlich und erfordern daher durchgehend gekühlte Transporte, was in manchen Ländern ein logistisches Problem darstellt. Ihre Produktion ist aufwändig und teuer. Außerdem wirken sie nur gegen einige der krebserregenden HPV-Typen. Vor allen aber zeigen die etablierten HPV Impfstoffe keinerlei therapeutische Effekte auf bereits bestehende Infektionen.
Bei der Entwicklung ihres neuen HPV-Impfstoffs sind Müller und Kollegen die Lösung all dieser Probleme konsequent angegangen. Die Basis dafür war das ebenfalls in Müllers Labor entwickelten „Vorgänger-Modell“ PANHPVAX: Dieser rein prophylaktische Impfstoff hat sich in der klinischen Prüfung der Phase I schon als sicher erwiesen und induziert schützende Antikörper gegen alle krebserregenden HPV sowie auch gegen einige kutane Papillomviren.
Für die Entwicklung von PANHPVAX nutzten die Forscher kleine Fragmente des Proteins L2 von acht verschiedenen HPV-Typen. Diese Fragmente unterscheiden sich zwischen verschiedenen HPV-Typen nur wenig und können daher eine sehr breite Immunantwort auslösen. Um diese Proteinschnipsel immunogen zu machen, wurden sie in ein geeignetes Gerüstprotein eingefügt, das von einem hitzeliebenden Mikroorganismus (Pyrococcus furiosus) stammt.
„In unserer aktuellen Arbeit haben wir PANHPVAX noch eine therapeutische Komponente hinzugefügt, also ein Antigen, das die zelluläre Immunantwort anregt“, erklärt Müller. Dazu wählten die DKFZ-Virologen das Protein E7 der beiden Hochrisiko-Typen HVP16 und 18. Es wird sehr früh im Verlaufe einer HPV-Infektion in den infizierten Zellen gebildet und ist daher ein ideales Ziel einer zelluläre Immunantwort, um infizierte Zellen zu eliminieren. Allerdings ist E7 auch dafür verantwortlich ist, dass sich HPV-infizierte Zellen bösartig verändern. Daher mussten die Forscher das Impfantigen zunächst so modifizieren, dass keine Gefahr mehr davon ausgeht.
In präklinischen Untersuchungen konnte der neue Impfstoff cPANHPVAX in Mäusen neutralisierende Antikörper gegen alle krebserregenden HPV auslösen und gleichzeitig zytotoxische T-Zellen gegen das HPV16-Protein E7 aktivieren.
Diese positiven Ergebnisse ermutigten die Forscher, cPANHPVAX nun unter Bedingungen herzustellen, die den Richtlinien der Guten Herstellungspraxis (GMP) für Arzneimittel entsprechen, um den Impfstoff auch in klinischen Studien einsetzen zu können.
„Unser großes Ziel ist es, weltweit die Impfraten gegen HPV zu steigern, vor allen auch in Ländern, die nur über geringe Ressourcen verfügen. Unser neuer, hitzestabiler Impfstoff ist günstig zu produzieren, schützt vor allen krebserregenden HPV-Typen und kann durch Kombination durch die Integration von E7 möglicherweise bereits existierende Infektionen neutralisieren.“ Um die vielversprechenden Eigenschaften von cPANHPVAX weiter zu untersuchen, entwickeln die Forschenden derzeit ein Konzept für die klinische Prüfung des Vakzins.
Die Entwicklung von PANHPVAX und cPANHPVAX wurde von der Wilhelm Sander-Stiftung gefördert.
Xueer Zhao, Yeru Zhang, Oscar Trejo-Cerro, Ecem Kaplan, Zhe Li, Femke Albertsboer, Neyla El-Hammiri, Filipe Colaco Mariz, Lawrence Banks, Simone Ottonello, Martin Müller: A safe and potentiated multi-type HPV L2-E7 nanoparticle vaccine with combined prophylactic and therapeutic activity
NPJ Vaccines 2024, DOI 10.1038/s41541-024-00914-z.
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:
Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.