KBV-Befragung: Körperliche und verbale Gewalt bedroht zunehmend auch Praxen

Äußerst besorgniserregend sind die Ergebnisse einer Online-Befragung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV): Die Praxen in Deutschland sehen sich häufig und verstärkt mit Formen der verbalen oder körperlichen Gewalt konfrontiert. Die Resonanz auf die Umfrage war mit fast 7.600 Rückmeldungen enorm.

Berlin – Knapp 80 Prozent der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten sowie ihrer Praxisteams gaben an, allein im letzten Jahr verbale Gewalt erlebt zu haben.  Auch körperliche Gewalt ist längst keine Seltenheit mehr und hat im vergangenen Jahr sogar sprunghaft zugenommen. So gaben über 40 Prozent der rund 7.600 an der Umfrage Beteiligten an, in den vergangenen fünf Jahren schon einmal selbst körperliche Gewalt bei der Ausübung ihrer Tätigkeit erlebt zu haben. Von ihnen wurden allein 60 Prozent im vergangenen Jahr Opfer. Die Fälle reichten von Tritten gegen das Schienbein, Schubsen und Spucken bis hin zu schweren Angriffen.

„Die Verrohung der Sitten ist erschreckend“, kommentierte Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der KBV. „Ein gesamtgesellschaftlicher Werteverfall trifft auf ein überlastetes und kaputt gespartes Gesundheitssystem. Außerdem wecken Politik und Krankenkassen zu hohe Ansprüche nach dem Motto ‚Geht zum Arzt, da bekommt ihr alles und das sofort‘“, so der KBV-Chef.

„Insgesamt ist der Ton in unserer Gesellschaft rauer geworden. Die Praxen als Spiegelbild unserer Gesellschaft bilden da keine Ausnahme“, erklärte Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender KBV-Vorstandsvorsitzender. „Bei einer Milliarde Patientenkontakten, die jährlich im ambulanten Bereich zu verzeichnen sind, verhalten sich die meisten immer noch friedlich“, betonte er. In der Regel sei das Verhältnis zwischen Patientinnen und Patienten und ihren Ärztinnen und Ärzten sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten von Nähe und Vertrauen geprägt. „Nichtsdestotrotz ist diese Entwicklung besorgniserregend“, so Hofmeister.

„Die ohnehin angespannten Rahmenbedingungen werden so weiter verschlechtert in der ambulanten Versorgung“, sagte KBV-Vorstandsmitglied Dr. Sibylle Steiner. „Die enorme Resonanz bei der Umfrage unterstreicht die hohe Betroffenheit der Praxen. Vor diesem Hintergrund müssen die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen der konsequenten Handlungs- und Durchsetzungsfähigkeit der staatlichen Vollzugsorgane vertrauen können“, erklärte Steiner.

Alle drei Vorstände begrüßen die Pläne des Bundesjustizministers zur Strafverschärfung bei Angriffen auf Rettungskräfte, Feuerwehr und in Notaufnahmen. „Aber auch die Praxen sind ein wichtiger sozialer Faktor und Teil des Gemeinwohls. Sie bedürfen daher auch eines besonderen Schutzes“, stellten sie klar.

Am heutigen Freitag wird sich auch die Vertreterversammlung der KBV mit dem Thema beschäftigen.

Die Ergebnisse der Befragung finden sich unter folgendem Link: https://www.kbv.de/html/71555.php

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV):

Die KBV vertritt die politischen Interessen der über 187.000 an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärztinnen/Ärzte und Psychotherapeutinnen/Psychotherapeuten auf Bundesebene. Sie ist der Dachverband der 17 Kassen­ärztlichen Vereinigungen (KVen), die die ambulante medizinische Versorgung für 73 Millionen gesetzlich Versicherte in Deutschland sicherstellen. Die KBV schließt mit den gesetzlichen Krankenkassen und anderen Sozial­versicherungsträgern Vereinbarungen, beispielsweise zur Honorierung der niedergelassenen Ärzte und zum Leistungsspektrum der gesetzlichen Kranken­kassen. Die KVen und die KBV sind als Einrichtung der ärztlichen Selbstverwaltung Körperschaften des öffentlichen Rechts. Mehr Informationen unter: www.kbv.de.