Pilzinfektionen erkennen – Behandlungen verbessern
10 Jahre Nationales Referenzzentrum für Invasive Pilzinfektionen in Jena und Würzburg – ein Service für Ärzte zum Wohl der Patienten
Von Charlotte Fuchs
Das Nationale Referenzzentrum für Invasive Pilzinfektionen (NRZMyk) feiert 10-jähriges Bestehen und lud zu diesem Anlass zu einer Festveranstaltung ans Leibniz-HKI nach Jena ein. Das NRZMyk hat Labore in Jena und Würzburg und unterstützt Ärzte bei der Diagnose und Behandlung schwer zu erkennender Pilzinfektionen, die mitunter das Leben bedrohen können.
Genau 79 Patientenproben erreichten 2014 das Nationale Referenzzentrum für Invasive Pilzinfektionen. Es war kurz zuvor unter der Leitung von Prof. Oliver Kurzai am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie (Leibniz-HKI) in Jena neu eingerichtet worden. Die Aufgabe: Die Experten für krankheitsauslösende Pilze sollen den behandelnden Ärzten in schwierigen Fällen helfen, herauszufinden, ob die Patienten tatsächlich an einer Pilzinfektion leiden, um welchen Erreger es sich handelt und womit man ihn am besten bekämpfen kann. Pilzinfektionen sind oftmals nicht auf den ersten Blick erkennbar und die Erreger lassen sich nicht immer aus der Patientenprobe in eine Laborkultur übertragen. Für Ärzte ein Problem: Sie müssen die zumeist unspezifischen Symptome der Patienten deuten und über eine wirksame Behandlung entscheiden. Auch die konventionelle Labordiagnostik stößt hier schnell an ihre Grenzen, denn Spezialwissen ist gefragt: „Das Besondere an Pilzinfektionen ist, dass es so unglaublich viele Pilzarten gibt, die Krankheiten hervorrufen können“, erklärt Dr. Grit Walther, die am Leibniz-HKI das NRZMyk-Labor leitet.
Etwa 1300 Proben gehen jährlich am NRZMyk ein
Eine Studie aus dem Jahr 2017 ermittelte, dass es weltweit zwischen 2,2 und 3,8 Millionen Pilzarten gibt. Etwa 1000 davon sind bisher als Auslöser von Infektionen beim Menschen beschrieben worden. „Wenn wir seltene Pilze bekommen, ist das oft eine kleine Studie, die wir machen müssen, bis wir das richtige Marker-Gen haben, um die Art identifizieren zu können.“ Heute – 10 Jahre nach seiner Gründung – schicken Ärzte aus ganz Deutschland jährlich rund 1300 Patientenproben an das Referenzzentrum. Dieser enorme Anstieg zeigt, wie wichtig die Diagnose pathogener Pilze in der medizinischen Praxis ist. Erst wenn man den Erreger kennt, kann man geeignete Behandlungsmaßnahmen festlegen. Gleichzeitig wird deutlich, dass hierfür spezifische Kenntnisse notwendig sind, die in der einzelnen Arztpraxis oder im Routinelabor nicht vorhanden sein können. Aus diesem Grund richtet das Bundesministerium für Gesundheit nach entsprechender Empfehlung durch ein internationales Expertengremium für wichtige Erregergruppen nationale Referenzzentren ein. Seit 2018 werden einige Proben auch am Institut für Hygiene und Mikrobiologie der Universität Würzburg bearbeitet, dessen Vorstand Prof. Oliver Kurzai seit 2017 ist. Beide Standorte des NRZMyk teilen sich seitdem das Aufgabenpensum.
Hinter jeder Probe steht ein menschliches Schicksal
Während in der ersten Zeit die Proben hauptsächlich aus großen Einrichtungen wie Krankenhäusern und Universitätskliniken kamen, kenne mittlerweile jedes medizinische Versorgungszentrum das Referenzzentrum, berichtet Dr. Grit Walther. So hat das NRZMyk im ersten Jahrzehnt seines Bestehens Pilze aus 7000 Proben identifiziert. Hinter jeder dieser Proben steckt ein menschliches Schicksal. Gerade invasive Pilzinfektionen, bei denen der Erreger tief in das Gewebe eindringt oder sich über die Blutbahn im Körper verbreitet, sind häufig mit großem Leid verbunden und enden nicht selten tödlich.
Kompetenz und Spezialwissen über Pilze
Diagnosen und Resistenztests sind die tägliche Routine des NRZMyk nach Eingang der Patientenproben. Darüber hinaus überwacht das Zentrum die Verbreitung und Häufigkeit invasiver Pilzinfektionen in Deutschland. So hat das NRZMyk seit dem ersten Auftreten die Ausbreitung des neuen Erregers Candida auris in Deutschland beobachtet und dokumentiert. „Im Jahr 2023 waren die Daten des NRZMyk Grundlage für die Einführung einer Labormeldepflicht für Candida auris“, erläutert Kurzai. Werden solche Ausbrüche erkannt, bietet das NRZMyk Beratung zu deren Eindämmung an. Mit diesem umfangreichen Spezialwissen ist das Referenzzentrum auch gefragter Partner in nationalen und internationalen Forschungsprojekten.
Den Mitarbeitern des NRZMyk ist es außerdem wichtig, das Wissen über infektiöse Pilze dorthin zu bringen, wo es zuerst benötigt wird. Daher berät und schult das Zentrum medizinische Einrichtungen, Ärzte und Gesundheitsbehörden.
10 Jahre NRZMyk
Anlässlich des 10. Jahrestages der Gründung des NRZMyk am Standort Jena fand am 17. September am Leibniz-HKI eine Festveranstaltung statt. Die Festreden wurden von zwei renommierten Experten für medizinische Mykologie gehalten: Prof. Birgit Willinger von der Medizinischen Universität Wien ging insbesondere auf aktuelle Herausforderungen der Medizinischen Mykologie in Zeiten von Klimawandel und Pandemie ein. Prof. Oliver Cornely von der Uniklinik Köln gab einen Überblick über die Entwicklung und den aktuellen Stand der Mykologie in Deutschland. Der Leiter des NRZMyk, Prof. Oliver Kurzai und die beiden Laborleiter Dr. Grit Walther (Jena) und Dr. Alexander Aldejohann (Würzburg) warfen einige Schlaglichter auf die Entwicklung des Referenzzentrums. Hier standen neu aufkommende Pilzerreger, die seit der Corona-Pandemie auch in den Medien große Aufmerksamkeit erfahren und moderne molekularbiologische Diagnosemethoden im Vordergrund. Letztere ersetzen allmählich den langwierigen Erregernachweis durch Laborkultivierung.
Für das Leibniz-HKI ist das NRZMyk ein wichtiger Kanal des Wissenstransfers von der Grundlagenforschung in die klinische Praxis. Neue Erkenntnisse zu geeigneten Markermolekülen auf der Zelloberfläche von Pilzen können direkt für die Entwicklung von Diagnosemethoden genutzt werden. Zudem erhält das Institut durch das NRZMyk zahlreiche Klinikisolate von Pilzerregern, die für die Forschung genutzt werden können – unter anderem, um neue Wirkstoffe auch gegen seltene und resistente Pilze zu testen.
Das Leibniz-HKI
Das Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut – wurde 1992 gegründet und gehört seit 2003 zur Leibniz-Gemeinschaft. Die Wissenschaftler des Leibniz-HKI befassen sich mit der Infektionsbiologie human-pathogener Pilze. Sie untersuchen die molekularen Mechanismen der Krankheitsauslösung und die Wechselwirkung mit dem menschlichen Immunsystem. Neue Naturstoffe aus Mikroorganismen werden auf ihre biologische Aktivität untersucht und für mögliche Anwendungen als Wirkstoffe zielgerichtet entwickelt.
Das Leibniz-HKI verfügt über sieben wissenschaftliche Abteilungen und drei Forschungsgruppen, deren Leiter überwiegend berufene Professoren der Friedrich-Schiller-Universität Jena sind. Hinzu kommen mehrere Nachwuchsgruppen und Querschnittseinrichtungen mit einer integrativen Funktion für das Institut. Gemeinsam mit der Universität Jena betreibt das Leibniz-HKI die Jena Microbial Resource Collection, eine umfassende Sammlung von Mikroorganismen und Naturstoffen. Zurzeit arbeiten etwa 450 Personen am Leibniz-HKI, davon 150 Promovierende.
Das Leibniz-HKI ist Kernpartner großer Verbundvorhaben wie dem Exzellenzcluster Balance of the Microverse, der Graduiertenschule Jena School for Microbial Communication, der Sonderforschungsbereiche FungiNet (Transregio), ChemBioSys und PolyTarget, des Zentrums für Innovationskompetenz Septomics, des Leibniz-Zentrums für Photonik in der Infektionsforschung sowie von InfectControl, einem Konsortium im BMBF-Programm Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation. Das Leibniz-HKI ist zudem Nationales Referenzzentrum für invasive Pilzinfektionen.
Die Leibniz-Gemeinschaft
Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 96 eigenständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften.
Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit.
Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen knapp 21.000 Personen, darunter fast 12.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei zwei Milliarden Euro.