Spezial-OP bei Epilepsie: Von mehr als 60 Anfällen täglich auf null

Team des Universitätsklinikums Heidelberg befreite einen zweijährigen Jungen mit einem seltenen gutartigen Hirntumor mithilfe eines minimalinvasiven Laserverfahrens von seiner Epilepsie. Das dazu notwendige MRT-gekoppelte Laserkathetersystem wurde von der Dietmar Hopp Stiftung finanziert.

Ein gutartiger Tumor tief im Gehirn des zweijährigen Kuzey verursachte trotz Medikamenten bis zu 60 epileptische Anfälle am Tag. Mithilfe eines speziellen OP-Verfahrens, der stereotaktischen Laser-Thermotherapie (LITT), hat ein Behandlungsteam des Universitätsklinikums Heidelberg das Tumorgewebe verödet und damit den Auslöser der schweren Epilepsie ausgeschaltet. Bei diesem Eingriff wird eine Lasersonde über eine nur wenige Millimeter große Öffnung der Schädeldecke in den erkrankten, zentralen Hirnbereich eingeführt, der Tumor überhitzt und so verödet. Jeder Schritt wird mittels Magnetresonanztomographie (MRT) kontrolliert. Kuzey konnte die Klinik wenige Tage nach dem Eingriff ohne Beschwerden verlassen und ist nach mittlerweile acht Monaten anhaltend anfallsfrei. Das ist nicht nur eine Entlastung für die ganze Familie: Sein Gehirn kann sich nun ungestört wie das gesunder Gleichaltriger entwickeln. Das MRT-gekoppelte Laserkathetersystem wurde von der Dietmar Hopp Stiftung finanziert.

Genau kontrollierter Eingriff mit geringem Risiko

Deutschlandweit ist die nötige Ausstattung für diese spezielle Form der Epilepsie-Chirurgie nur an einzelnen wenigen Kliniken vorhanden und kam bei Kleinkindern bisher nicht zum Einsatz. Am Universitätsklinikum Heidelberg wird das Verfahren insbesondere zur Therapie bösartiger und tiefsitzender Hirntumore und Hirnmetastasen verwendet. Dazu kommen weitere Einsatzgebiete wie die Behandlung von Bewegungsstörungen oder – wie bei Kuzey – einer Epilepsie aufgrund eines gutartigen Tumors. Professor Dr. Martin Jakobs, Leiter der Sektion Stereotaktische Neurochirurgie der Klinik für Neurochirurgie am UKHD, rechnet mit bis zu 30 Einsätzen pro Jahr bei verschiedenen Erkrankungen. „Die Anwendungsmöglichkeiten der minimalinvasiven stereotaktischen Neurochirurgie werden sich zum Beispiel durch die gezielte Gentherapie bei kindlichem Parkinsonismus und anderen Erkrankungen weiterentwickeln“, so der Neurochirurg. „Die stereotaktische Laser-Thermotherapie hat gegenüber ähnlichen Verfahren den unschlagbaren Vorteil, dass der Laserkatheter mit dem Kernspintomographen in unserem OP gekoppelt werden kann. So können wir die korrekte Platzierung der Lasersonde ebenso wie die Wärmeausbreitung im Gewebe sehr genau kontrollieren und das Risiko für Nebenwirkungen senken.“

Der Tumor, an dem Kuzey litt, kommt sehr selten vor: Etwa eines von 200.000 Kindern ist betroffen. Der Tumor saß in einem zentral gelegenen Gehirnbereich, dem Hypothalamus, und löste dort immer wieder fehlerhafte elektrische Signale und damit epileptische Anfälle aus, die das Gehirn für die Dauer der Anfälle blockierten. Der Junge wirkte dann wie weggetreten oder erlitt Lachanfälle. Die schiere Anzahl dieser Aussetzer bremste seine Gehirnentwicklung, er tat sich schwer damit, sprechen zu lernen. „Anders als bei den meisten anderen Erkrankungen, die mit Epilepsie einhergehen, gab es mit diesem Tumor einen klar lokalisierbaren Ursprung, den man veröden konnte, ohne gesundes Hirngewebe zu zerstören“, sagt Professor Dr. Steffen Syrbe, Leiter der Sektion pädiatrische Epileptologie am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin des UKHD, der den Jungen und seine Familie betreut.

Abwarten war keine Option

Die Alternativen zur Lasertherapie wäre eine aufwändige Operation oder eine sogenannte Radiofrequenz-Ablation gewesen, bei der das erkrankte Gewebe mittels gebündelter Radiowellen erhitzt und abgetötet wird. Für beide Optionen war der Junge mit zwei Jahren jedoch noch zu jung. „Noch ein Jahr Abwarten hätte für den Patienten und seine Familie mehrere tausend weitere Anfälle bedeutet“, so Professor Syrbe. „Die Familie hat sich daher für dieses innovative Verfahren entschieden, das wir am Universitätsklinikum Heidelberg im Team von Neuropädiatern und Neurochirurgen sehr sicher auch für jüngere Kinder anbieten können.“

Kuzey wurde für die Therapie auf die kinderneurologische Station aufgenommen. Der Eingriff selbst dauerte insgesamt rund drei Stunden, von der Bildgebung für die 3D-OP-Planung über die Einführung des Laserkatheters und die Kontroll-MRTs. Das neurochirurgische Team öffnete dazu ein nur drei Millimeter im Durchmesser großes Loch im Schädeldach des Jungen. Von dort wurde die Lasersonde bis hinab zum Hypothalamus an der Basis des Gehirns geführt. Die eigentliche Thermotherapie, bei der der Tumor erhitzt und zerstört wurde, dauerte 20 Minuten. Bei Kuzey zeigte dieser Eingriff durchschlagenden Erfolg: Seitdem trat kein einziger epileptischer Anfall mehr auf. „Dieser Eingriff ist besonders gut gelungen, weil wir offensichtlich alle Bereiche, die für die Anfälle verantwortlich waren, ausgeschaltet haben. Doch auch wenn wir nur die Häufigkeit deutlich reduziert hätten, wäre das für den Jungen und seine Familie eine Entlastung gewesen. Wir sind daher sehr zufrieden mit den Möglichkeiten, die dieses Verfahren bietet“, sagt der Neurochirurg Professor Jakobs. Die Kosten des Eingriffs übernahm die Krankenkasse.

Weitere Informationen im Internet

Sektion Pädiatrische Epileptologie am UKHD

Forschung der Sektion Pädiatrische Epileptologie

Neurochirurgische Klinik am UKHD