Weniger Nebenwirkungen der Protonenstrahlentherapie

Dr. Tanja Eichkorn, Wissenschaftlerin der Universität Heidelberg und Ärztin an der Klinik für RadioOnkologie und Strahlentherapie des Universitätsklinikums Heidelberg, ist für ihre Forschungsarbeiten zu Gewebeschäden im Gehirn nach einer Hochpräzisionsbestrahlung mit Protonen mit dem Anita- und Friedrich-Reutner-Preis der Medizinischen Fakultät Heidelberg ausgezeichnet worden.

Die Bestrahlung mit Protonen, positiv geladenen Elementarteilchen, zerstört effektiv das Erbgut von Tumorzellen, schont das Nachbargewebe und kommt daher insbesondere in der Therapie von Hirntumoren zum Einsatz. Trotzdem kommt es als Nebenwirkung bei rund einem Fünftel der Patientinnen und Patienten zu Schäden im unmittelbar benachbarten Hirngewebe. Warum es zu dieser Komplikation kommt, welche Risikofaktoren es gibt und wie man die Schäden vermeiden kann, erforscht Dr. Tanja Eichkorn, Funktionsoberärztin an der Klinik für RadioOnkologie und Strahlentherapie und dem Heidelberg Ionenstrahl Therapiezentrum (HIT) des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD). Dafür ist sie nun mit dem Anita- und Friedrich-Reutner-Preis der Medizinischen Fakultät Heidelberg ausgezeichnet worden. Mit dem jährlich vergebenen und mit 10.000 Euro dotierten Preis unterstützt Stifter Professor Dr. Friedrich Reutner, Ehrensenator der Universität Heidelberg, junge Forschende an der Medizinischen Fakultät, die noch keine etablierte Position innehaben.

„Die Protonenbestrahlung ist ein wichtiges Werkzeug zur Therapie bei anderweitig nicht oder nur sehr schlecht zugänglichen Tumoren. Die Forschungsarbeiten von Dr. Eichkorn tragen dazu bei, die dennoch vorhandenen Nebenwirkungen dieser Bestrahlungsart besser zu verstehen, Risikopatientinnen und -patienten zu identifizieren und damit diese Therapie noch sicherer zu machen“, sagt Professor Dr. Michael Boutros, Dekan der Medizinischen Fakultät Heidelberg. „Ich gratuliere Dr. Eichkorn zu dieser Auszeichnung und wünsche ihr weiter viel Erfolg.“

Energie punktgenau im Ziel abgesetzt ….

Die Protonenstrahlung schädigt die Tumorzellen präziser als die konventionelle Therapie mit Photonenstrahlung. Die Energie der beschleunigten Partikel wird punktgenau im berechneten Ziel freigesetzt, das umliegende Gewebe bekommt nur wenig ab. So können Langzeitfolgen nach Jahren und Jahrzehnten reduziert werden. Das haben zahlreiche Studien untersucht und gezeigt. Gerade das sehr strahlungsempfindliche Gehirn von Kindern verträgt die Hochpräzisionsbestrahlung deutlich besser als die Photonenbestrahlung. „Trotzdem kommt es bei einigen Patientinnen und Patienten zu Schäden im direkt angrenzenden Hirngewebe – oft erst viele Monate später“, sagt Tanja Eichkorn. „Je nach Ausprägung und Position im Gehirn kann das für die Betroffenen schwere Folgen haben.“

Der bisher noch wenig verstandenen Ursache für diese Schäden will die Wissenschaftlerin auf den Grund gehen. Ihr Ziel ist es herauszufinden, wie sich Therapie oder Nachsorge anpassen lassen, um die Gewebeschäden zu verhindern oder zumindest frühzeitig zu erkennen. Denn ein weiterer wichtiger Punkt ist die präzise Diagnose der Schäden: „Bei den Nachsorgekontrollen sind die Strahlenschäden oft nicht von einem erneut wachsenden Tumor zu unterscheiden. Das kann zur Folge haben, dass eine erneute Bestrahlung oder Chemotherapie begonnen wird, obwohl das unnötig ist und für die Patientinnen und Patienten weitere Nebenwirkungen verursachen kann“, so Eichkorn.

…dennoch Schäden im benachbarten Gewebe

Um die Gewebeschäden nach der Bestrahlung besser zu verstehen, erfasste Eichkorn Risikofaktoren, die mit den Gewebeschäden nach Protonentherapie einhergehen: Dazu zählen beispielsweise die Art des Tumors, dessen Lage im Gehirn, eine begleitende Chemotherapie sowie eine höhere Bestrahlungsdosis. Während Kinder deutlich seltener betroffen sind, tragen Erwachsene mit Bluthochdruck, Diabetes oder erhöhten Cholesterinwerten ein besonders hohes Risiko für Nebenwirkungen. „Das sind Patientinnen und Patienten, die auch ein erhöhtes Risiko für Schlaganfall haben, bei denen das Gefäßsystem und damit die Durchblutung des Gehirns also bereits beeinträchtigt sein könnte. Bei ihnen muss man bei auffälligen Ergebnissen in der Nachkontrolle besonders genau hinsehen, ob es sich nicht auch um Bestrahlungsschäden handeln könnte“, so Eichkorn. Die Erkenntnis, dass die Gewebeschäden durch die Bestrahlung mit dem allgemeinen Zustand des Gefäßsystems zusammenhängen könnten, ist neu und ist ein erster Hinweis, wie es zu diesen Schäden kommen könnte.

Forschung zur Prävention von Schäden angelaufen

Aktuell arbeitet Tanja Eichkorn an einem Risikoscore, in den alle diese Risikofaktoren einfließen. Er soll eine Orientierungsgröße bieten, wie groß die Gefahr für Gewebeschäden ist. „Das gibt uns die Möglichkeit, die Therapieplanung bereits vor Beginn der Bestrahlung an das Risiko anzupassen, zum Beispiel die Bestrahlungstechnik zu überdenken, oder bei ersten Anzeichen für eine Gewebeschädigung frühzeitig gezielt mit Medikamenten einzugreifen“, sagt sie. Zudem ist geplant, zusätzlich laborchemische Marker zu identifizieren, die dieses Risiko noch genauer vorhersagen oder die schwierige Diagnosefindung unterstützen können.

Darüber hinaus geht die Wissenschaftlerin der Frage nach, ob sich ein erhöhtes Risiko für Strahlenschäden vor Beginn der Protonentherapie senken lässt, indem man die gefundenen Risikofaktoren stärker in den Blick nimmt. Als eine einfache Maßnahme könnte man Blutdruck, Blutzucker und Cholesterinwerte bei Bedarf besser einstellen. „Der Nutzen solcher Maßnahmen auf ein vorgeschädigtes Blutgefäßsystem ist aus der Herz-Kreislauf-Medizin gut bekannt. Sie werden das Risiko sicher nicht auf Null absenken, aber möglicherweise haben sie einen messbaren Effekt, der unseren Patientinnen und Patienten zugutekommt“, sagt die Ärztin. „Es lohnt sich, die Nebenwirkungen der Protonenradiotherapie gründlich zu erforschen, damit Patientinnen und Patienten von den Vorteilen dieser fortschrittlichen Technik bestmöglich profitieren können.“

Weitere Informationen im Internet

Klinik für RadioOnkologie und Strahlentherapie des UKHD

Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum (HIT)