T-Zell-Rezeptoren und ihren Antigenen auf der Spur
Wissenschaftler Kilian Schober mit 100.000 Euro ausgezeichnet
Ob eine Killer-T-Zelle unseres Immunsystems uns schützt oder schadet, hängt davon ab, an welches Antigen sie mit dem für sie typischen Rezeptor bindet. Ein Erwachsener verfügt über rund hundert Millionen verschiedene T-Zellrezeptoren. Welche Antigene diese Rezeptoren erkennen, liegt jedoch weitgehend im Dunkeln, vor allem bei Krebs und Autoimmunerkrankungen, aber auch bei vielen Infektionen. PD Dr. Kilian Schober ist mit seiner Forschungsgruppe am Mikrobiologischen Institut – Klinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene (Direktor: Prof. Dr. Christian Bogdan) des Uniklinikums Erlangen dabei, Licht in dieses Dunkel zu bringen – und wird nun von der Aventis Foundation mit einem Life Sciences Bridge Award ausgezeichnet, der mit 100.000 Euro dotiert ist.
Die T-Zellen unseres adaptiven Immunsystems schützen uns vor Infektionen und Krebs, können sich aber auch gegen den eigenen Körper richten und Autoimmunkrankheiten verursachen. Ob sie uns nützen oder schaden, hängt davon ab, an welche Antigene sie binden, um eine Immunantwort zu triggern. Diese Antigene sind kleine Peptide. Für die zytotoxischen T-Zellen, auf deren Erforschung sich Kilian Schober in der Mikrobiologie des Uniklinikums Erlangen konzentriert, umfassen sie meist etwa neun Aminosäuren. In einen besonderen Rahmen eingespannt – ein MHC-I-Molekül – werden sie als sogenannte Epitope von fast allen Körperzellen auf ihrer Oberfläche ausgestellt. Es handelt sich dabei um Bruchstücke von Virus- oder Krebsproteinen, die die kranke Zelle in ihrem Proteasom geschreddert hat, um der T-Zelle das Signal zu geben, sie zu töten. Allerdings baut jede Zelle auch permanent eigene Proteine ab und lässt Bruchstücke davon als Identitätsnachweis in MHC-Rahmen erscheinen. So begegnet jede zytotoxische T-Zelle auf ihren Patrouillen durch den Körper vor allem Eigen-Peptiden gesunder Zellen – und muss inmitten dieses gewaltigen Hintergrundrauschens das auf ihren spezifischen Rezeptor passende fremde Antigen finden, damit sie nicht versehentlich gesunde Zellen zerstört.
Die Gelbfieber-Impfung als Blaupause
„Es ist eine weitgehend ungelöste Frage, welche Epitope T-Zellen überhaupt als Antigen erkennen, und wie diese Antigen-Spezifität ihrer Rezeptoren die T-Zell-Antwort beeinflusst“, begründet Kilian Schober sein Forschungsinteresse. Das gelte nicht nur für Krebs und Autoimmunerkrankungen, sondern auch für viele Infektionskrankheiten. Denn dabei habe sich die Forschung traditionell auf wenige Viren konzentriert und viele andere Erreger vernachlässigt. Impfungen seien generell ein gutes Modellsystem, um T-Zell-Antworten auf einer klaren Zeitschiene zu verfolgen, sagt Kilian Schober, der ausschließlich humane T-Zellen erforscht. Die SARS-CoV-2-Pandemie bot ihm dazu eine einzigartige Forschungsmöglichkeit, weil plötzlich viele Menschen sehr systematisch immunisiert wurden. Das beste Modell bietet aber die Impfung gegen das Gelbfieber, die ein Leben lang schützt. „Sie ist eine Blaupause für eine erfolgreiche Immunantwort.“ Als einer der Forschungsgruppenleiter eines EU-Horizon-Verbundprojektes ist Dr. Schober seit Januar 2024 dabei, diese Blaupause unter anderem für die Analyse von Immunantworten auf West-Nil- und Zika-Viren zu verwenden, die im Zuge des Klimawandels in Europa bereits vorkommen oder ankommen werden. Beide gehören wie das Gelbfieber-Virus zu den Flaviviren, freilich bisher ohne Impfschutz.
T-Zellen besser verstehen
Was er aus Impfmodellen lernt, überträgt Kilian Schober wenn möglich in andere Krankheitsmodelle. Die beiden Technologien, die ihn dabei in neue Dimensionen des Verständnisses von T-Zell-Antworten vorstoßen lassen, sind die Genomeditierung mit Hilfe von CRISPR/Cas und die Einzelzell-RNA-Sequenzierung. Mit dieser kann er alle aktiven Gene einer einzelnen T-Zelle einschließlich derjenigen ihres Rezeptors sequenzieren, mit jener präzise gentechnische Veränderungen des Rezeptors vornehmen. Auf der Basis von Erkenntnissen, die über alle Krankheitsentitäten hinweg gelten, übt er sich so als Ingenieur von T-Zellrezeptoren, die ihn wie Sonden zu ihren passenden Epitopen führen sollen. „In dem Moment, in dem wir die Antigenspezifität ihres Rezeptors kennen, ist es sehr viel leichter, die T-Zelle zu verstehen.“ Zu diesem Zweck sind Kilian Schober und sein Team dabei, eine Bibliothek von T-Zellrezeptoren samt validierter Epitope aufzubauen.
Über den Preisträger Kilian Schober
Als Clinician Scientist, der ein Viertel seiner Arbeitszeit als Arzt in der Mikrobiologie des Uniklinikums Erlangen arbeitet, leitet Kilian Schober seit 2021 die Forschungsgruppe „Understanding & Engineering Human T Cell Immunity“ in der Mikrobiologie. Nach seinem Medizinstudium in Würzburg arbeitete er vorher sieben Jahre lang als Postdoktorand in der Gruppe von Prof. Dr. Dirk Busch an der Technischen Universität München, wo er 2022 mit einer Arbeit über den T-Zellrezeptor habilitiert wurde. Er ist auf einem guten Weg, wesentliche Beiträge zur Lösung der Frage zu leisten, wie die Antigenspezifität und Avidität von T-Zellrezeptoren die Immunantwort prägen. Auf Grundlage dieses Wissens könnten neue zellbasierte Immuntherapien entworfen und entwickelt werden.
„T-Zell-Antworten auf molekularer Ebene nachvollziehen zu können, ist von eminenter Bedeutung für die Entwicklung effektiver Immuntherapien. Kilian Schober leistet auf diesem Gebiet Wegweisendes“, sagt Prof. Dr. Werner Müller-Esterl, Vorsitzender der Jury des Life Sciences Bridge Award. „Wir möchten ihm mit diesem Preis über die Brücke zu einer unbefristeten Professur helfen.“
Über den Life Science Bridge Award
Der Life Sciences Bridge Award ist einer der höchstdotierten Nachwuchspreise Deutschlands. Er wird jährlich an bis zu drei Preisträgerinnen und Preisträger vergeben, die an deutschen Universitäten forschen. Sie erhalten jeweils 100.000 Euro. Zehn Prozent davon dürfen sie für persönliche Zwecke nutzen, der Rest ist der Finanzierung ihrer Forschung vorbehalten. Die Aventis Foundation ist eine unabhängige, gemeinnützige Stiftung mit Sitz in Frankfurt am Main. Sie dient der Förderung von Kunst und Kultur sowie von Wissenschaft, Forschung und Lehre.