KI führt nicht zwangsläufig zu mehr Effizienz im klinischen Alltag – Bonner Forschende analysieren Auswirkungen
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in Krankenhäusern und der Patientenversorgung nimmt stetig zu. Besonders in Fachbereichen mit hohem Bildgebungsanteil, wie der Radiologie, ist KI längst Teil des klinischen Alltags. Jedoch bleibt die Frage, inwiefern KI tatsächlich die Arbeitsabläufe im klinischen Umfeld beeinflusst, weitgehend unbeantwortet. Forschende des Universitätsklinikums Bonn (UKB) und der Universität Bonn haben deshalb eine umfassende Analyse bestehender Studien zur Wirkung von KI vorgenommen. Sie konnten zeigen, dass KI nicht automatisch zu einer Beschleunigung der Arbeitsprozesse führt. Ihre Ergebnisse sind jetzt im Fachjournal „npj Digital Medicine“ erschienen.
Obwohl KI oft als Lösung zur Bewältigung von Routineaufgaben wie der Überwachung von Patientinnen und Patienten, der Dokumentation von Pflegeaufgaben und der Unterstützung bei klinischen Entscheidungen angesehen wird, sind die tatsächlichen Effekte auf Arbeitsprozesse unklar. Besonders in datenintensiven Fachgebieten wie der Genomik, Pathologie und Radiologie, in denen KI bereits zur Mustererkennung in großen Datenmengen und zur Priorisierung von Fällen eingesetzt wird, fehlt es an belastbaren Daten zur Effizienzsteigerung.
„Wir wollten herausfinden, inwiefern KI-Lösungen die Effizienz in der medizinischen Bildgebung tatsächlich verbessern“, erläutert Katharina Wenderott, leitende Autorin der Studie und Doktorandin der Universität Bonn am Institut für Patientensicherheit (IfPS) des UKB. „Die weit verbreitete Annahme, dass KI automatisch Arbeitsprozesse beschleunigt, greift oft zu kurz.“
Einheitliche Bewertung der Studien ist schwierig
Das Forschungsteam führte eine systematische Überprüfung von 48 Studien durch, die den Einsatz von KI-Tools in klinischen Umfeldern – insbesondere in der Radiologie und Gastroenterologie – untersuchten. Von den 33 Studien, die sich mit der Bearbeitungszeit von Arbeitsprozessen befassten, berichteten zwar 67 Prozent über eine Verkürzung der Arbeitszeit, doch die Metaanalysen ergaben keine signifikanten Effizienzgewinne. „Einige Studien zeigten zwar statistisch signifikante Unterschiede, aber diese waren nicht ausreichend, um allgemeine Schlüsse zu ziehen“, so Wenderott.
Darüber hinaus analysierte das Team, wie gut KI in bestehende Arbeitsabläufe integriert wird. Es zeigte sich, dass der Erfolg der Implementierung stark von den spezifischen Rahmenbedingungen und Prozessen vor Ort abhängt. Aufgrund der Heterogenität der Studiendesigns und der eingesetzten Technologien war eine einheitliche Bewertung jedoch schwierig.
„Unsere Ergebnisse verdeutlichen, dass der Einsatz von KI im klinischen Alltag differenziert betrachtet werden muss“, betont Prof. Matthias Weigl, Direktor des IfPS am UKB, der auch an der Universität Bonn forscht. „Lokale Bedingungen und die individuellen Arbeitsprozesse haben großen Einfluss auf den Erfolg der Implementierung.“
Die Studie liefert wichtige erste Erkenntnisse darüber, wie KI-Technologien die klinischen Arbeitsprozesse beeinflussen können. „Ein zentrales Ergebnis ist die Notwendigkeit einer klar strukturierten Berichterstattung in künftigen Studien, um den wissenschaftlichen und praktischen Nutzen dieser Technologien besser bewerten zu können“, fasst Prof. Weigl abschließend zusammen.
Publikation: Katharina Wenderott, Jim Krups, Fiona Zaruchas, Matthias Weigl: Effects of artificial intelligence implementation on efficiency in medical imaging – A systematic literature review and meta-analysis; npj digital medicine; https://doi.org/10.1038/s41746-024-01248-9