Neue Erkenntnisse zur Herzschwäche: Protein Dysferlin schützt und formt die Membran von Herzmuskelzellen
Forscher*innen aus dem Herzzentrum der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) unter der Leitung von Priv.-Doz. Dr. Sören Brandenburg haben ein Protein identifiziert, das eine zentrale Rolle bei der Anpassung des Herzens an erhöhte Belastungen spielt. Die Ergebnisse der Studie wurden im renommierten Fachjournal „Circulation Research“ veröffentlicht.
Der Herzschlag wird von speziellen Herzmuskelzellen ausgeführt, die sich weder teilen noch erneuern können. Infolgedessen führt der Verlust einer großen Anzahl dieser Zellen, wie bei Herzmuskelerkrankungen oder einem Herzinfarkt, zu einer dauerhaften Schwächung des Herzmuskels. Herzmuskelzellen bestehen aus einem komplexen und empfindlichen Membransystem, das durch den Herzschlag stark beansprucht wird. Besonders anfällig ist das sogenannte Tubulus-Netzwerk innerhalb der Zellen, das aus elektrisch erregbaren Membranschläuchen besteht, welche an der Weiterleitung elektrischer Signale sowie an der intrazellulären Kalziumfreisetzung zur Kontraktion des Herzmuskels beteiligt sind. Die Gefahr, dass Herzmuskelzellen zu Schaden kommen oder absterben, erhöht sich bei einer anhaltenden Belastung des Herzens, zum Beispiel bei Bluthochdruck. Das Herz muss dabei stärker arbeiten, um das Blut gegen den erhöhten Druck in die Arterien zu pumpen. Die erhöhte Arbeitslast führt zu einer Vergrößerung der Herzmuskelzellen, auch Hypertrophie genannt, die wiederum zu Membranschäden führen kann.
Vor diesem Hintergrund untersuchte ein Team um Priv.-Doz. Dr. Sören Brandenburg, Oberarzt in der Klinik für Kardiologie und Pneumologie der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), und Prof. Dr. Stephan Lehnart, Arbeitsgruppenleiter „Zelluläre Biophysik und Translationale Kardiologie“ im Herzzentrum der UMG, das Protein Dysferlin, das bereits im Zusammenhang mit Muskelerkrankungen bekannt ist. Die Göttinger Forscher*innen wollten aufklären, welche Rolle Dysferlin in den Herzmuskelzellen spielt, insbesondere in Bezug auf die Anpassung der Zellen an Druckbelastungen. Dabei fanden sie heraus, dass das Protein entscheidend zur Stabilisierung und Reparatur der Zellmembranen von Herzmuskelzellen beiträgt. „Dysferlin schützt die Herzmuskelzellen durch eine schnelle Beseitigung von Schädigungen im Membransystem, die durch die periodische Kontraktion und eine Überlastung des Herzens entstehen, und ermöglicht es den Zellen, sich durch die Bildung neuer Membranstrukturen an eine erhöhte Belastung anzupassen. Diese Erkenntnisse könnten den Weg zu neuen Therapieansätzen ebnen“, sagt Dr. Brandenburg, Letztautor der Studie. Die Ergebnisse wurden im renommierten Fachjournal „Circulation Research“ veröffentlicht.
Originalpublikation:
Nora Josefine Paulke, Carolin Fleischhacker, Justus B. Wegener, Gabriel C. Riedemann, Constantin Cretu, Mufassra Mushtaq Nina Zaremba, Wiebke Möbius, Yannik Zühlke, Jasper Wedemeyer, Lorenz Liebmann, Anastasiia A. Gorshkova, Daniel Kownatzki-Danger, Eva Wagner, Tobias Kohl, Carolin Wichmann, Olaf Jahn, Henning Urlaub, Karl Toischer, Gerd Hasenfuß, Tobias Moser, Julia Preobraschenski, Christof Lenz, Eva A. Rog-Zielinska, Stephan E. Lehnart, Sören Brandenburg: Dysferlin Enables Tubular Membrane Proliferation in Cardiac Hypertrophy. Circulation Research. 2024;135:554–574. DOI: 10.1161/CIRCRESAHA.124.324588
Über die Studie
Zur Untersuchung von Dysferlin entlang von Membranstrukturen innerhalb der Herzmuskelzellen verwendeten die Forscher*innen die hochauflösende STED (Stimulated Emission Depletion)-Mikroskopie. Diese Lichtmikroskopie erlaubte es ihnen, die genaue Position und Funktion von Dysferlin zu identifizieren, insbesondere entlang des Tubulus-Netzwerks. Ergänzend dazu wurden elektronenmikroskopische Verfahren eingesetzt, um die feinen Details der Zellmembran und die Verbindungen zwischen verschiedenen Zellstrukturen, die für die Kalziumfreisetzung verantwortlich sind, untersuchen zu können. Ermöglicht wurde die Studie durch eine enge Kooperation im Rahmen des Göttinger Exzellenzclusters „Multiscale Bioimaging: Von molekularen Maschinen zu Netzwerken erregbarer Zellen (MBExC)“.
Basierend auf den neuen Erkenntnissen arbeiten die Göttinger Wissenschaftler*innen nun an neuen Behandlungsoptionen für Patient*innen, die an einer Herzschwäche leiden oder gefährdet sind, an einem Herzinfarkt zu erkranken. „Die Ergebnisse könnten uns ermöglichen, den Verlauf von Herzerkrankungen zu verlangsamen oder sogar zu stoppen“, sagt Dr. Brandenburg.
Herzzentrum der Universitätsmedizin Göttingen
Im Herzzentrum der Universitätsmedizin Göttingen arbeiten 14 Kliniken und Institute sowie der Pflege- und Pflegefunktionsdienst der Universitätsmedizin Göttingen auf den Gebieten Herz, Gefäße, Lunge und Niere zusammen. Diese Organe sind in ihrer Funktion besonders eng miteinander verbunden. Die Kliniken und Institute sind zu einem interdisziplinären Zentrum zusammengeführt. Dadurch werden eine optimale und effiziente Krankenversorgung, Forschung und Lehre gewährleistet. Ziel des Herzzentrums der UMG ist es, eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung patient*innenorientiert, aufgeschlossen und transparent zu praktizieren.