Eine innovative Klasse von Antibiotika zur Bekämpfung arzneimittelresistenter Bakterien

Forschungsteam optimiert bakterieninspirierte Wirkstoffe

Antibakterielle Medikamente sind wichtig für die Behandlung von Infektionen. Da Bakterien jedoch zunehmend Resistenzen gegen aktuelle Medikamente entwickeln, so dass diese nicht mehr oder nur noch eingeschränkt wirken, besteht ein dringender Bedarf an neuen Wirkstoffen. Aufbauend auf früheren Arbeiten konnten Forschende des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) zusammen mit einem internationalen Team von Kooperationspartnern eine potenzielle antibakterielle Behandlungsmöglichkeit aufzeigen. Im Fokus steht dabei ein optimiertes Derivat des bakteriellen Naturstoffs Darobactin. In verschiedenen in vivo-Modellen konnte das Team die Wirksamkeit der getesteten Verbindungen gegen Escherichia coli und Acinetobacter baumannii bestätigen – zwei Keime, von denen bekannt ist, dass sie häufig Resistenzen gegen Medikamente entwickeln. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift ACS Infectious Diseases während der World Antimicrobial Resistance (AMR) Awareness Week (18. bis 24. November) veröffentlicht.

Im Jahr 2024 aktualisierte die Weltgesundheitsorganisation ihre Liste der Krankheitserreger, bei denen Antibiotikaresistenzen eine besondere Herausforderung darstellen. Sie umfasst nun unter anderem die Keime E. coli, A. baumannii und Pseudomonas aeruginosa. Obwohl neue Antibiotika gegen diese problematischen Krankheitserreger dringend benötigt werden, befinden sich kaum neue Wirkstoffkandidaten in der (prä-)klinischen Entwicklung. Ein potenziell resistenzbrechender Wirkstoff ist Darobactin, ein Antibiotikum auf Basis eines bakteriellen Naturstoffes, der 2019 erstmals von Forschenden in den USA entdeckt wurde. Darobactin bindet an ein essenzielles Protein in der Zellwand von Bakterien und führt schließlich zu deren Absterben. Zuvor hatte das Team um die DZIF-Wissenschaftler:innen Rolf Müller und Jennifer Herrmann festgestellt, dass gentechnisch veränderte Versionen von Darobactinen eine hervorragende antibakterielle Wirkung haben. Insbesondere das nicht-natürliche Darobactin-Derivat D22 hemmte in Laborversuchen das Wachstum aller oben genannten Problemkeime.

Für die aktuelle Studie testete ein internationales Team unter der Leitung von Rolf Müller und Jennifer Herrmann den entwickelten Wirkstoff gegen Infektionen mit verschiedenen bakteriellen Erregern. Bei Zebrafischembryonen konnte durch die Behandlung mit D22 eine Infektion mit A. baumannii ebenso wirksam beseitigt werden wie mit dem Breitbandantibiotikum Ciprofloxacin, das bei komplizierten Infektionen eingesetzt wird. Anschließend führten die Forschenden eine Reihe von Wirksamkeits- und Dosierungsversuchen am Mausmodell durch:

  • Beste Verabreichungsform: Die Studie zeigte, dass die Injektion von D22 wirksamer war als die orale Verabreichung.
  • Wirksamkeit gegen P. aeruginosaEine wiederholte Verabreichung von D22 reduzierte das Wachstum von P. aeruginosa-Bakterien bei Mäusen (Infektion des Oberschenkels) erheblich, konnte die Infektion jedoch nicht vollständig beseitigen.
  • Mehrfachdosierung bei Infektionen mit E. coliDie viermalige Verabreichung von D22 innerhalb von 25 Stunden führte in einem Modell für eine schwere Peritonitis zu einer vollständigen Beseitigung von E. coli. Auch bei Einzeldosen wurde eine sehr gute Wirkung beobachtet. D22-Injektionen über drei Tage (zweimal täglich) reduzierten die Bakterienlast bei einer komplizierten E. coli-Harnwegsinfektion signifikant, wenn auch nicht ganz so stark wie das Antibiotikum Gentamicin, das die Bakterienlast bis unter die Nachweisgrenze reduzierte.

Diese Ergebnisse zeigen, wie D22 kritische Infektionen bekämpfen kann, und sie unterstreichen das Potenzial des Wirkstoffs für die weitere Entwicklung im Hinblick auf zukünftige klinische Studien als „innovative Lösung zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen“, so die Autor:innen der Studie.

Die Studie wurde durch den Impuls- und Vernetzungsfonds der Helmholtz-Gemeinschaft gefördert. Einige der Autor:innen sind Mitarbeitende von Evotec, einem Biotechnologieunternehmen, das sich mit der Erforschung und Entwicklung von Arzneimitteln befasst.

Quelle: Pressemitteilung des Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS)