Neue Erkenntnisse über HPV-Infektionen
Wie Zucker ein Virus weicher machen, indem sie dessen Struktur stabilisieren
Prof. Charlotte Uetrecht, Direktorin des Instituts für Chemie und Metabolomics der Universität zu Lübeck, und andere Forschende des Centre for Structural Systems Biology (CSSB) und sowie internationale Kolleg*innen haben wichtige Informationen über die molekularen Interaktionen während der ersten Schritte bei der Infektion mit Humanen Papillomaviren (HPV) gewonnen. Ihre Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.
HPV sind eine große Familie von DNA-Viren, die Krankheiten verursachen, die von Infektionen über Warzen bis hin zu Rachen- oder Genitalkrebs reichen. Zwar gibt es Impfstoffe zur Vorbeugung von HPV-Infektionen, doch ist die Entwicklung zusätzlicher antiviraler Strategien äußerst wünschenswert, da die Impfstoffe nach der Exposition, also dem Kontakt mit dem Virus, nicht mehr wirken.
Voranbringen der Grundlagenforschung
„Insgesamt liefert diese Arbeit neue mechanistische Einblicke in die ersten Schritte der HPV-Infektion, die die Grundlagenforschung voranbringen und darüber hinaus zur Entwicklung neuer Hemmstoffe zur Bekämpfung von HPV-Infektionen beitragen könnten“, sagt Prof. Charlotte Uetrecht, Leiterin der CSSB-Gruppe und eine der korrespondierenden Autor*innen der Studie.
Um ein tieferes Verständnis der anfänglichen Wechselwirkungen zwischen HPV und den Basalzellen des Wirts zu erlangen, untersuchten die Forschenden der Gruppe um Prof. Uetrecht (Universität zu Lübeck, Deutsches Elektronen-Synchrotron) in Zusammenarbeit mit Wissenschaftler*innen der Universität Groningen und der Universität Münster die Rolle, die zelluläre Heparansulfate (HS) bei der Erleichterung des HPV-Eintritts spielen. Mit einer Kombination aus virologischen Tests, Wasserstoff/Deuterium-Austausch-Massenspektrometrie und Rasterkraftmikroskopie ermittelten die Forschenden den Einfluss der viralen Kapsid-HS-Bindung und der strukturellen Aktivierung.
HPV-Kapside binden zunächst über Heparansulfat (HS), lineare Polysaccharide auf der Zelloberfläche, an Zellen. „Wir wussten, dass die Wechselwirkung zwischen HPV und HS zu Konformationsänderungen im Viruskapsid führt, die für die Infektion entscheidend sind“, erklärt Dr. Dominik van Bodegraven von der Universität Münster, einer der Erstautoren der Studie, “aber diese Wechselwirkungen waren schlecht definiert und ihre molekulare Natur sowie ihre spezifische Funktion blieben unklar.“
Die Forschenden verwendeten ein Rasterkraftmikroskop (AFM), um HS-gebundene HPV auf der Ebene einzelner Viruspartikel abzubilden und virale mechanische Eigenschaften wie die virale Federkonstante, ein Maß für die Steifigkeit eines Virus, zu messen. „Wir zeigen, dass die Bindung mehrerer Bindungsstellen durch eine Mindestlänge des HS-Polysaccharids für die strukturelle Aktivierung erforderlich ist“, erklärt Erstautor Yuzhen Feng von der Universität Groningen.
Weitere Untersuchungen der Interaktion mit Hilfe der Wasserstoff/Deuterium-Austausch-Massenspektrometrie, die lokale Struktur- und Dynamikänderungen in Proteinen abbildet, ergaben, dass die Bindung von HS an HPV-Partikel eine reversible Kraft auf interkapsomere Linker ausübt. „Diese Kraft stabilisiert das ansonsten sehr dynamische virale Kapsid in einer verlängerten Konformation“, erklärt Erstautor Alan Kádek, ehemaliges Mitglied der Uetrecht-Gruppe des CSSB und jetzt am Institut für Mikrobiologie der Tschechischen Akademie der Wissenschaften. „Das Kapsid wird also sowohl vergrößert als auch aufgeweicht, was letztlich das Eindringen des Virus in die Wirtszelle erleichtert.“
Dr. Dominik van Bodegraven fügt hinzu: „Zusammen mit unseren Daten aus Experimenten an lebenden Zellen können wir nun ein Modell vorschlagen, das zeigt, wie diese strukturellen und physikalischen Veränderungen des Kapsids zur Infektion beitragen.“