Allergenspezifische Immuntherapie gegen Insektengift

Wissenschaftler*innen enthüllen frühe molekulare Mechanismen zur Bildung einer Immuntoleranz

Eine Studie mit Beteiligung der Ambulanz für Kinderpneumologie, -​allergologie und Mukoviszidose der Klinik für Kinder-​ und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Ulm (UKU) deckt erstmals frühe Immunreaktionen unter Allergen-​Immuntherapie gegen Insektengift auf. Die Ergebnisse wurden nun in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.

Allergische Erkrankungen nehmen weltweit rapide zu und entwickeln sich zu den häufigsten chronischen, durch das Immunsystem vermittelten Erkrankungen, was weitgehend auf moderne Lebensstilfaktoren und Umwelteinflüsse zurückzuführen ist. Die allergenspezifische Immuntherapie (AIT) ist zwar die einzige verfügbare Behandlung, mit der bestimmte Allergien potenziell geheilt werden können, jedoch ist ihre Wirksamkeit bei verschiedenen Formen von Allergien sehr unterschiedlich. Insektengiftallergien – wie z.B. Bienen-​ oder Wespenstiche – sind die Ausnahme, bei denen die AIT klinische Heilungsraten von über 90-95 % bietet.

Eine Studie des Luxembourg Institute of Health (LIH) in Zusammenarbeit mit dem Centre Hospitalier de Luxembourg (CHL), dem Allergiezentrum Wiesbaden, der Vrije Universiteit Brüssel und Wissenschaftler*innen des Universitätsklinikums Ulm beleuchtet die frühen Immunmechanismen, die dieser Therapie zugrunde liegen. Durch die Untersuchung, wie das Immunsystem eine Langzeittoleranz gegenüber Insektengift entwickelt, wurden wichtige molekulare und zelluläre Umschaltvorgänge identifiziert, die in den frühen Stadien der Behandlung auftreten. Dies gibt Hoffnung auf eine Verbesserung der AIT bei anderen, weniger erfolgreichen Allergien und trägt zu den allgemeinen Bemühungen zur Bekämpfung der weltweiten Allergieepidemie bei.

„Diese Arbeit ist ein Durchbruch für die Allergiewissenschaft“, erklärt der Co-​Erstautor der Studie, Prof. Dr. Sebastian Bode, der am Luxembourg Institute of Health Department of Infection and Immunity (DII) geforscht hat und nun an der Klinik für Kinder-​ und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Ulm die Ambulanz für pädiatrische Pneumologie leitet. „Wir haben frühe Immunreaktionen aufgedeckt, einschließlich der Regulierung von IL-6 – einem Molekül, das normalerweise mit Entzündungen in Verbindung gebracht wird – die eine völlig unerwartete entscheidende Rolle bei der Wiederherstellung der Immuntoleranz spielen könnten. Diese Erkenntnisse könnten die Entwicklung wirksamerer Behandlungen für andere Allergien vorantreiben“, so Prof. Bode.

Die Studie umfasste über 200 Blutproben von Patient*innen mit Insektengiftallergie, welche von einem internationalen Team aus Luxembourg, Belgien und Deutschland untersucht wurden. Dabei handelt es sich um die umfangreichste und gründlichste Datenanalyse, die bislang bei Patient*innen mit dieser Erkrankung durchgeführt wurde.

Von dieser Allergie sind etwa 2,6 bis 4 % der Bevölkerung in Europa und weltweit betroffen – etwa 13 bis 20 Millionen Menschen in der EU und im Vereinigten Königreich – bei denen die Gefahr besteht, dass ein Insektenstich tödlich endet, wenn sie nicht mit einer Insektengift-​AIT behandelt werden.

Die in der Studie identifizierten frühen molekularen und zellulären Veränderungen, die bereits acht Stunden nach der Verabreichung der Immuntherapie auftreten, ebnen den Weg für eine heilende Immuntoleranz und könnten die Behandlung von Allergien revolutionieren und die Ergebnisse für Millionen von Menschen verbessern, die an chronischen Immunstörungen leiden.

Publikationshinweis:

Pogorelov, D.*, Bode, S.F.N.*, He, X.* et al. Multiomics approaches disclose very-​early molecular and cellular switches during insect-​venom allergen-​specific immunotherapy: an observational study. Nat Commun 15, 10266 (2024). doi.org/10.1038/s41467-024-54684-2

*geteilte Erstautorenschaft