Universitätsmedizin Mainz entdeckt neuen Ansatz für präzisere Krebstherapien

Mechanismen der Resistenzentwicklung sind mögliche Schlüssel zum Behandlungserfolg von Krebserkrankungen. Eine bisher unbekannte Form der Resistenzbildung in der AML-Therapie haben Forschende um Dr. Daniel Sasca (Universitätsmedizin Mainz) entdeckt: Bei der Akuten Adaptation hilft das Protein p300 den Zellen, sich der Behandlung zu entziehen und eine Resistenz gegen die Therapie aufzubauen, indem es blockierte Funktionen der BET-Proteine übernehmen kann. Im weiteren Studienverlauf zeigte sich, dass eine Kombination aus BET-Inhibition und p300-Inhibition die Resistenzentwicklung verhindern könnte. Die Erkenntnisse bilden einen neuen Forschungsansatz für die Entwicklung neuer Krebstherapien.

Warum zeigen vielversprechende Therapieansätze bei Krebserkrankungen oft nur begrenzte Wirkung? Welche Mechanismen bewirken, dass sich bei der Behandlung der Krebserkrankung Akute Myeloische Leukämie (AML) Resistenzen gegenüber den eingesetzten Wirkstoffen wie den BET-Inhibitoren bilden und sich die Tumorzellen so der Behandlung entziehen? Das Protein p300 gibt hierauf Antworten – so die zentrale Erkenntnis von Wissenschaftler:innen um Dr. Daniel Sasca, Leiter einer DFG-geförderten Emmy-Noether-Arbeitsgruppe an der III. Medizinischen Klinik der Universitätsmedizin Mainz. Denn in der Entstehung einer akuten Resistenz gegen BET-Inhibition spielt das Protein p300 eine Schlüsselrolle. Es fördert die schnelle Anpassung der Zellen, indem es Transkriptionsmodule regelt, die für das Überleben der AML-Zellen entscheidend sind. Diese Forschungsergebnisse wurden im Rahmen der Studie „Acute resistance to BET inhibitors remodels compensatory transcriptional programs via p300 coactivation“ erzielt und sind in der aktuellen Ausgabe des Blood Journals veröffentlicht. Für weitere Forschungen können sie als neuen Ansatz dienen, um gezieltere Krebstherapien für Patient:innen zu entwickeln, die unter einer AML oder anderen Tumorerkrankungen leiden.

Bei der klinischen Behandlung von Tumorerkrankungen kann es zu Resistenzen gegenüber den eingesetzten Wirkstoffen kommen. Dies ist auch bei den sogenannten BET-Inhibitoren der Fall. Dabei handelt es sich um eine neue Form der epigenetischen Krebsbekämpfung. Ihr Ziel sind die BET-Proteine. Diese Familie von Proteinen beeinflusst die Genexpression und trägt zur Entstehung von Krebserkrankungen bei. Inhibitoren, die auf diese mit epigenetischen Modifikationen verbundenen Proteine abzielen, können überexprimierte Onkogene unterdrücken und somit als potenzielle Antitumormittel wirken.

Ein Beispiel für Krebserkrankungen, für die die BET-Inhibition als eine vielversprechende Therapie gilt, ist die Akute Myeloische Leukämie (AML). Doch ließen sich in klinischen Studien bislang leider nicht die erhofften Ergebnisse erzielen, da sich die Zellen schnell an diese Wirkstofftherapie anpassten und eine Resistenz entwickelten. Um das Potential dieses Therapieansatzes weiter zu ergründen, haben Wissenschaftler:innen um Dr. Daniel Sasca, Leiter der Personalisierten Hämatologie an der III. Medizinischen Klinik der Universitätsmedizin Mainz, zusammen mit anderen internationalen Forscherteams untersucht, welche epigenetischen Prozesse und Transkriptionsprogramme den Zellen helfen, sich der Behandlung zu entziehen und so die Resistenz auslösen.

Zunächst stellten die Forschenden fest, dass sich die Resistenz in den AML-Zellen überraschend schnell entwickelte, nämlich innerhalb von 24 Stunden nach Beginn der Behandlung. Ein noch bedeutenderer Forschungsfortschritt besteht darin, dass sie eine bisher unbekannte Form der Resistenzbildung in der AML identifiziert haben: die „Akute Adaptation“. Dabei nimmt das Protein p300 eine entscheidende Schlüsselrolle ein, denn es kann blockierte Funktionen der BET-Proteine übernehmen. Dadurch hilft es den Zellen, sich der Behandlung zu entziehen und eine Resistenz gegen die Therapie aufzubauen. Daher untersuchte das Studienteam, ob sich die Wirkung der BET-Inhibitoren steigern ließe, wenn auch p300 gehemmt würde. Und tatsächlich: Eine Kombination von BET- und p300-Inhibition könnte die Resistenzentwicklung verhindern.

„Durch unsere Forschung haben wir neue Einsichten in die Mechanismen der Resistenzbildung gegen epigenetische Therapien wie die BET-Inhibition erzielen können. Indem wir die akute Adaptation erkannt haben und mehr darüber wissen, wie es therapeutisch möglich ist, Resistenzen zu überwinden, eröffnen sich neue und bessere Behandlungsperspektiven. Es sind nun vielversprechende Ansätze vorhanden, um Patient:innen, die unter einer Akuten Myeloische Leukämie oder an Tumorerkrankungen mit ähnlichen Mechanismen leiden, zukünftig gezielter, präziser und wirksamer behandeln zu können“, erläutert Dr. Daniel Sasca.

Zu den hier vorgestellten epigenetischen Forschungsergebnissen gelangte die Wissenschaftler:innen, indem sie die anfänglichen Mechanismen und Reaktionen der AML-Zellen im Labor untersuchten und diese Ergebnisse mit den Daten einer großen klinischen Studie kombinierten. Dafür arbeiteten sie mit anderen Arbeitsgruppen der III. Medizinischen Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Mainz zusammen sowie insbesondere auch mit Prof. Brian Huntly, Leiter des Departments für Hämatologie an der University of Cambridge (UK) und Professor für Leukämiebiologie am Stem Cell Institute Cambridge (UK), und seinen Teams. Zum Forschungserfolg beigetragen haben zudem Wissenschaftler:innen des Barts Cancer Institute (London/UK), des Peter MacCallum Cancer Centre und des Monash Health in Melbourne (AUS) und der Firma GSK (London/UK).

Weitere Informationen:

Blood | American Society of Hematology
First Edition Acute resistance to BET inhibitors remodels compensatory transcriptional programs via p300 coactivation; Viral Shah; George Giotopoulos; Hikari Osaki; Markus Meyerhöfer; Eshwar Meduri; Aaron Gallego-Crespo; Malte Andreas Behrendt; Maria Saura-Pañella; Aarti Tarkar; Benedict Schubert; Haiyang Yun; Sarah J. Horton; Shuchi Agrawal-Singh, Dr; Patricia S Hähnel; Faisal Basheer; Dave Lugo; Ioanna Eleftheriadou; Olena Barbash; Arindam Dhar; Michael Kühn; Borhane Guezguez; Matthias Theobald; Thomas Kindler; Paolo Gallipoli; Paul Sung-Hao Yeh; Mark A. Dawson; Rab K Prinjha; Brian JP Huntly; Daniel Sasca; https://doi.org/10.1182/blood.2022019306

Über die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist die einzige medizinische Einrich-tung der Supramaximalversorgung in Rheinland-Pfalz und ein international anerkannter Wissenschafts-standort. Sie umfasst mehr als 60 Kliniken, Institute und Abteilungen, die fächerübergreifend zusammen-arbeiten und jährlich mehr als 345.000 Menschen stationär und ambulant versorgen. Hochspezialisierte Patientenversorgung, Forschung und Lehre bilden in der Universitätsmedizin Mainz eine untrennbare Ein-heit. Mehr als 3.500 Studierende der Medizin und Zahnmedizin sowie rund 670 Fachkräfte in den ver-schiedensten Gesundheitsfachberufen, kaufmännischen und technischen Berufen werden hier ausgebil-det. Mit rund 8.700 Mitarbeitenden ist die Universitätsmedizin Mainz zudem einer der größten Arbeitgeber der Region und ein wichtiger Wachstums- und Innovationsmotor. Weitere Informationen im Internet unter www.unimedizin-mainz.de.