Neujahrsvorsatz mit Köpfchen – fürs Köpfchen
Mit wenigen Maßnahmen viel erreichen
Krankheiten des Nervensystems nehmen zu – sie haben mittlerweile Herz- und Kreislauferkrankungen als größtes Gesundheitsproblem abgelöst. Bei vielen neurologischen Erkrankungen wird der Aufwärtstrend weiter anhalten, auch die Zahl der Menschen, die einen Schlaganfall erleiden oder an einer Demenz erkranken, soll weiter ansteigen. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und die Deutsche Hirnstiftung möchten Präventionsmaßnahmen bekannter machen, um diesem Trend entgegenzuwirken. Denn Prävention zahlt sich aus: Mit den richtigen Maßnahmen kann jede/jeder die Weichen so stellen, dass Gehirn und Nerven bis ins hohe Alter gesund bleiben.
Prävention lohnt sich!
Durch einfache Lebensstilmaßnahmen lässt sich das Risiko für neurologische Krankheit deutlich beeinflussen. Allein 45 % aller Demenzfälle und 90 % aller Schlaganfälle sind vermeidbar. „Dies ist eine Chance, die jeder und jede für sich nutzen sollte“, erklärt DGN-Generalsekretär Prof. Dr. Peter Berlit. „Es gibt zahlreiche Handlungsempfehlungen, allein für die Demenz wurden 14 vermeidbare Risikofaktoren identifiziert. Aber im Prinzip kann man bereits eine sehr hohe Risikoreduktion erreichen, wenn man nur sechs Punkte konsequent beherzigt.“
- Viel Bewegung
Bereits eine leichte körperliche Aktivität reduziert Entzündungen und oxidativen Stress der Zellen. Eine moderate bis intensive körperliche Aktivität kann sogar α-Synuclein-Ansammlungen und Nervenzellverluste im Gehirn reduzieren und die Expression von Proteinen fördern, die bei der Entwicklung und Regenerationsfähigkeit von Nervenzellen eine Rolle spielen und die synaptische Plastizität bzw. die kognitiven Funktionen (z. B. Gedächtnis) verbessern [1]. - Gesunde Ernährung
Im Hinblick auf die Ernährung wird eine mediterrane Diät mit viel Gemüse und Ballaststoffen und wenig Fett und Salz empfohlen [2]. - Ausreichend Schlaf
Im Schlaf regeneriert das Gehirn. Wer im Alter von 50-60 weniger als sechs Stunden pro Nacht schläft, hat ein höheres Demenzrisiko [3]. - Sozialkontakte
Gehen Sie unter Menschen und suchen Sie Gesellschaft. Denn allein 5 % aller Demenz-Erkrankungen, und in Deutschland sind das insgesamt ca. 20.000 von 400.000 neue Fälle pro Jahr, gehen auf das Konto der sozialen Isolation [4]. Und Einsamkeit scheint auch mit einer erhöhten Schlaganfallrate einherzugehen [5]. - Möglichst weitgehende Vermeidung von schädigenden Stoffen
Alkohol, Tabak, Drogen [6], aber auch Umweltgifte [7] können die Entstehung von neurologischen Krankheiten begünstigen. - Gute Kontrolle von häufigen „Zivilisationskrankheiten“ wie Bluthochdruck, Diabetes und zu hohe Blutfettwerte
Bluthochdruck schädigt insbesondere die Hirngefäße. Er erhöht das Schlaganfallrisiko um das Drei- bis Fünffache [8] und geht auch mit einem höheren Demenz-Risiko einher. Auch Diabetes kann die Blutgefäße im Gehirn schädigen und so einen Schlaganfall oder demenzielle Erkrankungen auslösen [9]. Dasselbe gilt für die Blutfette: hohe LDL-Cholesterinwerte können das Auftreten von Demenzen [10] und ischämischen Schlaganfällen [11] begünstigen. Die richtige medikamentöse Einstellung von Blutdruck, Blutzucker und Blutfetten schützt.
Vorsätze umsetzen – so gelingt´s!
Ist der Vorsatz gefasst, hapert es am Ende oft an der Umsetzung. Prof. Dr. Frank Erbguth, Präsident der Deutschen Hirnstiftung ist Neurologe und Psychologe und weiß: „Je mehr man sich vornimmt, desto weniger realisiert man am Ende. Daher ist es oft klüger, erst einmal nur eine oder zwei Sachen in Angriff zu nehmen.“ Ein weiterer Tipp ist, aus Vorsätzen Routinen zu machen. „Keiner von uns überlegt lange, ob er sich abends die Zähne putzen soll, ob sie oder er wirklich Lust darauf hat oder ob Gründe dagegensprechen – wir tun es einfach, ohne zu überlegen. Wer z. B. mehr Sport treiben will, sollte nicht groß nachdenken, ob es grad passt, sondern unbeirrt loslegen und das Trainingsprogramm in regelmäßigen Abständen wiederholen, bis es sich quasi in die DNA eingebrannt hat und zum Automatismus wird. Auch das Treppensteigen anstelle von Aufzug oder Rolltreppe könnte eine gewinnbringende neue Gewohnheit in 2025 sein. Unterstützen lässt sich das durch kleine Motivationshilfen, z. B. das Smartphone oder die Uhr, welche die Schritte pro Tag erfassen, oder Belohnungen, z. B. den Kinobesuch nach 10 absolvierten Trainingseinheiten.“
HINTERGRUNDINFORMATION
Besorgniserregender Trend: Neurologische Krankheiten nehmen zu
Die „Global Burden of Diseases“-Studie [12] kam zu dem Ergebnis, dass die höchste Krankheitslast im Jahr 2021 von neurologischen Krankheiten ausging. Sie lösten damit erstmals die Herz-Kreislaufkrankheiten ab. 37 Erkrankungen, die das Nervensystem betreffen und in diese Analyse eingingen, führten zu insgesamt 443 Millionen DALYs. Unter diesen „disability-adjusted life years“ werden nicht nur die durch vorzeitigen Tod verlorenen Jahre gezählt, sondern auch jene, die durch Krankheit oder Behinderung belastet sind. Unter den neurologischen Krankheiten mit den höchsten altersstandardisierten DALYs im Jahr 2021 waren Schlaganfall, Migräne, Alzheimer und andere Demenzerkrankungen, diabetische Neuropathie, Meningitis, Epilepsie oder Hirntumoren.
Auch in Deutschland sind die Zahlen der Betroffenen hoch – und bei vielen neurologischen Krankheiten wird sogar noch ein Anstieg erwartet. Der Schlaganfall, beispielsweise ist weltweit die zweithäufigste Todesursache – und die Rate steigt weiter an: So gab das Land Nordrhein-Westfalen bekannt, dass im Jahr 2022 insgesamt 3,4 % mehr Menschen an einem Schlaganfall verstorben waren als noch ein Jahr zuvor [13]. Eine große internationale Erhebung [14] rechnet weltweit sogar mit einem Anstieg der Schlaganfallsterblichkeit um 50 % in den nächsten 25 Jahren, von 6,6 Mio. in 2020 auf 9,7 Mio. im Jahr 2050. Besonders besorgniserregend: In der Studie wurde ein alarmierender Zuwachs an Schlaganfällen bei Menschen in Alter unter 55 Jahren beobachtet.
Auch bei Demenz-Erkrankungen wird ein dramatischer Anstieg erwartet: Derzeit leben in Deutschland etwa 1,8 Millionen Menschen mit einer diagnostizierten Demenz. Nach Angaben des Deutsches Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen e. V. (DZNE) könnte diese Zahl im Jahr 2030 auf bis zu 1,9 Millionen ansteigen, im Jahr 2040 auf bis zu 2,3 Millionen und im Jahr 2050 bis zu 2,7 Millionen erreichen [15].
Ebenso rechnen Expertinnen und Experten mit einem Anstieg anderer neurologischer Krankheiten. So gab die Deutsche Hirntumorhilfe bekannt: „Die Tendenz der Neuerkrankungen ist steigend.“ [16]
[1] Fan B, Jabeen R, Bo B, Guo C, Han M, Zhang H, Cen J, Ji X, Wei J. What and How Can Physical Activity Prevention Function on Parkinson’s Disease? Oxid Med Cell Longev. 2020 Feb 13;2020:4293071. doi: 10.1155/2020/4293071. PMID: 32215173; PMCID: PMC7042542.
[2] Gardener H, Caunca MR. Mediterranean diet in preventing neurodegenerative diseases. Curr Nutr Rep 2018; 7 (1): 10-20
[3] Sabia S, Fayosse A, Dumurgier J et al. Association of sleep duration in middle and old age with incidenceof dementia. Nat Commun 2021; 12 (1): 2289
[4] Livingston G, Huntley J, Liu KY et al. Dementia prevention, intervention, and care: 2024 report of the Lancet standing Commission. Lancet. 2024 Aug 10;404(10452):572-628. doi: 10.1016/S0140-6736(24)01296-0. Epub 2024 Jul 31. PMID: 39096926.
[5] Soh Y, Kawachi I, Kubzansky LD, Berkman LF, Tiemeier H. Chronic loneliness and the risk of incident stroke in middle and late adulthood: a longitudinal cohort study of U.S. older adults. EClinicalMedicine. 2024 Jun 24;73:102639. doi: 10.1016/j.eclinm.2024.102639. PMID: 39403677; PMCID: PMC11472377.
[6] Stitt D, Kumar N. Drugs of Abuse and the Nervous System. Continuum (Minneap Minn). 2020 Jun;26(3):765-784. doi: 10.1212/CON.0000000000000857. PMID: 32487906.
[7] Vonberg FW, Blain PG. Neurotoxicology: a clinical systems-based review. Pract Neurol. 2024 Sep 13;24(5):357-368. doi: 10.1136/pn-2023-003983. PMID: 38849205.
[8] Loewenstein D, Rabbat M. Neurological complications of systemic hypertension. Handb Clin Neurol. 2021;177:253-259. doi: 10.1016/B978-0-12-819814-8.00018-4. PMID: 33632444.
[9] The diabetes-brain connection
[10] Appleton JP, Scutt P, Sprigg N, Bath PM. Hypercholesterolaemia and vascular dementia. Clin Sci (Lond) 2017;131:1561–1578. doi: 10.1042/CS20160382.
[11] Yaghi S, Elkind MS. Lipids and Cerebrovascular Disease: Research and Practice. Stroke. 2015 Nov;46(11):3322-8. doi: 10.1161/STROKEAHA.115.011164. Epub 2015 Oct 8. PMID: 26451029; PMCID: PMC4624572.
[12] GBD 2021 Nervous System Disorders Collaborators. Global, regional, and national burden of disorders affecting the nervous system, 1990-2021: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2021. Lancet Neurol. 2024 Apr;23(4):344-381. doi: 10.1016/S1474-4422(24)00038-3. Epub 2024 Mar 14. Erratum in: Lancet Neurol. 2024 May;23(5):e9. doi: 10.1016/S1474-4422(24)00114-5. Erratum in: Lancet Neurol. 2024 Jul;23(7):e11. doi: 10.1016/S1474-4422(24)00231-X. PMID: 38493795; PMCID: PMC10949203.
[13] NRW: 3,4 Prozent mehr Todesfällte durch Schlaganfall im Jahr 2022
[14] Feigin VL, Owolabi MO; World Stroke Organization–Lancet Neurology Commission Stroke Collaboration Group. Pragmatic solutions to reduce the global burden of stroke: a World Stroke Organization-Lancet Neurology Commission. Lancet Neurol. 2023 Dec;22(12):1160-1206. doi: 10.1016/S1474-4422(23)00277-6. Epub 2023 Oct 9. Erratum in: Lancet Neurol. 2023 Dec;22(12):e13. doi: 10.1016/S1474-4422(23)00425-8. PMID: 37827183; PMCID: PMC10715732.
[15] DZNE.de
[16] Hirntumorhilfe