Darmentzündungen: Intervallfasten könnte bei chronischen Erkrankungen helfen
Studie der Uni Hohenheim legt nahe: Intervallfasten könnte chronisch-entzündliche Kolitis hemmen / Mikrobiom-Untersuchung ermöglicht Früherkennung
Intervallfasten könnte Entzündungsprozesse im Darm eindämmen und den Ausbruch chronischer Krankheiten verzögern – zu diesem Ergebnis kommt eine an Mäusen durchgeführte Studie der Universität Hohenheim in Stuttgart. Ein weiteres Ergebnis: Das Mikrobiom des Darms liefert schon vor dem Beginn erster Symptome Hinweise auf eine bevorstehende Kolitis. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse im Journal „Gut Microbes“ von zwei Forschungsteams um Prof. Dr. W. Florian Fricke und Prof. Dr. Axel Lorentz. Die Studie ist Teil des Projekts SET-MBIO-CLOCK. Die Baden-Württemberg Stiftung fördert dieses Verbundprojekt mit rund 425.000 Euro und macht es damit zu einem Schwergewicht der Forschung an der Universität Hohenheim. Publikation: www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/19490976.2025.2453019
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa und Morbus Crohn sind weit verbreitet. Die Behandlungsmöglichkeiten sind bisher jedoch unzureichend.
Ob eine zeitlich begrenzte Ernährung, das sogenannte Intervallfasten, positive Effekte auf chronisch-entzündliche Darmerkrankungen haben kann, testeten die beiden Forschungsteams der Universität Hohenheim an Mäusen. Zur Hälfte nutzte sie dabei Versuchstiere, die gentechnisch so verändert waren, dass sie eine Kolitis entwickelten.
Die Mäuse – mit und ohne Genveränderung – teilten die Forschenden in je zwei Gruppen ein: Die eine Gruppe hatte unbegrenzt Zugang zu Nahrung. Bei der zweiten Gruppe begrenzten sie die Fütterung auf acht Stunden täglich.
Intervallfasten zeigt bei allen Tieren positive Wirkung
Das Intervallfasten wirkte sich bei allen Mäusen positiv auf die Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms aus. Bei den Mäusen mit einer experimentell ausgelösten Darmerkrankung zeigte sich eine zusätzliche Verbesserung der Lebensqualität.
„Das Intervallfasten verzögerte den Ausbruch der Kolitis und reduzierte die Entzündungsmarker im Darm“, erklärt Hannah Ruple, Doktorandin am Fachgebiet für Mikrobiom und Angewandte Bioinformatik und Co-Autorin der Studie. „Eine zeitlich begrenzte Nahrungsaufnahme könnte somit eine Möglichkeit sein der Krankheit entgegenzuwirken.“
Störung der inneren Uhr könnte mit Darmerkrankungen einhergehen
Außerdem wollten die Forschenden den Zusammenhang mit der sogenannten inneren Uhr untersuchen. „Viele zelluläre, biochemische und physiologische Funktionen folgen einem 24-Stunden-Rhythmus. Auch die Zusammensetzung der Darmflora ändert sich im Laufe des Tages“, erklärt Eva Haasis, Doktorandin am Fachgebiet Ernährungsmedizin und Prävention und Co-Autorin der Studie.
Die innere Uhr werde über das Gehirn unter Einbindung von Umweltfaktoren wie Licht sowie durch die Ernährung gesteuert. „Mäuse sind normalerweise für zwölf Stunden in der Nacht aktiv. Die Ruhephase findet in den restlichen zwölf Stunden des Tages statt, wenn es hell ist“, erklärt die Doktorandin.
Im Versuch wurde je ein Teil der Tiere – mit und ohne Veranlagung für Kolitis – unter diesen Normalbedingungen gehalten und ein Teil einem veränderten Lichtrhythmus ausgesetzt: „Bei ihnen war es jeweils im Wechsel vier Stunden hell und vier Stunden dunkel“, so Eva Haasis. „Mit diesem Versuchsaufbau konnten wir testen, ob Mäuse, die einem veränderten Lichtrhythmus ausgesetzt waren, schneller Kolitis entwickeln.“
Das überraschende Ergebnis: Die Studie lieferte keine eindeutigen Hinweise, dass eine Störung der inneren Uhr das Auftreten von Kolitis fördert.
Intervallfasten konnte die innere Uhr der Mäuse positiv beeinflussen
Die gute Nachricht: Das Intervallfasten zeigte auch hier positive Effekte. „Durch das Intervallfasten konnte die gestörte innere Uhr der Mäuse wieder verbessert werden“, führt Prof. Dr. Lorentz vom Fachgebiet Ernährungsmedizin und Prävention aus.
„Für uns Menschen kann das insofern relevant sein, da unsere innere Uhr oft durch unseren Lebensstil gestört wird – etwa weil wir Schichtarbeit leisten oder spät am Abend noch etwas essen.“
Früherkennung von Darmerkrankungen möglich
Eine weitere Beobachtung könnte helfen, Darmerkrankungen künftig bereits im Frühstadium zu erkennen.
„Bisher lässt sich nicht vorhersagen, was zum Ausbruch einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung führt oder wann diese in Risikopatient:innen auftritt“, sagt Prof. Dr. Fricke, Leiter des Fachgebiets Mikrobiom und Angewandte Bioinformatik. „Wir haben allerdings festgestellt, dass es in Mäusen bereits vor dem Auftreten erster Symptome zu Veränderungen in der Zusammensetzung des Mikrobioms und Störungen der inneren Uhr kommt, die auf eine bevorstehende Erkrankung hinweisen: Diese Veränderungen im Darm folgten einem Muster, so dass wir vorhersagen konnten, wann sich die ersten Symptome der Erkrankungen zeigen.“
Dieses Ergebnis lasse sich künftig vielleicht auch auf den Menschen übertragen, so Prof. Dr. Fricke: „Wir hoffen, dass sich ein solches Vorhersagemodell künftig auch für den Menschen entwickeln lässt. Vorbeugende Therapiemaßnahmen könnten dann vielleicht schon vor dem Auftreten erster Symptome eingeleitet werden.“
Publikation
H. K. Ruple, E. Haasis, A. Bettenburg, C. Maier, C. Fritz, L. Schüle, S. Löcker, Y. Soltow, L. Schintgen, N. S. Schmidt, C. Schneider, A. Lorentz, W. F. Fricke (2025). The gut microbiota predicts and time-restricted feeding delays experimental colitis. Gut Microbes, 17(1). https://doi.org/10.1080/19490976.2025.2453019
HINTERGRUND: Einsatz von Tieren im Projekt
Für das Forschungsprojekt wurden Kotproben und Darmproben von insgesamt 172 Mäusen verwendet. Davon waren 105 Tiere einer geringen und 57 Tiere einer mittleren Belastung ausgesetzt. Die Tiere waren vor der Organentnahme mittels Kohlendioxid und anschließender zervikaler Dislokation getötet worden.
Die Universität Hohenheim ist Erstunterzeichnerin der 2021 gestarteten, bundesweiten Initiative Transparente Tierversuche. Sie legt an die Durchführung von Tierversuchen sehr strenge Maßstäbe: Bereits 2017 hat sie sich eine Leitlinie gegeben, in der sie sich weiterhin zu deren Notwendigkeit bekennt, aber auch zur Verpflichtung, diese zu reduzieren, abzumildern und transparent darüber zu informieren.
Aufschluss über den Umfang der Tierversuche an der Universität Hohenheim gibt die offizielle Versuchstiermeldung. Jährlich meldet die Universität darin jedes Versuchstier, an dem ein Tierversuch abgeschlossen wurde. Laut der Versuchstiermeldung von 2023 waren dies genau 4.368 Tiere. Die häufigsten Versuchstiere waren Hühner (72 %) gefolgt von Mäusen (14 %) und Siebenschläfer, die in freier Wildbahn markiert wurden (8 %). Weitere Infos zum Thema unter www.uni-hohenheim.de/tierversuche
HINTERGRUND: Projekt „Microbiome modulation via circadian clock disruption and resetting to promote or attenuate colitis“ – SET-MBIO-CLOCK
Könnte eine Störung der inneren Uhr für die Entstehung chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen verantwortlich sein? Dieser Frage gehen an der Universität Hohenheim die beiden Forschungsteams um Prof. Dr. W. Florian Fricke, Leiter des Fachgebiets Mikrobiom und Angewandte Bioinformatik, und Prof. Dr. Axel Lorentz vom Institut für Ernährungsmedizin und Prävention im Projekt SET-MBIO-CLOCK nach. Die Baden-Württemberg Stiftung gGmbH fördert das Projekt mit insgesamt 425.110 Euro im Rahmen ihres Programms „Mikrobiom“. Die Laufzeit von SET-MBIO-CLOCK startete am 1.4.2022 und endet am 31.3.2025.
HINTERGRUND: Schwergewichte der Forschung 37,7 Millionen Euro an Drittmitteln akquirierten Wissenschaftler:innen der Universität Hohenheim 2023 für Forschung und Lehre. In loser Folge präsentiert die Reihe „Schwergewichte der Forschung“ herausragende Forschungsprojekte mit einem finanziellen Volumen von mindestens 350.000 Euro für apparative Forschung bzw. 150.000 Euro für nicht-apparative Forschung.
> Schwergewichte der Forschung
Text: Moormann / Klebs