Listerien im Darm: Wie unsere Körperzellen mit guter Kommunikation und Teamwork Infektionen bekämpfen

Listeria monocytogenes ist ein Bakterium, das durch kontaminierte Lebensmittel in den Körper gelangt. Häufige Quellen sind ungekochte Eier, roher Fisch oder ungewaschenes Obst und Gemüse. Bei gesunden Menschen verursacht eine Infektion meist nur Durchfall oder Erbrechen. Für Schwangere, Neugeborene und Menschen mit geschwächtem Immunsystem kann sie jedoch lebensgefährlich sein. Die Infektion beginnt im Darm und kann sich von dort aus in andere Körperregionen ausbreiten. Forschende des Exzellenzclusters CMFI an der Universität Tübingen zeigen in einer neuen Studie, die im Fachjournal Cell Reports veröffentlicht wurde, wie der menschliche Körper sich gegen diese bakteriellen Eindringlinge wehrt. Sie beobachteten, dass Epithelzellen miteinander kommunizieren, um mit Listerien infizierte Zellen gezielt zu entfernen – eine Art biologischer „Teamwork-Mechanismus“, der nur durch gute Kommunikation gelingt.

Darmzellen als erste Verteidigungslinie

Eine Infektion mit Listerien beginnt meist im Darm. Von dort können sie sich weiter im Körper ausbreiten und sogar das Gehirn oder die Plazenta schwangerer Frauen infizieren. Doch der Darm ist ein Hochleistungsorgan, dass Abwehrmechanismen entwickelt hat, um solche Ausbreitungen zu verhindern. Die Epithelzellen im Darm bilden die erste Verteidigungslinie gegen Listerien. Diese Zellen kleiden die Darmwand aus und übernehmen eine aktive Rolle im Kampf gegen die Krankheitserreger.

Kommunikation als Waffe gegen Infektionen

Das Team von Effie Bastounis, Nachwuchsgruppenleiterin im CMFI, hat herausgefunden, dass Epithelzellen erstaunlich schnell und präzise kommunizieren können. Sobald eine Zelle von Listerien befallen ist, senden sie und ihre gesunden Nachbarzellen Warnsignale aus. Die infizierte Zelle wird identifiziert und umzingelt. Die sie umgebenden gesunden Zellen agieren im Verbund und üben mechanischen Druck aus, um die kranke Zelle aus dem Zellverband herauszudrängen.

„Wir sind immer wieder fasziniert, wie fundamental biomechanische Prozesse für unser Immunsystem sind. Für bakterielle Infektionen haben wir nun mehrfach grundlegende Mechanismen beobachtet, ohne die eine gezielte Infektionsabwehr nicht möglich wäre. Dieses Beispiel zeigt, wie gut unsere Körperzellen untereinander kommunizieren und sich so auf ein gemeinsames Handeln verständigen können.“, sagt Effie Bastounis, die Studienleiterin.

Das Prinzip der „ansteckenden Zelle“

Lara Hundsdorfer, die Erstautorin der Studie ergänzt: „Infizierte Zellen könnten schnell die umliegenden gesunden Zellen anstecken, wenn sie im Verband blieben. Gesunde Zellen erkennen die Gefahr und entfernen die „ansteckenden“ Zellen, bevor die Infektion sich ausbreitet. Dieser Prozess schützt den Organismus und ist ein Beispiel für die beeindruckende Leistungsfähigkeit unseres Immunsystems auf zellulärer und molekularer Ebene.

Modernste Technologie für bahnbrechende Forschung

Die Forschenden nutzten Zellkulturmethoden und hochmoderne Mikroskope, um die Mechanismen zu entschlüsseln. Das Labor von Effie Bastounis an der Universität Tübingen wurde hierfür mit Technik im Wert von einer halben Million Euro ausgestattet. Die Geräte in ihrem Labor sind fein aufeinander abgestimmt und werden ergänzt durch selbst entwickelte Spezialanfertigungen, die zum Beispiel mechanische Zugkräfte an Zellen simulieren können. Das Equipment ermöglicht ein sogenanntes Live-Cell Imaging, also die Beobachtung von lebenden Zellen. Das ist wichtig, weil der Infektionsverlauf und die Immunabwehr an lebendem Gewebe beobachtet werden muss. Normalerweise sind Proben, die in der hochauflösenden Mikroskopie verwendet werden, tot. Mit diesen Live-Bildern konnten die Forschenden verfolgen, wie infizierte Zellen von ihren Nachbarzellen erkannt und herausgedrängt wurden. Dabei spielte eine spezifische Signalkaskade eine entscheidende Rolle, die durch das Enzym ERK Kinase vorangetrieben wurde. Die ERK Kinase löst eine Vielzahl von Signalen und Reaktionen aus, die dazu führen, dass die infizierten Zellen erkannt und schließlich entfernt werden.

Videos der mikroskopischen Aufnahmen (zur freien Verwendung für die Berichterstattung):

 Listeria Videos

Bedeutung für die Medizin

Die Ergebnisse bieten die Grundlage für neue Therapieansätze zur Behandlung von Listeriose. Denkbar ist die Entwicklung von Medikamenten, die die Abwehrmechanismen der Epithelzellen verstärken oder gezielt aktivieren.

Die Entdeckung, dass Epithelzellen im Darm infizierte Nachbarzellen gezielt ausstoßen können, zeigt, wie effizient unser Körper selbst komplexe Bedrohungen bekämpft. Dieses Teamwork auf zellulärer Ebene schützt uns vor Infektionen und verdeutlicht, wie viel wir noch von den faszinierenden Mechanismen des Körpers lernen können. Auch für andere bakterielle Infektionen könnten diese Erkenntnisse von Nutzen sein. Der Abwehrmechanismus konnte bereits ebenfalls bei der bakteriellen Darminfektion Shigellose nachgewiesen und im lebenden Organismus bei Zebrafischen beobachtet werden.

Publikation:

Hundsdorfer L, Muenkel M, Aparicio-Yuste R, Sanchez-Rendon JC, Gomez-Benito MJ, Balmes A, Schäffer TE, Velic A, Yeh YT, Constantinou I, Wright K, Özbaykal Güler G, Brokatzky D, Maček B, Mostowy S, Bastounis EE. ERK activation waves coordinate mechanical cell competition leading to collective elimination via extrusion of bacterially infected cells. (2025) Cell Rep. 44(1):115193. doi: 10.1016/j.celrep.2024.115193 .