Rotationsbestrahlung für den ganzen Körper
Mehr Komfort für Schwerkranke: MHH-Strahlentherapie arbeitet mit drehbarem Tisch.
Für Menschen mit Leukämien ist eine Knochenmark- oder Blutstammzelltransplantation häufig die einzige Überlebenschance. Für den Erfolg einer solchen Transplantation ist die vorbereitende Behandlung entscheidend. Dazu gehört oft auch eine Ganzkörperbestrahlung, die in der Klinik für Strahlentherapie und Spezielle Onkologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) durchgeführt wird. Das Team bietet den Patientinnen und Patienten jetzt eine Neuerung bei der Ganzkörperbestrahlung: Auf einem drehbaren Tisch liegend brauchen sie während des gesamten Prozesses ihre Position nicht zu wechseln. Das ist ein großer Vorteil für die ohnehin schon sehr geschwächten Menschen. Die Rotationsbestrahlung für den ganzen Körper bieten in Deutschland nur wenige Kliniken an.
Wichtige Behandlung vor Transplantation
Vor einer Stammzelltransplantation müssen die Patientinnen und Patienten konditioniert werden. Das bedeutet, dass nicht nur alle Krebszellen, sondern auch das gesamte eigene blutbildende System und das Immunsystem zerstört werden müssen. „Die vollständige Eliminierung ist eine Voraussetzung dafür, dass die Spenderzellen möglichst gut anwachsen können“, erklärt Professor Dr. Hans Christiansen, Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Spezielle Onkologie. „Die Betroffenen bekommen zunächst eine hochdosierte Chemotherapie. Bei vielen wird diese anschließend mit einer Ganzkörperbestrahlung kombiniert“, ergänzt Privatdozent Dr. Roland Merten. Zu den Patientinnen und Patienten gehören sowohl Erwachsene als auch Kinder. Bei der Ganzkörperbestrahlung arbeitet Professor Christiansens Team eng mit den Expertinnen und Experten der hämatologischen Abteilungen für Erwachsene sowie Kinder- und Jugendliche der MHH zusammen. Bei ihnen liegt die Federführung für die Gesamttherapie der Betroffenen.
Ganzkörperbestrahlung ohne Positionswechsel
Normalerweise wird bei einer Bestrahlung nur eine begrenzte Körperfläche therapiert, eine Bestrahlung des gesamten Körpers gestaltet sich schwierig. Bisher mussten sich die Patientinnen und Patienten dafür auf eine spezielle Matte auf dem Boden legen, damit die Strahlung aus dem Linearbeschleuniger abschnittweise den gesamten Körper erreichen konnte. Für die Schwerkranken war das eine unbequeme Situation, zumal sie währenddessen umgelagert werden mussten. Die neue Lösung ist wesentlich komfortabler: Die Patientinnen und Patienten liegen auf einer waagerecht 360 Grad drehbaren Tischplatte und können so millimetergenau in jede für die Bestrahlung notwendige Position gebracht werden. Eine Umlagerung ist nicht mehr nötig. Bei der Bestrahlung dreht sich der Linearbeschleuniger um den Körper, dabei wird die Strahlendosis abgegeben. „Durch die spezielle Tischplatte realisieren wir eine in Abschnitten erfolgende Rotationsbestrahlung für den ganzen Körper, von der Schädeldecke bis zur Fußsohle“, erläutert der Medizinphysikexperte Jens Bock. In der Fachsprache wird die Rotationsbestrahlung auch VMAT (Volumetric Intensity Modulated Arc Therapy) genannt.
Präzise Therapieplanung
Das neue System bietet nicht nur für die Betroffenen Vorteile. Die drehbare Tischplatte erleichtert auch dem Behandlungsteam – Fachleute aus Medizin, Medizinphysik und Medizin-technischer Radiologie – die Arbeit: zum Beispiel bei der Bestimmung der Strahlendosis, die abgegeben werden soll. Diese errechnet ein Medizinphysiker einige Tage vor dem Eingriff mithilfe einer Planungs-Computertomografie (CT), bei der die Betroffenen mithilfe einer individuell modulierten Kunststoffschale und einer Kopfmaske in exakt derselben Position liegen wie bei der späteren Bestrahlung.
Bestrahlung in vier bis sechs Sitzungen
Eine Ganzkörperbestrahlung ist der letzte Behandlungsschritt vor einer Knochenmark- oder Blutstammzelltransplantation. Sie umfasst vier bis sechs Sitzungen. Die erste dauert etwa eineinhalb Stunden, alle weiteren zwischen 30 und 40 Minuten. „Wir sind froh, dass wir dieser Patientengruppe die Behandlung durch die drehbare Tischplatte etwas erleichtern können“, sagt Dana Loberenz, leitende Medizinische Technologin für Radiologie (MTR) der Klinik. Die Platte besteht aus Carbon. Die Anschaffung wurde durch eine Spende der Rudolf-Bartling-Stiftung in Höhe von 25.000 Euro ermöglicht.
Text: Tina Götting