Neue Einblicke in die Insulinwirkung: Dynamisches Signalnetzwerk bietet Therapieansätze für Typ-2-Diabetes

Forschende des Deutschen Diabetes-Zentrums (DDZ) und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) haben erstmals den zeitlichen Verlauf der Insulinwirkung auf Proteinkinasen in menschlichen Muskelzellen detailliert untersucht. Ihre Ergebnisse wurden nun in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht und enthüllen bisher unbekannte Mechanismen, die zur Behandlung von Typ-2-Diabetes genutzt werden könnten.

Insulin ist ein lebenswichtiges Hormon, das im Körper zahlreiche Prozesse – von der Blutglukose („Blutzucker“)-Regulation bis hin zum Zellwachstum – steuert. Eine gestörte Insulinwirkung ist ein wesentlicher Faktor bei der Entstehung eines Typ-2-Diabetes, der wiederum das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall erhöht. Doch wie beeinflusst Insulin so viele unterschiedliche Prozesse in der Zelle? Diese Frage untersuchten nun Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des DDZ gemeinsam mit Forschenden des Max-Planck-Instituts für Molekulare Genetik in Berlin und der Universität Oslo.

Insulin reguliert dynamisches Netzwerk

Basierend auf massenspektrometrischen Analyseverfahren (Phosphoproteomik) verfolgten die Forschenden in Muskelzellen die zeitliche Veränderung von über 13.000 Phosphorylierungsstellen. Hierbei handelt es sich um kleine chemische Modifikationen an Eiweißen (Proteine), die wie molekulare An- und Ausschalter agieren und von bestimmten Enzymen, Proteinkinasen genannt, herbeigeführt werden. Die Stimulierung von Muskeln mit Insulin hat weitreichende Folgen für die Koordinierung von molekularen Vorgängen innerhalb der Zelle. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entdeckten, dass bereits nach wenigen Minuten insgesamt 159 verschiedene Proteinkinasen aktiviert waren, rund ein Drittel aller Mitglieder dieser Enzymfamilie, was wiederum in Folge die Aktivität hunderter weiterer Enzyme des Energiestoffwechsels und Zellaufbaus reguliert. Die Analyse zeigte nun erstmals, dass Insulin ein komplexes Netzwerk von Signalen auslöst, die sich wellenartig durch die Zellen ausbreiten. Ähnlich wie bei Funkübertragungen spielen dabei sowohl die Signalstärke als auch die Häufigkeit der Wellen eine Rolle. Die Forschenden fanden, dass die genaue Zeitabfolge der Wellen, d.h. Aktivierung von Proteinkinasen, für die zielgerichtete Wirkung in der Zelle verantwortlich ist.

Bestimmte Signale entstehen durch die Überlagerung mehrerer Wellen, beispielsweise im sogenannten mTOR-Signalweg – einem zentralen Regulator für Zellteilung und Zellwachstum. Mithilfe mathematischer Modelle zeigten die Forschenden, dass dieses dynamische Netzwerk von mehreren hundert Proteinen nur von rund 30 Enzymen (Proteinkinasen und Phosphatasen) geregelt wird. Diese Erkenntnis könnte die Grundlage für die Entwicklung neuer therapeutischer Ansatzpunkte liefern, um die Behandlung von Typ-2-Diabetes zu verbessern: Durch Wirkstoffe, die diese Schlüsselenzyme gezielt aktivieren oder hemmen, könnte die Insulinwirkung verstärkt werden.

Neue Erkenntnisse zur Genregulation

Zudem zeigte sich, dass Insulin die Funktion des sogenannten Spliceosomen-Komplexes beeinflusst, einem zentralen Steuerungselement der Genregulation. Dies lässt darauf schließen, dass das Hormon Insulin weit mehr Aufgaben im menschlichen Körper übernimmt, als bisher vermutet. „Unsere Forschung verdeutlicht, dass Insulin nicht nur die Blutglukoseregulation steuert, sondern ein dynamisches Netzwerk aus Eiweißmodifikationen orchestriert, das präzise und zeitlich abgestimmt die Reaktion der Zellen auf Insulin koordiniert.“, erklärt Prof. Dr. Hadi Al-Hasani, Direktor des Instituts für Klinische Biochemie und Pathobiochemie am DDZ und leitender Wissenschaftler der Studie.

„Die Studie liefert wichtige Erkenntnisse über die Mechanismen der Insulinwirkung und könnte entscheidend dazu beitragen, neue und gezieltere Therapien für Menschen mit Insulinresistenz und Diabetes mellitus zu entwickeln.“, ergänzt Prof. Dr. Michael Roden, Wissenschaftlicher Geschäftsführer und Sprecher des Vorstands des DDZ und Direktor der Klinik für Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Düsseldorf (UKD).

Die Forschenden hoffen, dass diese Ergebnisse langfristig nicht nur das Verständnis für die Entstehung von Typ-2-Diabetes verbessern, sondern auch neue Behandlungsansätze liefern können.

Quelle:

Turewicz M, Skagen C, Hartwig S et al. Temporal phosphoproteomics reveals circuitry of phased propagation in insulin signaling. Nat Commun (2025). https://doi.org/10.1038/s41467-025-56335-6

Über das DDZ:

Das Deutsche Diabetes-Zentrum (DDZ) versteht sich als deutsches Referenzzentrum zum Krankheitsbild Diabetes. Ziel ist es, einen Beitrag zur Verbesserung von Prävention, Früherkennung, Diagnostik und Therapie des Diabetes mellitus zu leisten. Gleichzeitig soll die epidemiologische Datenlage in Deutschland verbessert werden. Federführend leitet das DDZ die multizentrisch aufgebaute Deutsche Diabetes-Studie. Es ist Ansprechpartner für alle Akteure im Gesundheitswesen, bereitet wissenschaftliche Informationen zum Diabetes mellitus auf und stellt sie der Öffentlichkeit zur Verfügung. Das DDZ gehört der „Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz“ (WGL) an und ist Partner im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD e.V.).