Mutter werden trotz schwangerschaftsbedingter Herzschwäche
MHH-Forschende veröffentlichen zwei neue Studien zur Behandlung mit Bromocriptin und zur Möglichkeit einer Folgeschwangerschaft bei Frauen mit PPCM.
Die peripartale Herzschwäche (PPCM) ist eine seltene, aber lebensbedrohliche Erkrankung, die zuvor herzgesunde Frauen wenige Wochen vor oder nach der Geburt eines Kindes treffen kann. Dabei kommt es aus ungeklärten Gründen zu einer stark eingeschränkten Pumpleistung der linken Herzkammer. Die Klinik für Kardiologie und Angiologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) ist das europaweit führende PPCM-Zentrum und betreut in einer Spezialambulanz Patientinnen in einem multiprofessionellen Team aus den Bereichen Kardiologie, Geburtsmedizin und Neonatologie. Die Erkrankung wird in der Klinik nicht nur behandelt, sondern ist auch einer ihrer Forschungsschwerpunkte mit einem sehr großen PPCM-Register mit Daten und Biomaterialien von mehr als 200 Patientinnen. MHH-Präsidentin Professorin Denise Hilfiker-Kleiner hat das Forschungsfeld vor mehr als 20 Jahren an der MHH etabliert und zusammen mit Klinikdirektor Professor Dr. Johann Bauersachs und ihren Teams grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse über PPCM veröffentlicht.
So fand Professorin Hilfiker-Kleiner mit ihrer Arbeitsgruppe bereits im Jahr 2007 heraus, dass bei den betroffenen Frauen das Stillhormon Prolaktin in ein gefäßschädigendes Spaltprodukt zerlegt wird, welches die Herzgefäße schädigt und dadurch eine Herzschwäche bewirkt. Diverse Pilotstudien und Fallberichte deuteten darauf hin, dass die Blockade von Prolaktin mit dem Abstillmedikament Bromocriptin die Heilung von PPCM begünstigt. Zehn Jahre später konnte über eine wissenschaftliche Studie gezeigt werden, dass die Gabe von Bromocriptin über sieben Tage zusätzlich zur Herzinsuffizienztherapie ausreichend ist. Neben neuen Therapiemöglichkeiten beschäftigen sich die Forschenden mit der Frage, wie hoch das Risiko für ein Wiederauftreten oder Fortschreiten der Herzinsuffizienz bei Müttern ist, die nach einer PPCM erneut schwanger werden.
Zu beiden Themen haben Professorin Hilfiker-Kleiner und Professor Bauersachs nun neue Untersuchungen im Fachmagazin „European Heart Journal“ veröffentlicht. Die eine Studie belegt die gute Wirksamkeit der Behandlung mit Bromocriptin als Ergänzung der üblichen Therapie der Herzschwäche, ohne dass sich dadurch das Risiko für eine Thrombose erhöht. Die zweite zeigt, dass selbst für Frauen mit leichter fortbestehender Herzschwäche eine Folgeschwangerschaft bei engmaschiger kardiologischer Betreuung möglich ist.
Bromocriptin verbessert Herzgesundheit
PPCM betrifft eine unter 1.500 bis 2.000 Schwangeren. Die lebensbedrohliche Erkrankung des Herzens ereilt Betroffene ohne Vorwarnung und kann binnen kurzer Zeit zu schwerem Herzversagen und sogar zum Tode führen. Die Symptome ähneln Beschwerden, die gegen Ende einer Schwangerschaft und kurz nach einer Entbindung häufiger vorkommen: Abgeschlagenheit, Atemnot, Husten, Gewichtszunahme, besonders durch Wassereinlagerungen in Lunge und Beinen, sowie Herzrasen. PPCM wird daher oft nicht erkannt und tritt vermutlich häufiger auf als angenommen. Mit Hilfe eines Herz-Ultraschalls und bestimmter Markerproteine im Blut lässt sich die Herzschwäche jedoch eindeutig nachweisen. Rechtzeitig behandelt, erholt sich das Herz oft vollständig, es kann jedoch auch eine Herzschwäche zurückbleiben.
„Bromocriptin ist zusätzlich zur Therapie mit üblicherweise bei Herzschwäche eingesetzten Medikamenten eine vielversprechende Behandlungsoption bei PPCM“, sagt Professorin Hilfiker-Kleiner. „In einem großen weltweiten PPCM Register mit 552 PPCM-Patientinnen haben wir die Wirksamkeit bestätigt und gezeigt, dass Bromocriptin die Herzgesundheit der Mütter eindeutig verbessert.“ Fallberichte über ein höheres Risiko für Gefäßverstopfungen unter einer Behandlung mit dem Abstillmedikament bestätigten sich hingegen nicht. „Diese Daten bekräftigen nicht nur die Wirksamkeit, sondern auch die Sicherheit unseres Therapieansatzes“, erklärt die PPCM-Expertin.
Risiko für Folgeschwangerschaft niedriger als erwartet
In der zweiten Studie ging es um die Frage, ob Frauen mit PPCM von einer erneuten Schwangerschaft generell abzuraten ist. Teilnehmende waren Patientinnen des globalen PPCM-Registers der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie. „Wir haben in früheren Untersuchungen gezeigt, dass Patientinnen, die mit einer noch stark reduzierten Herzfunktion wieder schwanger werden, ein höheres Risiko für eine Verschlechterung der Pumpfunktion des Herzens bei einer Folgeschwangerschaft haben“, sagt Professor Bauersachs. „In der aktuellen Studie haben wir jedoch festgestellt, dass das Risiko der Mütter, schwer zu erkranken oder gar zu versterben, niedriger war als erwartet.“ Selbst bei Frauen, die nach der Geburt weiterhin an einer leichten Herzschwäche litten, verschlechterte sich der Zustand des Herzens nicht nach erneuter Schwangerschaft.
„Die Daten unserer neuesten Studie deuten darauf hin, dass nicht nur bei erholter, sondern auch bei leicht eingeschränkter Herzfunktion eine Folgeschwangerschaft bei PPCM-Patientinnen mit einem vertretbaren Risiko möglich zu sein scheint“, sagt Professor Bauersachs. Diese Lockerung könne allerdings nur in Betracht gezogen werden, wenn die Patientin weiterhin von einem erfahrenen, interdisziplinären medizinischen Team betreut werde und eine angemessene medikamentöse Behandlung erhalte. „In unserer Spezialambulanz ist das der Fall, dort betreuen wir solche Frauen seit Jahren erfolgreich“, betont Professor Bauersachs.
Die Originalarbeit zur Bromocriptin-Wirksamkeit “Bromocriptine treatment and outcomes in peripartum cardiomyopathy: the EORP PPCM registry” finden Sie hier.
Die Originalarbeit zu den Risiken einer Folgeschwangerschaft nach PPCM „Subsequent pregnancies in women with peripartum cardiomyopathy: prospective longitudinal data from the global ESC EORP PPCM Registry” finden Sie hier.
Text: Kirsten Pötzke