In der Pandemie schützen: Konzepte für Kultur, Kliniken, Seniorenheime, Kitas und Schulen
Forschende des Netzwerks Universitätsmedizin (NUM) entwickeln im Kooperationsprojekt B-FAST unter Federführung der Universitätsmedizin Göttingen und der Universitätsklinik Köln nachhaltige Überwachungsstrategien und Testmethoden für den Einsatz in künftigen Pandemien.
(umg/NUM) Testmethoden und Überwachungsstrategien sind wertvolle Werkzeuge, um Infektionen bereits frühzeitig zu erkennen und die unkontrollierte Ausbreitung eines Erregers zu verhindern. Zudem können umfassende Hygienekonzepte dazu beitragen, das Ansteckungsrisiko zu reduzieren. Die Erprobung unterschiedlicher Test- und Überwachungskonzepte zur Eindämmung des SARS-CoV-2-Infektionsgeschehens in besonders relevanten Lebensbereichen, wie beispielsweise Seniorenheimen, Kliniken, Schulen und Kitas, war das Ziel des NUM-Teilprojekts B-FAST (Bundesweites Forschungsnetz „Angewandte Surveillance und Testung”). Bis Dezember 2021 erarbeiteten Ärzt*innen und Wissenschaftler*innen aus 26 Universitätskliniken zusammen mit circa 50 Partnerinstitutionen aus Industrie, Politik, Wissenschaft und Gesundheitswesen Methoden, Konzepte und Strategien für einen breitgefächerten Einsatz in nahezu allen Bereichen des täglichen Lebens zur Bewältigung der Pandemie. Das Großvorhaben wurde mit fast 20 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) über eine Laufzeit von 16 Monaten gefördert. Koordiniert wurde es gemeinsam von Prof. Dr. Simone Scheithauer, Direktorin des Instituts für Krankenhaushygiene und Infektiologie der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), und Prof. Dr. Gerd Fätkenheuer, Leiter der Klinischen Infektiologie an der Uniklinik Köln.
„Die in B-FAST entwickelten Methoden, Strategien und erworbenen Erkenntnisse tra-gen dazu bei, dass wir auf künftige Bedrohungssituationen durch Pandemien besser vorbereitet sind“, sagt Prof. Dr. Gerd Fätkenheuer und erläutert: „Die Herausforderung lag bei B-FAST in dem sich extrem dynamisch entwickelnden Infektionsgeschehen. Neue Virusvarianten, die sich ändernde Immunitätslage durch Impfungen, aber auch die Einschränkungen durch die Lockdowns erschwerten die Umsetzung einiger Erprobungsstrategien. Deshalb mussten Methoden und Konzepte laufend angepasst wer-den.“ Die Test- und Überwachungsstrategien wurden in Kooperation mit externen Partnereinrichtungen, wie dem Robert-Koch-Institut in Berlin oder dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig entwickelt.
Die Ergebnisse aus B-FAST wurden bisher in rund 100 wissenschaftlichen Arbeiten veröffentlicht.
Ausgewählte Ergebnisse
Lolli-Methode für Schulen und Kitas
Die „Lolli-Methode“ ist eine kindgerechte Abstrich- und Untersuchungsmethode zur flächendeckenden Testung von Kindern. Sie wurde vorranging von den Kölner Wissenschaftler*innen entwickelt. Die Methode ist einfach: Jede*r Schüler*in lutscht für jeweils 30 Sekunden an einem Abstrichtupfer. Die Tupfer werden anschließend pro Klassenverband in ein bis zwei Gefäßen zusammengebracht („gepoolt“) und mittels Polymerase-Ketten-Reaktion (PCR) auf SARS-CoV-2 getestet. Bei einem positiven Ergebnis der gesamten Speichelprobe werden die Schüler*innen der entsprechenden Klasse dann noch einmal einzeln getestet und so die infizierten Kinder oder Jugendlichen ausfindig gemacht. Die Lolli-Methode wurde in verschiedenen Bundesländern zur Infektionserkennung in Schulen und Kitas eingesetzt.
Zentrale Plattform für molekulare Überwachung
Die Erforschung und Aufschlüsselung des SARS-CoV-2-Erbguts ist die Voraussetzung, um neue Virusvarianten zu erkennen und das Infektionsgeschehen auf molekularer Ebene zu überwachen. Aus diesem Grund hat B-FAST zusammen mit der Deutschen COVID-19 Omics Inititative (DeCOI), die Infrastrukturen und Expertenwissen im Bereich der Genomforschung bündelt, eine zentrale Plattform für die molekulare Überwachung initiiert. „Die Nachhaltigkeit dieser Entwicklung zeigt sich insbesondere in der Fortsetzung dieser Arbeiten in zwei NUM-Teilprojekten, die 2022 gestartet sind. Beide Projekte werden in enger Zusammenarbeit mit dem Robert-Koch-Institut, dem Niedersächsischen Landesgesundheitsamt und den lokalen Gesundheitsämtern durchgeführt“, sagt Prof. Dr. Simone Scheithauer aus der UMG und ergänzt: „Es ist unser Ziel, die Erfahrungen im Rahmen der Überwachung von SARS-CoV-2 auf andere gesellschaftlich und für Krankenhäuser relevante Erreger, wie zum Beispiel das Grippevirus oder multi-resistente Bakterien, zu übertragen.“
Weitere Ergebnisse
Zudem wurden in B-FAST Sicherheits- und Hygienekonzepte für die Durchführung von Veranstaltungen im Kulturbereich erarbeitet. Mit Hilfe von Informationstechnologie entstanden darüber hinaus Vorhersagemodelle für die Wahrscheinlichkeit positiver Tests. Diese Modelle ermöglichen die schnelle Darstellung von Kontaktnetzwerken bei unerwartet positiven Personen und erlauben Risikoabschätzungen zur Infektionsgefahr in Innenräumen.
Netzwerk Universitätsmedizin (NUM)
Patient*innen optimal versorgen, Infektionen verhindern und Gesundheitsversorgung ausbauen – dazu möchte das im Frühjahr 2020 gegründete Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) beitragen. Es bündelt aktuell Forschungsaktivitäten zur Bewältigung der COVID-19-Pandemie und eröffnet neue Handlungsstrategien. Gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung und koordiniert durch die Charité – Universitätsmedizin Berlin, arbeitet das Forschungsnetzwerk unter Beteiligung der 36 deutschen Standorte der Universitätsmedizin und weiterer Partner an Lösungen für eine bestmögliche Krankenversorgung und Pandemievorsorge. Ein Akzent liegt auf der klinik- und versorgungsnahen Forschung, deren Ergebnisse direkt Patient*innen zugutekommen, in das Krisenmanagement einfließen und zum Aufbau einer nachhaltigen, nationalen Forschungsinfrastruktur beitragen. Zur Umsetzung dieser Aufgabe werden dem NUM und den beteiligten Einrichtungen bis Ende 2024 bis zu 390 Millionen Euro für bundesweite Kooperationsprojekte zur Verfügung gestellt. Mittelfristig ist das Ziel, die innerhalb des Netzwerks geschaffenen Strukturen und Konzepte auch für die Erforschung anderer Krankheitsbilder und somit die Förderung kooperativer Forschung auch über COVID-19 hinaus in der Universitätsmedizin zu nutzen.
Weitere Informationen: https://www.netzwerk-universitaetsmedizin.de