Impfaktion im Bezirk Schwaz: Studie belegt signifikante Reduktion von Corona-Neuinfektionen

„Ohne Sonder-Impfaktion wohl mehr als zehn Mal so viele Infektionen bei den Befragten“

Im Rahmen einer Sonder-Impfaktion im Tiroler Bezirk Schwaz wurden von 11. bis 16. März 2021 (erste Dosis) und von 8. bis 13. April 2021 (zweite Dosis) 67 Prozent der impfbaren Schwazer Bevölkerung mit dem Impfstoff von BioNTech/Pfizer geimpft. In der begleitenden und vom Land Tirol geförderten REDUCE-Studie unter der Leitung von Peter Willeit von der Medizinischen Universität Innsbruck konnte eine mehr als 90%ige Reduktion von Neuinfektionen über einen Zeitraum von sechs Monaten nachgewiesen werden.

Ein zusätzliches EU-Kontingent von 100.000 Dosen der Biontech/Pfizer Impfung gegen COVID-19 ermöglichte im Frühjahr 2021 eine Sonder-Impfaktion im Bezirk Schwaz, die in der Geschwindigkeit ihrer Durchführung einzigartig ist. Innerhalb von nur sechs Tagen erhielten zwei Drittel der in Frage kommenden Bevölkerung – insgesamt über 42.000 Personen – ihre erste Corona-Impfung. Davon bekamen etwa 99,5 Prozent ihre zweite Impfung im empfohlenen zeitlichen Abstand.

Wissenschaftlich begleitet wurde die Sonder-Impfaktion im Bezirk Schwaz von der REDUCE-Studie, die von ForscherInnen der Medizinischen Universität Innsbruck in Zusammenarbeit mit der AGES und dem Virologen Florian Krammer von der Icahn School of Medicine at Mount Sina (USA) entwickelt, umgesetzt und ausgewertet wurde. „Ein Alleinstellungsmerkmal unserer Studie ist, dass untersucht werden konnte, wie sich die rasche Impfung eines Großteils der Bevölkerung auf die Häufigkeit von SARS-CoV-2 Infektionen auswirkte, insbesondere im Vergleich zu anderen Tiroler Bezirken, in denen die Ausrollung der Impfungen langsamer erfolgte“, so Peter Willeit, Studienverantwortlicher und vor kurzem zum Professor für Epidemiologie und Public Health an der Medizinischen Universität Innsbruck berufen. Vergleichbare Studien gibt es nur aus Israel, wo eine ähnliche Durchimpfungsrate über einen Zeitraum von vier Monaten erzielt werden konnte.

In der REDUCE-Studie wurde die Wirksamkeit der Impfkampagne auf Basis der Daten von knapp 12.000 Personen erfasst, die in neun Impfstandorten an der Befragung teilgenommen hatten. Das Durchschnittsalter der teilnehmenden Personen betrug 44,6 Jahre, 51,3 Prozent waren weiblich. Fazit: Zwischen März und September 2021 – also einem Zeitraum von sechs Monaten – hatten 71 StudienteilnehmerInnen eine SARS-CoV-2 Infektion, zwei Drittel davon mit Symptomen. „Bemerkenswert ist, dass in der gesamten Studie nur eine Person wegen der Infektion ins Krankenhaus aufgenommen werden musste und es keinen Todesfall im Zusammenhang mit der Infektion gab“, kommentiert Peter Willeit eine zentrale Erkenntnis.

Die Effektivität der Sonder-Impfaktion in Bezug auf die Reduktion der Häufigkeit von SARS-CoV-2 Infektionen betrug damit im Vergleich zur langsameren Ausrollung der Impfungen in anderen Bezirken 91,1 Prozent im Zeitraum von sechs Monaten – ein Wert, der auch den Ergebnissen der Zulassungsstudien des Impfstoffes entspricht. „Von diesem Ergebnis lässt sich also ableiten, dass es ohne die Sonder-Impfaktion wahrscheinlich wohl mehr als 10 Mal so viele Infektionen bei den Studienteilnehmerinnen und Studienteilnehmern gegeben hätte“, so Willeit. Hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung des Bezirks Schwaz ergibt sich durch die Sonder-Impfaktion für denselben Zeitraum eine ebenso signifikante Senkung des Infektionsrisikos von 64 Prozent.

Weitere Eckdaten der REDUCE-Studie: Innerhalb von nur sieben Tagen wurde das Studienkonzept erstellt, die Genehmigung der Ethikkommission eingeholt, 120 ÄrztInnen und Studierende als Studienpersonal rekrutiert und eingeschult und Studienzentren an neun Standorten im Bezirk Schwaz eingerichtet. Die REDUCE-Studie wurde vom Land Tirol mit 250.000 Euro unterstützt und durch die gute Zusammenarbeit mit den Gesundheitsbehörden des Landes und des Bezirkes Schwaz ermöglicht.

Die wissenschaftliche Arbeit zur REDUCE-Studie wurde im Cell-Journal iScience veröffentlicht, eine Fortsetzung der Untersuchung, die auch Booster-Impfungen berücksichtigt, ist im Gange.

Zur Person:

Peter Willeit ist Professor für Epidemiologie und Public Health und Leiter des Departments für Medizinische Statistik, Informatik und Gesundheitsökonomie an der Medizinischen Universität Innsbruck. Seine Ausbildung in diesen Bereichen absolvierte er an der Universität Cambridge, wo er bis 2016 als Dozent für klinische Epidemiologie tätig war und weiterhin als Honorary Research Fellow angegliedert ist. Ziel seines Forschungsteams ist es, Strategien bei der Prävention und Behandlung häufiger Erkrankungen zu optimieren und dadurch die öffentliche Gesundheit zu fördern.

Forschungsarbeit:
Ultra-rapid rollout vaccination with BNT162b2 to reduce SARS-CoV-2 infections in the general population. https://doi.org/10.1016/j.isci.2022.105380

Details zur Medizinischen Universität Innsbruck

Die Medizinische Universität Innsbruck mit ihren rund 2.200 MitarbeiterInnen und ca. 3.400 Studierenden ist gemeinsam mit der Universität Innsbruck die größte Bildungs- und Forschungseinrichtung in Westösterreich und versteht sich als Landesuniversität für Tirol, Vorarlberg, Südtirol und Liechtenstein. An der Medizinischen Universität Innsbruck werden folgende Studienrichtungen angeboten: Humanmedizin und Zahnmedizin als Grundlage einer akademischen medizinischen Ausbildung und das PhD-Studium (Doktorat) als postgraduale Vertiefung des wissenschaftlichen Arbeitens. An das Studium der Human- oder Zahnmedizin kann außerdem der berufsbegleitende Clinical PhD angeschlossen werden.

Seit Herbst 2011 bietet die Medizinische Universität Innsbruck exklusiv in Österreich das BachelorstudiumMolekulare Medizin“ an. Ab dem Wintersemester 2014/15 kann als weiterführende Ausbildung das Masterstudium „Molekulare Medizin“ absolviert werden. Seit Herbst 2022 bieten die Medizinische Universität Innsbruck und die Leopold-Franzens-Universität Innsbruck gemeinsam ein englischsprachiges Masterstudium „Pharmaceutical Sciences“ an, in dem die Studierenden eine fundierte Ausbildung im Bereich der Arzneimittelentwicklung erwerben können.

Die Medizinische Universität Innsbruck ist in zahlreiche internationale Bildungs- und Forschungsprogramme sowie Netzwerke eingebunden. Schwerpunkte der Forschung liegen in den Bereichen Onkologie, Neurowissenschaften, Genetik, Epigenetik und Genomik sowie Infektiologie, Immunologie & Organ- und Gewebeersatz. Die wissenschaftliche Forschung an der Medizinischen Universität Innsbruck ist im hochkompetitiven Bereich der Forschungsförderung sowohl national auch international sehr erfolgreich.