Durchbruch in der Alzheimerforschung?
Prof. Dr. med. Kathrin Reetz über den Einsatz monoklonaler Antikörper
Ende November wurden auf dem Clinical Trials on Alzheimer’s Disease Kongress die Ergebnisse der klinischen Studie zu Lebanemab vorgestellt. Mit positiven Ergebnissen! Prof. Dr. med. Kathrin Reetz ordnet die Ergebnisse in einem DGN-Standpunkt ein.*
„Die letzten Zulassungen medikamentöser Therapien für die Alzheimer-Demenz in Deutschland liegen nunmehr fast zwei Jahrzehnte zurück. Gibt es jetzt endlich einen Durchbruch durch den Einsatz monoklonaler Antikörper bei der Alzheimer-Krankheit? Denn hier werden aufgrund der demographischen und sozioökonomischen Relevanz ganz dringend wirksame Therapien benötigt. Allein in Deutschland leiden derzeit 1.8 Millionen Menschen an einer Demenz.
Die bisher zugelassenen Medikamente für die Alzheimer-Demenz greifen modulierend in den Neurotransmitterstoffwechsel von Acetylcholin und Glutamat ein. Sie gelten daher als rein symptomatische Therapien. Die monoklonalen Antikörper zielen auf die in der Alzheimer-Forschung am weitesten untersuchte Amyloid-Hypothese. Die Amyloid-Antikörper binden an das β-Amyloid-Peptid, um Aβ-Oligomere oder -Aggregate zu neutralisieren und zu eliminieren. Sie sollen den Erkrankungsprozess modulieren und die Erkrankungsprogression verlangsamen.
Studien zu Aducanumab und Gantenerumab überzeugten nicht
Die Studien zu Aducanumab und Gantenerumab zeigten zwar eine Reduktion von Amyloid, aber keine überzeugende kognitive Verbesserung. Aducanumab wurde in den USA von der FDA über ein accelerated approval-Verfahren zugelassen. In Europa entschied sich die EMA dagegen, aufgrund der eher geringen kognitiven Effekte über einen 78-wöchigen Behandlungszeitraum. Gründe waren die unklare Studienlage mit einer positiven und einer negativen Studie (die beide formal nicht zu Ende geführt wurden), und der möglichen Nebenwirkungen in Form von Hirnödemen und Mikroblutungen ARIAs (amyloid related imaging abnormalities), die eine regelmäßige MRT-Untersuchung erforderlich machen.
Erste Erfolge mit Lecanemab
Jetzt wurden ganz aktuell Ende November auf dem Clinical Trials on Alzheimer’s Disease (CTAD)-Kongress in San Francisco die Ergebnisse der klinischen Studie zu Lecanemab vorgestellt. Und tatsächlich: Lecanemab verlangsamte das Fortschreiten der Alzheimer-Krankheit in frühen Stadien. An der über 18 Monate weltweit durchgeführten Studie nahmen 1.795 Personen mit leichter kognitiver Störung oder leichtgradiger Demenz bei einer Alzheimer-Krankheit teil, von denen die Hälfte alle zwei Wochen 10 mg/kg Lecanemab intravenös erhielt.
Gemessen am primären Endpunkt, nämlich einer Verlangsamung der Krankheitsprogression mittels einer gut etablierten klinischen Beurteilungsskala zur Erfassung der Krankheitsschwere (Clinical Dementia Rating-Sum of the Boxes, CDR-SB), wurde die Erkrankungsprogression um 27 % verlangsamt. Ferner überzeugten auch die positiven sekundären Endpunkte, einschließlich der Aktivitäten des täglichen Lebens mit einem Unterschied um 37% im Vergleich zur Placebogruppe.
Nebenwirkungen und klinische Benefits
Doch wie sieht es mit Nebenwirkungen aus? Berichten zufolge gab es zwei Todesfälle bei Patienten im Nachgang der eigentlichen Studie, die mit blutgerinnungshemmenden Medikamenten einmal bei einem Schlaganfall und einmal bei einem Herzinfarkt behandelt wurden. Denn auch unter Lecanemab können ARIAs auftreten, insbesondere bei APOE4 Genträgern. Hier sind weitere Daten und nötiges Monitoring erforderlich.
Und wie sieht es mit dem klinischen Benefit aus? Diese Frage werden sicher nur Langzeitdaten beantworten können, inwieweit „die Schere“ weiter auseinander geht oder auch nicht. In der aktuellen Studie profitierten die Patienten umgerechnet von einer Verzögerung der Krankheitsprogression von knapp fünf Monaten.
Es ist endlich ein erster Erfolg. Aber es gibt noch viel zu tun: insbesondere hinsichtlich Nebenwirkungen, Langzeitwirkung und auch Umsetzung. Die Hersteller haben für Lecanemab bei der amerikanischen Zulassungsbehörde, der FDA, eine Zulassung beantragt. Wir werden Sie weiter auf dem Laufenden halten.“