Durchbruch in der Behandlung der erblichen Form der thrombotisch-thromboytopenischen Purpura (TTP)
Ein standortübergreifendes Forschungsteam der Klinik Hirslanden in Zürich und des Inselspitals in Bern hat erstmals eine Patientin mit der seltenen angeborenen Form der thrombotisch-thrombozytopenischen Purpura (TTP) erfolgreich mit rekombinant-hergestellter ADAMTS13 behandelt. Damit wurde ein nächster Meilenstein in der TTP-Forschung und -Diagnostik erreicht, in welcher Forschende des Inselspitals seit über 25 Jahren weltweit führend sind.
Die jahrelange Odyssee einer 27-jährigen Patientin, die eine Schwangerschaftsvergiftung mit Totgeburt in er 23. Schwangerschaftswoche gefolgt von zwei Schlaganfällen, endete in der 2. Schwangerschaft als PD Dr. Lars Asmis von der Klinik Hirslanden in Zürich und Prof. Johanna A. Kremer Hovinga vom Inselspital Bern innerhalb einer Woche die Diagnose einer angeborenen thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (hTTP) stellen konnten.
Ursache der hTTP ist ein erblicher Mangel infolge Gendefekt einer Eiweiss-Schere im Plasma namens ADAMTS13. Ist die ADAMTS13-Funktion schwer eingeschränkt kommt es im ganzen Körper zur Verstopfung der Gefässe durch kleine Blutgerinnsel, welche die Blutversorgung lebenswichtiger Organe, wie Gehirn, Herz oder Nieren blockieren. Es kommt zu Schlaganfällen, Herzinfarkten, oder Nierenversagen. Neben Schlaganfällen in jungen Jahren, sind schwere, früh einsetzende Schwangerschaftsvergiftungen (Präeklampsie), die das Leben der schwangeren Patientin und des ungeborenen Kindes gefährden, wegen ausgedehnter Gerinnselbildung in der Plazenta besondere Merkmale der erblichen TTP. Bei Frauen wird sie häufig auch erst nach einer schweren Schwangerschaftskomplikation diagnostiziert.
Mit der Diagnose steht jeweils ein erster Therapieplan fest. Durch regelmässige Plasma-Gaben in einfachen Fällen durch Infusionen, in schweren oder fortgeschrittenen Fällen durch einen Plasmaaustausch, wird ADAMTS13 zugeführt. Bei der 27-jährigen Patientin genügte diese Therapie nicht, die Zeichen der Schwangerschaftsvergiftung nahmen zu und das Leben der werdenden Mutter und ihres ungeborenen Kindes waren akut gefährdet. Es brauchte mehr ADAMTS13, als durch Plasma zugeführt werden konnte. In dieser Situation beantragten die Ärzte der Klinik Hirslanden den Einsatz von biotechnologisch hergestellter, rekombinanter ADAMTS13, welche sich zurzeit noch in Entwicklung befindet und in Phase-3-Studien untersucht wird. Nach Erhalt aller Bewilligungen und mit dem schriftlichen Einverständnis der Patientin und ihres Ehemannes konnte die Therapie mit rekombinanter ADAMTS13 rasch gestartet und der Zustand der Patientin stabilisiert werden. Ohne weitere Komplikationen brachte sie in der 38. Schwangerschaftswoche per Sectio einen gesunden Knaben zur Welt. Mutter und Kind sind heute wohlauf.
Seit über 25 Jahren wird am Inselspital erfolgreich zur TTP geforscht. Hier entdeckten Forschende 1996 die ADAMTS13 (die Eiweiss-Schere hiess damals noch Von-Willebrand-Faktor-spaltende Protease). Im Jahr darauf stellen sie den Zusammenhang her zwischen einem schweren ADAMTS13-Mangel und der akuten, lebensbedrohlichen TTP. Anfang der 2000er Jahre konnte mit Beteiligung der Inselspital-Forschenden bereits im Labor gezeigt werden, dass biotechnologisch hergestellte ADAMTS13 in Blutproben von TTP-Patientinnen und Patienten die Klebrigkeit des Von-Willebrand-Faktors vermindert und damit die Bildung kleiner Blutgerinnsel verhindert. Es sollte aber noch fast 20 Jahre dauern, bis die rekombinante ADAMTS13 für die Behandlung bei hTTP Patientinnen und Patienten zur Verfügung stand. Neben der Anwendung in der schwangeren Patientin, werden zurzeit mehrere hTTP Patientinnen und Patienten in einer Phase-3-Studie (ClinicalTrials.gov NCT04683003) prophylaktisch mit rekombinanter ADAMTS13 behandelt.
Prof. Dr. Johanna Kremer Hovinga, Leitende Ärztin an der Universitätsklinik für Hämatologie und Hämatologisches Zentrallabor am Inselspital Bern trägt seit 20 Jahren mit ihrer Forschung massgeblich dazu bei, dass dieser neue TTP-Meilenstein erreicht werden konnte.
«Die lange Wartezeit bis die rekombinante ADAMTS13 für die hTTP-Behandlung endlich vorhanden ist, haben wir gut genutzt um die klinischen Besonderheiten der erblichen Form der TTP herauszuarbeiten. Das International Hereditary TTP Registry (www.ttpregistry.net; ClinicalTrials.gov NCT01257269), welches 2006 in Bern begonnen wurde, war dafür ganz entscheidend. Die gewonnenen Erkenntnisse haben erst die schnelle Diagnose und korrekte Therapie ermöglicht», zeigt sich Prof. Kremer Hovinga erfreut über den ersten erfolgreichen Einsatz von rekombinanter ADAMTS13 bei der schwangeren Patientin. In der Schweiz sind bisher nur zwölf hTTP-Patientinnen und -Patienten bekannt geworden, weshalb die nationale und internationale Zusammenarbeit in der Forschung enorm wichtig ist.
Der Fall der erfolgreich behandelten Patientin ist am 22.12. 2022 als Brief Report im New England Journal of Medicine (NEJM) publiziert worden: «Recombinant ADAMTS13 for Hereditary Thrombotic Thrombocytopenic Purpura».
Mehr über die Analysemethoden für die Diagnose der TTP sowie eine allgemeine Einschätzung zur Erkrankung und Therapie der erworbenen Form der TTP erläuterte Prof. Dr. Johanna Kremer Hovinga kürzlich in einer Reportage von gesundheitheute (ab min. 12:00).