Chancen der Digitalisierung bei chronischer Erkrankung

Original Titel:
American Academy of Neurology Telehealth Position Statement.

MedWiss – Die moderne Technologie bietet mehr und mehr Möglichkeiten für die medizinische Versorgung von Menschen mit chronischen Erkrankungen wie der Multiplen Sklerose (MS).
Die moderne Technologie bietet mehr und mehr Möglichkeiten für die medizinische Versorgung von Menschen mit chronischen Erkrankungen wie der Multiplen Sklerose (MS). Das fängt an bei Apps wie der „Digitalen Hausapotheke“, die dabei helfen können, die eigene MS-Therapie zu managen. Mit wieder anderen Apps kann der nächste Kontrolltermin digital vereinbart werden. Die American Academy of Neurology veröffentlichte 2021 ein Positionspapier zu den Vorteilen und zukünftig zu erwartenden Chancen, aber auch zu möglichen Problemen der Telemedizin.1 Telemedizin nutzt digitale Informationen und Telekommunikations-Technologien, um eine medizinische Versorgung auch dann sicherzustellen, wenn Behandelnde und Patienten durch Zeit oder räumlichen Abstand getrennt sind. Damit können ganz unterschiedliche Dinge gemeint sein, wie etwa:
  • Videotelefonat in Echtzeit
  • Virtuelle Gesundheits-Checkups
  • Digitale Gesundheits-Anwendungen (DiGA, „App auf Rezept”)
  • Digitale Verlaufskontrolle

Was bringt Telemedizin Menschen mit Multipler Sklerose?

In Zeiten der Coronavirus-Pandemie ersparte das Videotelefonat den Betroffenen die Anreise und reduzierte für alle Beteiligten die Zahl der Risikokontakte. Zum typischen MS-Kontrolltermin gehören jedoch eine ganze Reihe von Untersuchungen, um den aktuellen Behinderungsgrad und die Aktivität der Erkrankung zu erfassen. MS-Symptome verändern sich schließlich mit der Zeit, die Erkrankung verläuft zudem individuell unterschiedlich. Forschende schlugen dazu eine Reihe von Tests und Patienten-berichtete Symptome (engl. patient-reported outcomes, PROs) vor, die sich für die telemedizinische Beurteilung bei der MS eigneten2 :
  • Patient determined disease steps (PDDS): Selbsteinschätzung der Aktivitäts-Einschränkung (Gehen, Rollator, Rollstuhl)
  • MS Impact Scale (MSIS-29): Selbsteinschätzung der Einschränkung im Alltag (anstrengende Aufgaben, Gleichgewicht, Krämpfe, Schlaf, Psyche)
  • Symbol Digit Modalities Test (SDMT): Einschätzung der Denkleistung (Ersetzen von geometrischen Figuren durch Zahlen nach vorgegebenem Muster)2
Tablet- oder Smartphone-basierte Programme ermöglichen auch eine regelmäßige Verlaufskontrolle zwischen den Vor-Ort-Terminen. Dazu dienen selbstständig durchgeführte Tests und digital dokumentierte Symptome wie etwa Stimmungsbeeinträchtigungen oder Störungen der Blasenkontrolle. So können beginnende Schübe sichtbar werden, selbst wenn der Behinderungsgrad (EDSS, Expanded Disability Status Scale) noch keine Veränderung zeigt. Digital übermittelt dienen solche Daten als ergänzende Beurteilungshilfe für den betreuenden Arzt bzw. die Ärztin, ermöglichen eine zeitnahe Anpassung der Therapie und unterstützen so die personalisierte Behandlung der MS.3 Mit Schrittzähler und Smartwatch können darüber hinaus weitere sogenannte „digitale Biomarker” erfasst werden. Damit sind digital gemessene, objektive Anzeichen für Körperprozesse gemeint: Veränderungen in Schrittzahl oder Aktivitätsmuster können beispielsweise auf eine MS-Fatigue oder neu auftretende Gangunsicherheiten deuten. Zukünftig könnte – wenn alle digitalen Daten, auch Laborwerte und bildgebende Daten, zusammengefasst werden – sogar eine Art „digitaler Zwilling” jedes MS-Betroffenen entstehen, der mithilfe künstlicher Intelligenz eine viel passgenauere Analyse der Erkrankung, Prognose und der optimalen Therapieentscheidungen ermöglichen könnte.4

Digitale Biomarker und digitaler Zwilling: Die Zukunft der personalisierten MS-Medizin

Selbstverständlich stellen sich bei der Erfassung und vor allem der Übermittlung von persönlichen Daten auch wichtige Fragen zum Datenschutz. Bei DiGAs, also vom Arzt bzw. von der Ärztin verschriebenen Apps, wird der Schutz der Patientendaten schon mit der Zertifizierung sichergestellt. Die moderne Datenerfassung, ob passiv per Smartwatch oder aktiv mit digitalen Funktionstests und Befragungen, bietet so Betroffenen die Chance zur Selbstbeurteilung ihrer MS und unterstützt individualisierte Therapieentscheidungen. In der Zukunft könnte diese Entwicklung zur personalisierten Therapie die Behandlung der MS noch stärker leiten und – so die Hoffnung – wirksamer gestalten.   Weitere Informationen zur MS finden Sie unter https://www.ms-gateway.de/   Mit freundlicher Unterstützung der Bayer Vital GmbH   Referenzen: 1: Hatcher-Martin JM, Busis NA, Cohen BH, Wolf RA, Jones EC, Anderson ER, Fritz JV, Shook SJ, Bove RM. American Academy of Neurology Telehealth Position Statement. Neurology. 2021 Aug 17;97(7):334-339. doi: 10.1212/WNL.0000000000012185. Epub 2021 May 13. PMID: 33986141; PMCID: PMC8377877. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8377877/ 2: Moccia M, Lanzillo R, Brescia Morra V, Bonavita S, Tedeschi G, Leocani L, Lavorgna L; Digital Technologies Web and Social Media Study Group of the Italian Society of Neurology. Assessing disability and relapses in multiple sclerosis on tele-neurology. Neurol Sci. 2020 Jun;41(6):1369-1371. doi: 10.1007/s10072-020-04470-x. Epub 2020 May 21. PMID: 32440979; PMCID: PMC7241064. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32440979/ 3: Dillenseger A, Weidemann ML, Trentzsch K, Inojosa H, Haase R, Schriefer D, Voigt I, Scholz M, Akgün K, Ziemssen T. Digital Biomarkers in Multiple Sclerosis. Brain Sci. 2021 Nov 16;11(11):1519. doi: 10.3390/brainsci11111519. PMID: 34827518; PMCID: PMC8615428. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34827518/ 4: Voigt I., Inojosa H., Dillenseger A., Haase R., Akgün K., Ziemssen T. Digital Twins for Multiple Sclerosis. Front. Immunol. 2021;12:669811. doi: 10.3389/fimmu.2021.669811. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34012452/

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