Nitrosamine in Lebensmitteln: EFSA veröffentlicht neue Stellungnahme zu gesundheitlichen Risiken

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat die gesundheitlichen Risiken von Nitrosaminen in Lebensmitteln bewertet. Nitrosamine sind chemische Verbindungen, die sich während der Zubereitung und Verarbeitung von Lebensmitteln in Gegenwart von Stoffen, wie zum Beispiel Nitrit und Stickoxiden sowie bestimmten sekundären und tertiären Aminen, bilden können. Sie kommen daher u. a. in gepökelten Fleischerzeugnissen, verarbeitetem Fisch, Bier und anderen alkoholischen und nicht-alkoholischen Getränken vor. Sie wurden aber auch in Käse, Getreide, verarbeitetem Gemüse, Sojasoßen und verschiedenen Ölen nachgewiesen. Die meisten dieser Verbindungen haben sich im Tierversuch als krebserzeugend erwiesen. Ob dies auch für den Menschen gilt, ist bislang noch nicht eindeutig nachgewiesen. Auch im menschlichen Körper können Nitrosamine entstehen. In welchem Ausmaß die Aufnahme von Nitrit bzw. Nitrat aus Lebensmitteln zur endogenen Bildung von Nitrosaminen führt, ist nach wie vor nicht ausreichend geklärt. Menschen nehmen Nitrosamine hauptsächlich über verarbeitete Lebensmittel auf.

In einer aktuellen Stellungnahme hat die EFSA eine Bewertung gesundheitlicher Risiken durch Nitrosamine in Lebensmitteln vorgenommen. Diese erfolgte auf der Grundlage einer Schätzung der Gesamtaufnahme unter Verwendung verfügbarer Gehaltsdaten. Dabei wurde zudem berücksichtigt, dass die meisten der Nitrosamine im Körper durch Cytochrom P450-Enzymsysteme in erbgutverändernde und krebserzeugende (genotoxisch und kanzerogen wirkende) Verbindungen umgewandelt werden (Bioaktivierung). Zur Risikobewertung hat die EFSA, wie in der EU für genotoxisch und kanzerogen wirkende Stoffe in Lebensmitteln üblich, das Margin of Exposure (MOE)-Konzept genutzt. Danach kann die ernährungsbedingte Exposition gegenüber Nitrosaminen, insbesondere bei einem hohen Verzehr von bestimmten Lebensmitteln, zu MOE-Werten deutlich kleiner als 10.000 führen. Insgesamt kommt die EFSA zu dem Schluss, dass die ernährungsbedingte Exposition gegenüber Nitrosaminen (P95; hoher Verzehr von Lebensmitteln mit Nitrosaminen) auch unter Berücksichtigung der vorhandenen Unsicherheiten mit großer Wahrscheinlichkeit für alle Altersgruppen auf ein Gesundheitsrisiko hinweist.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) teilt die Ansichten der EFSA auch im Hinblick auf die bestehenden wissenschaftlichen Unsicherheiten.

Insgesamt wurden 32 verschiedene Nitrosamin-Verbindungen untersucht, wobei bislang aber nur ein Teil davon in Lebensmitteln nachgewiesen werden konnte. Bei Nagern verursacht die Aufnahme von bestimmten Nitrosaminen vor allem Krebs in der Leber, im oberen Magen-Darm-Trakt und in den Atemwegen. Epidemiologische Studien am Menschen berichten über Zusammenhänge zwischen der Aufnahme von Nitrosaminen und Krebserkrankungen in verschiedenen Organen. Aufgrund von Limitationen im Studiendesign konnten diese epidemiologischen Studien jedoch nicht zur Bewertung des Risikos für die menschliche Gesundheit herangezogen werden. Deshalb betrachtete die EFSA für ihre Risikobewertung die Häufigkeit von Lebertumoren bei Nagetieren als die wichtigste schädliche Auswirkung der Nitrosamin-Exposition.

Wie in der EU für genotoxisch und kanzerogen wirkende Stoffe üblich, wurde zur Risikobewertung das Margin of Exposure (MOE)-Konzept genutzt. Der MOE ist der Quotient aus einem geeigneten toxikologischen Referenzpunkt und der Schätzung zur Höhe der Exposition gegenüber der Substanz beim Menschen. Die EFSA hat aus tierexperimentellen Daten einen Referenzpunkt (Lebertumore, BMDL10) von 10 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag für N-Nitrosodiethylamin (NDEA) identifiziert. Dieser Wert wurde stellvertretend als Referenzpunkt für alle bewerteten Nitrosamine herangezogen. Ein MOE von 10.000 oder größer wird mit Blick auf die öffentliche Gesundheit als wenig bedenklich – allerdings nicht unbedenklich – angesehen und daher als niedrige Priorität für Maßnahmen des Risikomanagements erachtet. Das MOE-Konzept dient  ausschließlich der Priorisierung, das heißt der Einschätzung der Dringlichkeit von Risikomanagementmaßnahmen. Für Stoffe mit genotoxischer und kanzerogener Wirkung werden keine gesundheitlich unbedenklichen Aufnahmemengen (health-based guidance values) abgeleitet. Die EFSA kommt zu dem Schluss, dass der MOE für krebserzeugende Nitrosamine bei der P95-Exposition (hoher Verzehr von Lebensmitteln mit Nitrosaminen) mit großer Wahrscheinlichkeit für alle Altersgruppen unter 10.000 liegt. Insgesamt kommt die EFSA zu dem Schluss, dass die ernährungsbedingte Exposition (P95; hoher Verzehr von Lebensmitteln mit Nitrosaminen) gegenüber Nitrosaminen auch unter Berücksichtigung der vorhandenen Unsicherheiten mit großer Wahrscheinlichkeit für alle Altersgruppen auf ein Gesundheitsrisiko hinweist.

Höchste Aufnahme von Nitrosaminen durch Fleisch und Fleischprodukte

Die EFSA wertete eine Vielzahl an Ergebnissen von Lebensmittelproben und Analyseergebnissen aus Publikationen aus und konnte für die folgenden fünf Lebensmittelkategorien die ernährungsbedingte Exposition ableiten: „Alkoholische Getränke“, „Kaffee, Kakao, Tee und Aufgussgetränke“, „Fisch, Meeresfrüchte, Amphibien, Reptilien und wirbellose Tiere“, „Fleisch und Fleischprodukte“ und „Gewürze, Soßen und Würzmittel“.

Die Lebensmittelkategorie „Fleisch und Fleischprodukte“ trägt laut der EFSA-Stellungnahme am meisten zur Aufnahme von krebserzeugenden Nitrosaminen bei. Die Bewertung des gesundheitlichen Risikos von Nitrosaminen ist allerdings mit wissenschaftlichen Unsicherheiten behaftet, da aufgrund von fehlenden Daten wichtige Lebensmittelkategorien wie Gemüse, Getreide und Milch und Milchprodukte nicht mit einbezogen werden konnten.

Datenlücken schließen

Um das Risiko für die menschliche Gesundheit noch besser einschätzen zu können, müssen zukünftig weitere Daten zur Toxikologie (Wirkmechanismus, mutagene und kanzerogene Potenz) von weiteren Nitrosaminen in die Bewertung miteinfließen. Um den Zusammenhang zwischen Nitrosaminen und der Entstehung von Tumoren beim Menschen feststellen zu können, auch unter Berücksichtigung weiterer externer Faktoren, weist die EFSA auf die Notwendigkeit von epidemiologischen Studien hin, die durch moderne molekulare Ansätze ergänzt werden sollten. Weitere Unsicherheiten resultieren aus dem Fehlen von Daten zu Gehalten an Nitrosaminen in anderen wichtigen Lebensmittelkategorien, insbesondere in Gemüse, Getreide, Milch und Milchprodukten, aber auch in fermentierten Lebensmitteln, Sauerkonserven, gewürzten Lebensmitteln und gekochten Produkten. Dazu sind standardisierte und ausreichend empfindliche analytische Nachweisverfahren zur Quantifizierung von flüchtigen und nicht-flüchtigen Nitrosaminen in verschiedenen Lebensmitteln erforderlich.

Weitere Informationen auf der BfR-Website zum Thema Nitrosamine:

Fragen und Antworten zu Nitrat und Nitrit in Lebensmitteln: https://www.bfr.bund.de/de/fragen_und_antworten_zu_nitrat_und_nitrit_in_lebensmitteln-187056.html
„Stellungnahmen-App“ des BfR

Über das BfR

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist eine wissenschaftlich unabhängige Einrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Es berät die Bundesregierung und die Bundesländer zu Fragen der Lebensmittel-, Chemikalien- und Produktsicherheit. Das BfR betreibt eigene Forschung zu Themen, die in engem Zusammenhang mit seinen Bewertungsaufgaben stehen.