DGVS: bei Gastro-Erkrankungen auf gesunde Ernährung achten – Was tun gegen Mangelernährung?

Berlin – Für 89 Prozent der Deutschen spielt der Faktor Gesundheit in Fragen der Ernährung eine wichtige Rolle. Das zeigt der vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft herausgegebene Ernährungsreport (1). Doch was zeichnet eine „gesunde“ Ernährung aus und welche Rolle spielt die Ernährung bei gastroenterologischen Erkrankungen? Um diese Fragen ranken sich viele Mythen und Halbwahrheiten – etwa, dass eine ketogene Diät gegen Krebs helfe. Auf der Online-Jahrespressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten e.V. (DGVS) am Mittwoch, den 14. Juni 2023, ordneten Expert*innen ein, welche Aussagen über die Zusammenhänge von Ernährung und Gastro-Gesundheit wissenschaftlich belegt sind und welche nicht. Sie thematisierten außerdem, warum Mangelernährung bei gastroenterologischen Patient*innen ein häufiges Problem darstellt und welche Maßnahmen Krankenhäuser dagegen ergreifen können.

Gesund ist, was schmeckt. „Dieser Grundsatz gilt in Ernährungsfragen leider nicht immer“, sagt Professor Dr. med. Martina Müller-Schilling, Direktorin der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I am Universitätsklinikum Regensburg. Denn bestimmte Lebensmittel können das individuelle Risiko, an Krebs zu erkranken, teils deutlich erhöhen. Dazu zählen verarbeitetes oder rotes Fleisch oder auch Alkohol (2, 3). „Verarbeitetes Fleisch kann das Darmkrebs-Risiko um 18 Prozent erhöhen, wenn man davon täglich mehr als 50 Gramm zu sich nimmt“, so Müller-Schilling (2). „Auch dem berühmten Glas Rotwein am Abend werden zwar immer wieder positive Gesundheitseffekte zugeschrieben. Doch schon geringe Mengen Alkohol pro Tag erhöhen das Krebsrisiko“, sagt die Expertin.

Mythos und Wahrheit: Was Ernährungsformen leisten können

Doch lässt sich über die Ernährung das Krebsrisiko auch senken? „Wer häufig Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Nüsse, Obst und Gemüse zu sich nimmt und weitestgehend auf verarbeitete kalorienreiche Nahrungsmittel, die einen hohen Fett-, oder Zuckergehalt haben, verzichtet, tut seiner Gesundheit etwas Gutes“, erklärt die Expertin. Diese Ernährungsform entspreche den gängigen nationalen und internationalen Empfehlungen zur Vorbeugung vieler Krebserkrankungen. Auch bei einer bereits bestehenden Krebserkrankung sei eine ausgewogene, gesunde Ernährung wichtig. Dagegen halten sich hartnäckig Mythen, dass bestimmte Ernährungsformen wie eine ketogene Diät mit einem hohen Fett- und einem geringen Kohlenhydratanteil das Tumor- und Metastasenwachstum bremsen oder sogar umkehren könnten. „Dafür gibt es keinen wissenschaftlichen Beleg“, stellt die Gastroenterologin klar. Im Gegenteil erhöhe diese Ernährungsform das Risiko für eine Mangelernährung schon innerhalb weniger Wochen.

Mangelernährung im Krankenhaus: Gastroenterologe fordert mehr Aufmerksamkeit

Eine Mangelernährung kommt bei mehr als einem Viertel der Patientinnen und Patienten vor, die in Deutschland im Krankenhaus aufgenommen werden (4). „In der Gastroenterologie, die mit der Onkologie und der Geriatrie die meisten mangelernährten Patienten versorgt, sind meist Tumoren oder Krebserkrankungen der Verdauungsorgane, aber auch chronische und chronisch-entzündliche Darm- oder Lebererkrankungen, die Hauptursachen von Mangelernährung“, sagt Professor Dr. med. Thomas Frieling vom Helios Klinikum Krefeld. Das Problem: „Bei Patientinnen und Patienten mit unzureichendem Ernährungszustand treten teilweise deutlich mehr Komplikationen auf, darunter Infektionen, Wundheilungsstörungen oder auch eine erhöhte Sterblichkeit“, so Frieling.

Frieling sieht hier Politik und Krankenhausträger in der Verantwortung. „Das Dilemma ist, dass Gesundheits- und Sozialetats für Ernährungstherapien und professionelle Ernährungsteams meist keine Mittel vorsehen“, so der Krefelder Experte. Dabei sei dies Sparen am falschen Ende, denn Mangelernährung verursacht jedes Jahr Mehrkosten in Milliardenhöhe (5). „Es braucht ein Umdenken bei den Verantwortlichen, damit das Problem der Mangelernährung endlich angegangen wird“, fordert Gastroenterologe Frieling.

Quellen

  1. Deutschland, wie es isst. Der BMEL-Ernährungsreport 2022: https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/ernaehrungsreport-2022.pdf?__blob=publicationFile&v=9
  2. Bouvard et al. Carcinogenicity of consumption of red and processed meat. Lancet Oncology 2015. DOI: http://dx.doi.org/10.1016/S1470-2045(15)00444-1
  3. WHO – alcohol consumption: https://www.who.int/europe/news/item/04-01-2023-no-level-of-alcohol-consumption-is-safe-for-our-health
  4. Pirlich M, Schütz T, Norman K, Gastell S, Lübke HJ, Bischoff SC, Bolder U, Frieling T, Güldenzoph H, Hahn K, Jauch KW, Schindler K, Stein J, Volkert D, Weimann A, Werner H, Wolf C, Zürcher G, Bauer P, Lochs H. The German hospital malnutrition study. Clin Nutr. 2006 Aug;25(4):563-72. doi: 10.1016/j.clnu.2006.03.005. Epub 2006 May 15. PMID: 16698132.
  5. Khalatbari-Soltani S,Marques-Vidal P. The economic cost of hospital malnutrition in Europe; a narrative review. Clin Nutr ESPEN 2015; 10(3): e89-e94.

Hier können Sie die Aufzeichnung der Pressekonferenz abrufen: https://attendee.gotowebinar.com/recording/3849109165670803291

Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) wurde 1913 als wissenschaftliche Fachgesellschaft zur Erforschung der Verdauungsorgane gegründet. Heute vereint sie mehr als 6500 in Klinik und Forschung tätige Ärzt*innen unter einem Dach. Die DGVS fördert sehr erfolgreich wissenschaftliche Projekte und Studien, veranstaltet Kongresse und Fortbildungen und unterstützt aktiv den wissenschaftlichen Nachwuchs. Ein besonderes Anliegen ist der DGVS die Entwicklung von Standards und Behandlungsleitlinien für die Diagnostik und Therapie von Erkrankungen der Verdauungsorgane – zum Wohle der Patienten.