Aus für saisonale Depressionen? Klassische Depressionsdiagnostik bietet genauere Prognose für winterdepressive Patienten
Original Titel:
Stability of the diagnosis of seasonal affective disorder in a long-term prospective study
Die saisonale Depression zeigt sich als Muster vor allem depressiver Episoden in der dunklen Jahreszeit. Allerdings gab es bisher kaum Studien, die die Diagnose auch langfristig abgesichert haben. Könnte eine sogenannte saisonale Depression also eventuell einfach eine klassische Depression sein, oder sollte man sie als eigenständige Erkrankung verstehen und damit auch gesonderte Behandlungsschritte einleiten? Wissenschaftler der Paris Descartes Universität in Frankreich rund um Dr. Cléry-Melin untersuchten nun, ob sich die Diagnose der saisonalen Depression bei Patienten auf lange Sicht veränderte oder stabil blieb.
Dazu wurden 225 Patienten rekrutiert, die mit einer saisonalen Depression diagnostiziert worden waren. Zu Beginn der Studie wurden ihre klinischen Symptome untersucht. Zusätzlich wurde ermittelt, wie gut sie auf eine Lichttherapie, die in aktuellen Studien auch schon für die bipolare Störung als hilfreich gefunden wurde, ansprachen. Anschließend, nach 2 bis zu 12 Jahren, wurden mehr als die Hälfte der Patienten (119) wieder befragt. Dabei wurden depressive Erkrankungen in der Familie, frühere Suizidversuche und Heißhunger auf Kohlenhydrate, ein klassisches Symptom von Depressionen, erfragt. Außerdem wurden die depressiven Symptome mit Hilfe der Depressionsbewertungsskala HAM-D eingeschätzt.
Von diesen 119 Patienten entsprachen zum zweiten Studienzeitpunkt nur noch 32 Patienten (also weniger als ein Drittel) den Kriterien nach DSM-IV für eine tatsächliche saisonale Depression. Die Mehrzahl der Studienteilnehmer (59 %) war bei dieser Folgebefragung symptomfrei. 14 % der Patienten litten dagegen unter Depressionen, die nicht abhängig von den Jahreszeiten waren. Es zeigte sich, dass die Patienten mit langfristig stabiler Diagnose der saisonalen Depression häufiger familiär depressive Erkrankungen aufwiesen, in ihrer Vergangenheit suizidal waren und tendenziell öfter als andere Patienten Kohlenhydratheißhunger hatten. Vor allem erlaubten aber ausgeprägtere depressive Symptome gemäß der HAM-D-Skala zum Zeitpunkt der ersten Untersuchung eine Prognose, dass die Patienten auch später noch unter der sogenannten saisonalen Depression leiden würden. Allerdings war die Studie limitiert dadurch, dass nur die Hälfte der Patienten für eine zweite Evaluation zur Verfügung stand.
Aufgrund der Daten fanden die Wissenschaftler, dass Patienten mit einer langfristig aktiven, sogenannten saisonalen Depression zur ersten Untersuchung stärker ausgeprägte depressive Symptome wie HAM-D-Skalawerte und Heißhungeranfälle haben. Die speziellen diagnostischen Kriterien für die saisonale Depression konnten dagegen kaum vorhersagen, welche Patienten in der Folge noch unter Depressionen leiden würden. Die Forscher schließen aus den Ergebnissen, dass die saisonale Depression in Symptomen und Muster damit vielmehr einer klassischen Depression entspricht, die sich in Episoden zeigt, als einer eigenständigen Erkrankung. Diese Interpretation hat zur Folge, dass auch die Behandlung der bisher als saisonal eingeordneten Depression nicht an jahreszeitlich bedingte Problematiken gebunden sein muss. Lichttherapie, Vitamin D und Melatonin, als klassische Ansätze bei der saisonalen Depression, können schließlich auch bei anderen affektiven Störungen einen großen Unterschied machen.
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